Jana Arnold
Im Sommer passiert die schmale Strasse durch den Dorfkern Andermatts alle 30 Sekunden ein Motorfahrzeug. Das macht 2300 Fahrzeuge pro Tag – so weist es das kommunale Verkehrskonzept aus. Darunter sind nicht nur Autos und Motorräder, sondern auch Cars und Lastwagen. Für das Essen im Freien oder den Spaziergang stellen dies keine guten Rahmenbedingungen dar.
So ging der Gewerbeverein Andermatt gemeinsam mit Andermatt-Urserntal Tourismus und dem Hotelierverein 2020 auf die Gemeinde zu, um eine autofreie 1.-August-Feier vorzuschlagen. «Das Konzept hat überzeugt», so Tourismusdirektor Thomas Christen, und man entschloss sich, 2021 gleich vier autofreie Samstage einzuplanen. Zwei davon mussten aufgrund schlechter Witterung abgesagt werden – so auch der am vergangenen Samstag. Dennoch spricht Christen von einem gelungenen Versuch.
«Von den Gästen haben wir durchwegs positives Feedback erhalten.»
Auch die meisten Gewerbler hätten sich erfreut gezeigt. «Wir haben 30 E-Mails erhalten, 26 davon positiv.»
Geteilte Meinungen
Das Riverhouse beispielsweise sei vor zwei Wochen völlig überrannt worden. Hotelier Kevin Obschlager betont jedoch, nicht nur aus eigenem Vorteil hinter dem Anliegen zu stehen. «Autofrei bedeutet einen Mehrwert für alle.» Es ergebe sich eine Ruhe, die die Qualität des Tourismus massgeblich steigere.
«Wir stehen zu 100 Prozent hinter einem autofreien Andermatt – auch ganzjährig.»
Obschlager führt dazu Beispiele wie Gstaad oder Saanen an, bei denen sich gezeigt habe, dass ein Fahrverbot dem Gästeaufkommen keinen Abbruch tue.
Marcel Wenger, Inhaber des Restaurants Adler, ist etwas anderer Ansicht. Er bezeichnet die Versuche zwar ebenfalls als Erfolg, dies jedoch mit Vorbehalt: Besonders bei den Parkplätzen sieht er noch Potenzial. Damit das autofrei funktioniere, müsse man den Besuchern sofort Parkplätze anbieten können. Und auch dann: Den Autoverkehr ganzjährig unterbinden würde Wenger nicht.
«Im Winter sollte das kein Problem sein. Aber im Sommer hätten wir ohne Durchgangsverkehr merklich weniger Gäste.»
Mit dieser Ansicht scheint Wenger nicht allein zu sein, denkt man an die vier negativen Rückmeldungen, die Tourismusdirektor Christen erhalten hat. Diese würden vor allem von Restaurants stammen, die Parkplätze gleich neben dem Betrieb besitzen. Christen räumt ebenfalls ein, dass Andermatt in den Sommermonaten auch vom Durchgangsverkehr lebe – im Moment. «Mit dem Wachstum vom Quartier Reussen bin ich überzeugt, dass Andermatt bald auch im Sommer genügend Feriengäste haben wird.» Auch er würde sich also vorerst auf eine Fussgängerzone im Winter beschränken.
Drei-Schritte-Plan vorgelegt
Diese Vorstellungen decken sich mit dem kommunalen Verkehrskonzept. In diesem wird ein Plan in drei Schritten präsentiert, wie sich das Zentrum Andermatts in den nächsten 15 bis 20 Jahren wandeln soll: In einem ersten Schritt ist mittelfristig geplant, eine Begegnungszone in den Wintermonaten und ein Fahrverbot für Lastwagen und Cars zu schaffen. Letzteres wurde bereits umgesetzt, ausgenommen sind Zubringer. Als Nächstes soll längerfristig die Begegnungszone auch auf die Sommermonate ausgeweitet und schliesslich zu einer Fussgängerzone umgewandelt werden.
Und wie ernst ist es der Gemeinde mit diesem Plan? «Das Thema autofreies Andermatt ist und bleibt prioritär auf der Agenda der Gemeinde», so Vizepräsident Peter Baumann. Im Moment müssten jedoch noch Detailabklärungen getätigt und die nötigen Bewilligungen eingeholt werden. Dabei sollen auch Bevölkerung und Gewerbe mitreden können. Für ein komplettes Fahrverbot müssen sich die Befürworter also noch etwas gedulden. Bereits jetzt freuen dürfen sie sich jedoch auf weitere autofreie Tage im 2022. «Wir haben beschlossen, im nächsten Jahr wieder etwas Ähnliches aufzuziehen», so Baumann.