Christian Hug
Wenn ich bei einer Tafelrunde sitze und es sind Leute dabei, die ein bisschen schnäderfräsig tun und von glutenfreiem Essen schwafeln, dann erlaube ich mir manchmal einen ziemlich derben Scherz: Ich klopfe mir kräftig auf meinen Hüftspeck und verkünde heiter: «Das Schnitzel, das wir da auf dem Teller haben, das kommt von der Sau – von hier!»
Erstaunlicherweise funktioniert dieser Test fast immer: Irgendwer legt dann Messer und Gabel nieder und sagt ganz enttäuscht: «Hou, jetzt kann ich das nicht mehr essen.» «Aber wieso?», frage ich dann jeweils munter, denn die Antwort ist zuverlässig immer dieselbe: «Weil ich jetzt das Schwein vor meinem geistigen Auge sehe, und das kann ich nicht essen.» Jetzt haben wir den Finger auf dem wunden Punkt: Wieso kann man problemlos ein Schnitzel essen, nicht aber eine Sau? So. Ab jetzt wird es ungemütlich.
Natürlich ist es ganz praktisch, wenn man ein Schnitzel in der Auslage der Migros kaufen kann: einzelverpackt, keimfrei, vakuumiert und gerne auch bio. Man könnte auch sagen: quadratisch, praktisch, gut. Aber das Ding hat eben einen Haken: Das Schnitzel war mal ein Tier, und wegen dieses Schnitzels musste das Tier sterben. Und sterben ist nicht lustig. Schlimmer noch: Um an das Schnitzel heranzukommen, musste jemand das Tier töten. Und töten ist noch viel weniger lustig als sterben. Das muss man wissen, wenn man Fleisch isst.
Ich persönlich habe keine Probleme damit. Ich habe selber schon Tiere getötet, um sie zu essen. Oh, ja, das war hässlich. Aber das Fleisch war lecker. Ich habe meinen Frieden damit gemacht, mich auf Kosten von anderen Lebewesen zu ernähren. Weil wir genau betrachtet gar nicht drum herumkommen: Die Schlüsselblumen in meinem Tee und der Nüsslisalat auf meinem Teller waren auch mal genauso lebendige Wesen wie das Schwein und die Kuh, von denen das Fleisch stammt.
Genau deshalb bestehe ich im Mindesten darauf, dass ein Tier, dessen Fleisch ich esse und das für mich sein Leben hingeben musste, zu Lebzeiten anständig und respektvoll behandelt wird. Lieber esse ich gar kein Fleisch, als Fleisch, das in Massentierhaltung mit leidenden Tieren «produziert» wurde. Nun muss man ja nicht unbedingt ein treuherzig dreinblickendes Bio-Kalb eigenhändig erschiessen, um sich eine Legitimation zum Fleischessen zu erwerben – obwohl ich finde, dass das helfen würde.
Aber in unserem wunderbaren kleinräumigen Kanton haben wir immerhin die Möglichkeit, Fleisch direkt vom Bauern zu kaufen. Auf dem Hof können wir dann persönlich prüfen, ob die Tiere anständig behandelt werden und ein – nun ja: glückliches Leben vor dem unvermeidbaren Tod führen dürfen. Und vielleicht wagen Sie ja mal, bevor Sie ins nächste Schnitzel reinbeissen, einen Besuch beim Metzger. Nicht, wenn er hinter der Theke Schweinshaxen verkauft, sondern wenn er die Sau schlachtet.