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Luzern

Ein vergessenes Grab und eine farbige Decke: Renovation der Klosterkirche Rathausen bringt Überraschungen zu Tage

Nach zweijähriger Sanierung wurde die Klosterkirche Rathausen am Sonntag eingeweiht. In den historischen Gemäuern schlummert eine bewegte Geschichte.
Die neu sanierte Klosterkirche Rathausen von aussen.  (Bild: Patrick Hürlimann (Ebikon, 27. November 2021))
Der Innenraum der Klosterkirche Rathausen. Die Decke wurde bei der Renovation wieder in den Originalzustand versetzt. (Bild: Patrick Hürlimann (Ebikon, 27. November 2021))
SSBL-Geschäftsführer Pius Bernet. (Bild: SSBL)
Blick auf die Orgel in der Klosterkirche Rathausen. (Bild: Patrick Hürlimann (Ebikon, 27. November 2021))

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Bei Bauarbeiten kann man mancherlei Überraschung erleben – erst recht, wenn es sich um historisches Gemäuer handelt. Zum Beispiel die Klosterkirche Rathausen. Dort wurden soeben umfassende Renovationsarbeiten abgeschlossen. 4,1 Millionen Franken investierte die Stiftung für Schwerbehinderte Luzern (SSBL) in die Sanierung. «Unter den Bodenkacheln kam vor drei Tagen ein Grab zum Vorschein», sagt SSBL-Geschäftsführer Pius Bernet. Das Grab gehört offenbar dem ersten Direktor des 1883 gegründeten Kinderheims. Archäologische Untersuchungen sollen nun weitere Erkenntnisse bringen.

Ein Grossbrand zerstörte 1903 fast die ganze Klosteranlage

Nicht nur am Boden, sondern auch an der Decke gab es Überraschungen: So ist unter den weissen Stuckaturen eine farbige Decke zum Vorschein gekommen. Diese stammt offenbar aus dem Jahr 1905 und wurde später überdeckt. Bei der Renovation wurde nun dank Finanzierung der Denkmalpflege der Originalzustand wieder hergestellt. Dazu muss man wissen: Die ehemalige Klosteranlage Rathausen ist 1903 praktisch vollständig abgebrannt und wurde danach wieder aufgebaut. Die Kirche wurde 1905 im spätbarocken Stil neu erstellt, die Altäre des abgebrochenen Bruchklosters in Luzern wurden in Rathausen wieder verwendet.

Am Sonntag wurde die frisch renovierte Kirche vom Basler Weihbischof Denis Theurillat neu gesegnet. Die Beendigung der rund zweijährigen Bauarbeiten bedeutet den Abschluss der Gesamterneuerung der ehemaligen Klosteranlage, die seit 1988 von der SSBL genutzt wird. 2016 wurden das sanierte Konventgebäude sowie drei zusätzliche Wohnhäuser eröffnet. Dieses Jahr erhielten die rund 180 Bewohnerinnen und Bewohner in Rathausen zudem einen kleinen Sportplatz und einen Park.

Die Kirche bleibt noch ein bisschen sakral

Die renovierte Kirche wird in erster Linie von der SSBL genutzt: «Sie wird unsere neue Aula», sagt Pius Bernet. So sollen Theater, Konzerte, Workshops und andere interne Anlässe stattfinden. Am Wochenende steht die Kirche der Öffentlichkeit zur Verfügung – etwa für Hochzeiten oder Abdankungen. Im ausgebauten Dachstock richtet die SSBL Schulungsräume ein. Trotz der vorwiegend weltlichen Nutzung wird die Kirche ein sakraler Raum bleiben – ähnlich wie die Maihofkirche in Luzern. «Wir haben ein paar kleinere Auflagen erhalten, etwa, dass das ewige Licht nicht abgedeckt werden darf», sagt Pius Bernet.

Kirchenrenovation dank Bypass-Tunnel

Finanziert wurde die Kirchensanierung übrigens zur Hälfte durch Spenden und Beiträge der Denkmalpflege – und zur anderen Hälfte indirekt durch den Bund: Zur Realisierung der geplanten dritten Röhre im Rathausen-Tunnel im Rahmen des Bypass-Projekts musste die SSBL dem Bund Land abtreten. Mit dem Erlös konnte nun die Kirche saniert werden.

Die Klosteranlage Rathausen hat eine lange und bewegte Geschichte. Gemäss einer Dokumentationsbroschüre der kantonalen Denkmalpflege bildete sich bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Horw eine Schwesterngemeinschaft. Nachdem festgelegt worden war, dass sich die Schwestern dem Zisterzienser-Orden anschliessen sollten, erwarb ein Luzerner Bürger 1245 für sie ein Stück Land an der Reuss. 1259 wurde das Kloster, das den Namen «Rathausen» erhielt, eingeweiht – übrigens zeitgleich mit dem Kloster St.Urban. Im Rahmen der Klosterreformen des 16. Jahrhunderts schotteten sich die Nonnen zunehmend ab. Es wurde eine strenge Klausur eingefügt, eine Klostermauer gebaut und bisher öffentlich zugängliche Bereiche wie die Gastwirtschaft geschlossen. Angeblich lebten die Schwestern die Regeln derart streng aus, dass sich die Angehörigen um sie Sorgen machten.

Blühende Musikkultur – und düstere Heim-Vergangenheit

Eine richtige Blüte erlebte das Kloster im 18. Jahrhundert: Die Kirche wurde neu gestaltet, erhielt eine neue Orgel und es herrschte eine blühende Musikkultur, an der sich die Nonnen aktiv beteiligten. 1848 fand das Kloster ein jähes Ende. Um die Kriegskosten des verlorenen Sonderbundskriegs zu bezahlen, musste Luzern Klöster aufheben. Auch Rathausen ging mitsamt dem Klostervermögen in staatlichen Besitz über. Die Nonnen zogen in andere Klöster. Anschliessend wurde in Rathausen ein Lehrerseminar eingerichtet und ab 1883 ein Kinderheim. Dort gab es systematische Misshandlungen und Missbrauch. Dieses dunkle Kapitel wurde in den letzten Jahren aufgearbeitet.

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