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WM-Alternative

Ein Surseer Holzbildhauer verwandelt sein Atelier während der WM zum Kulturstadion

Für Elias Zürcher (30) ist Fussball die Sportart Nummer eins. Trotzdem verzichtet er komplett auf die WM. Stattdessen bietet der Fussballfan mit Kunstschaffenden während jeder Partie ein Alternativprogramm an.

Elias Zürcher in seinem Atelier, das während der WM zum fussballfreien Kulturstadion wird.
Bild: Bild: Roger Rüegger (Sursee, 18. November 2022)

Stolz zeigt Elias Zürcher in seinem Atelier in Sursee einige ältere Fotos, auf denen er als Schulbube mit einem rotblauen Trikot von Fussballstar Hakan Yakin posiert. «Für mich als Fussball- und FCB-Fan war Hakan damals mein absoluter Lieblingsspieler. Ich schaue mir heute noch regelmässig Spiele der Schweizer Super League, der Bundesliga sowie Spiele der englischen Premier League mit Schweizer Akteuren an. Ja, ich bin verrückt nach Fussball», sagt der 30-jährige Holzbildhauer, während er die Treppe zur Galerie hochgeht, um dem Besucher einen Überblick seines «Stadions» zu gewähren.

Sein Atelier verwandelt der gelernte Schreiner und Holzbildhauer für die Dauer der Fussballweltmeisterschaft vom 20. November bis 18. Dezember in ein Kulturstadion, indem Alternativveranstaltungen zur Fussball-WM stattfinden werden. Genau genommen handelt es sich dabei um die «Kreativgarasch», ein Handwerks- und Organisationskollektiv mit Leuten aus den Bereichen Textiles Gestalten, der Eventgruppe Berg und Tal oder dem Velogärtner, welches seit über einem Jahr bei der ehemaligen Burkhard-Garage an der Münsterstrasse eingemietet ist.

Der Fachmann macht Nägel mit Köpfen

Warum in diesem Gebäude kein Fussball aus Doha in den kommenden vier Wochen geboten wird, erklärt Zürcher so: «Die Idee ist nicht, mit dem Finger nach Katar zu zeigen und über Menschenrechte zu diskutieren. Mir passt hauptsächlich nicht, dass dort derartige Stadien errichtet werden, wo doch andernorts Infrastrukturen existieren. Dass diese WM auf der Basis von unsagbar viel Geld vergeben worden ist, macht sie für mich entbehrlich», so Zürcher. Das habe er bereits bei der Vergabe im Jahr 2010 kritisiert. Und weil Zürcher nicht einer ist, der es mit der Faust im Sack bleiben lässt, sondern als Holzfachmann gewohnt ist, Nägel mit Köpfen zu machen, reagiert er.

Zusammen mit 21 Kunstschaffenden aus Luzern und Sursee sowie zehn Schulkindern präsentiert er an der Eröffnung am 20. November Kunst in allen Facetten. Geld soll im Kulturstadion eine untergeordnete Rolle spielen, der Spass aber werde grossgeschrieben.

Pingpong-Rundlauf wie im Skilager

Wer sich Spiele live ansehen will, ist im Kulturstadion definitiv an der falschen Adresse. Es werden während der Dauer der WM keine Partien übertragen. Zu sämtlichen Anspielzeiten finden jedoch Aktivitäten statt. So werden etwa ausgewählte Filme wie «The Peanut Butter Falcon» oder «Ray» abgespielt. Wem das Starren auf ein TV-Gerät zu passiv ist, der kann sich mit Yoga aktiv betätigen oder die Anwesenden mit Karaoke unterhalten, im Pingpong-Rundlauf in alten Skilager-Erinnerungen schwelgen oder auch nur bei Kaffee und Kuchen über den Sinn des Lebens oder auch über den von Fussballspielen generell nachdenken.

Zürcher und sein Freundeskreis finden die Idee, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, Weltklasse. «Wenn sich einzelne Leute gegen die Spiele entscheiden, hat das nicht dieselbe Wirkung, wie wenn man es als Kollektiv tut. Damit können wir der Fifa ein wenig ans Bein pinkeln und gleichzeitig wird der lokalen Bevölkerung ein Begegnungsort geboten, an dem eine einzigartige Stimmung und schöne Momente garantiert sind», ist er überzeugt. König Fussball regiert vielleicht die Welt, aber nicht Sursee, zumindest nicht überall.

Denn natürlich wird in diesem Winter auch in Sursee fleissig Fussball verfolgt und gelebt. Auf dem Martignyplatz steht ein Winterdörfli mit Public-Viewing-Zelt, Bars, Raclettestübli und Verkaufsständen.

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