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Zug

Ein Sommernachtstraum am Zuger Stadtrand endet fulminant

Die Zürcher Theaterplattform Gravity9 verpackte das gleichnamige Stück von William Shakespeare in ein sommertaugliches Genuss-Konzept. Das überzeugte das Publikum und sorgte in der Gewürzmühle Zug fast durchgehend für ein volles Haus.
Die Bühne liegt mitten im Publikum. Die sechs Darstellerinnen und Darsteller meisterten Shakespeares komplexes Stück mit nur wenigen Requisiten, dafür mit grossem schauspielerischem Können. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 30. August 2020))
(Bild: Stefan Kaiser (Zug, 30. August 2020))

Haymo Empl

Haymo Empl

«Es ist schwierig, heutzutage indische Elefanten in Athen zu bekommen», findet die Bedienstete. «Und schwieriger ist es, gutes Personal zu haben», fügt die Kollegin an und seufzt. Dann streckt sie dem Theater-­Gast eine Menage mit Feuersteinen hin und fragt: «Etwas Süsses?»

Diese Szenerie spielte sich am Sonntagabend an der Dernière vom «Sommernachtstraum» in der Gewürzmühle Zug ab. Die Idee dahinter: Schauspieler und Gäste mischen sich zu Beginn der Inszenierung und dazu gehört eben, dass die anwesenden Zuschauer «Gäste» sind für die Hochzeit, die bald stattfinden sollte. Ebenso hatten die Zuschauer – Pardon – Gäste sich zuvor für Picknickkörbe zu entschieden, deren Inhalt dann während der Aufführung verzehrt werden konnte.

Am Sonntag wurde aber nicht nur fürs leibliche Wohl gesorgt – die freie Inszenierung von William Shakespeares «Ein Sommernachtstraum» bot alles, was einen Theaterabend gelingen lässt: hervorragende Schauspieler mit Gespür fürs Publikum, tolle Kostüme (mit einfachen Mitteln war trotz des kleinen Ensembles immer klar, wer gerade was spielte) und passende Musikeinlagen. Schon allein die Musik und der Gesang wären Grund gewesen, die Vorstellung zu besuchen.

Sechs Leute meistern mehrere Handlungsstränge

Das Stück aus dem Jahr 1596 besteht aus mehreren Nebenhandlungen, die sich um die Hochzeit von Theseus und Hippolyta drehen. Eine Handlung dreht sich dabei um einen Konflikt zwischen vier athenischen Liebenden, ein weiterer Handlungsstrang um eine Gruppe von sechs Laiendarstellern, die bei der geplanten Hochzeit von Theseus und Hippolyta ein Stück darbieten müssen.

Diese Nebenhandlungen finden in einem Wald statt, der von Feen bewohnt wird, welche die Figuren des Stücks kontrollieren. Es ist daher bei den vielen Strängen alles andere als selbstverständlich, dass der «Sommernachtstraum» mit total nur sechs Leuten (inklusive Musik) so genial funktionierte. «Inhaltlich haben wir einen Mix aus einem Klassiker von Shakespeare und thematisch passender klassischer Musik von Henry Purcell, Felix Mendelssohn und Ambrois Thomas kreiert», erklärt Andres Esteban. Er ist der Projektleiter der Theaterplattform Gravity9 und zeichnete sich mit Co-Leiter Hannes Muik für die Inszenierung/Aufführung in Zug verantwortlich. «Das Ziel war es, monumentale Theater-Werke und bekannte Kompositionen neu zu entdecken.» Dies ist auf qualitativ hochwertigem Niveau absolut gelungen.

«Die Inspiration kam bei einem Besuch auf der Halbinsel Au am Zürichsee. Da entstand die Idee, in der Natur einen Theaterabend mit Picknick zu gestalten. Der ‹Sommernachtstraum› von Shakespeare war in dieser Umgebung naheliegend, und so fing unsere Kreativität, an Ideen zu spinnen», erklärte Andres Esteban rückblickend. Das Stück kam an. «Auch weil der ‹Sommernachtstraum› durch seine Vielschichtigkeit und die verschiedenen Handlungsebenen ein weites Publikum anspricht und man sich mit den verschiedenen Figuren identifizieren kann». Zudem biete es die perfekte Grundlage für diese besondere Atmosphäre einer lauen Sommernacht, in der der Alltag vergessen werden könne, erklärt der Schauspieler. «Eine neue intensive Erfahrung entsteht und das Publikum wird zum Träumen verleitet».

Funktionierendes Konzept und volles Haus

Diese «intensive Erfahrung» war beispielsweise, wenn mit den verschiedenen Sprachfärbungen und Dialekten der Darsteller gespielt wurde, wenn trotz des spartanischen Bühnenbildes dennoch alles so umgesetzt werden konnte, dass jedem Zuschauer klar war, wo man sich gerade befand (Hof/Wald/Zug...) und ein einziges Tuch reichte, um zu signalisieren, dass es Nacht war und geschlafen wurde.

Das Konzept schien anzukommen, die Aufführungen waren praktisch immer ausverkauft. Beeindruckend war, wie die Inszenierung völlig ohne eine klassische (erhöhte) Bühne, mitten im anwesenden Publikum und praktisch ohne Requisiten stattfinden konnte. Aber auch, wie toll gesungen wurde und mit wie viel Ironie und Witz die Rollen in Frage gestellt wurden, ohne sich über das Original lustig zu machen. «Die Rückmeldungen von unserem Publikum zeigen uns, dass unsere Idee verstanden, geschätzt und genossen wird», stellte auch Andres Esteban fest. «Die Arbeitsweise als Theater-­Company – was bedeutet, dass wir als Kollektiv das Stück erarbeitet und aus unserem gemeinsamen Ideen- und Erfahrungsschatz geschöpft haben – ist für uns alle eine tolle, bereichernde Erfahrung und grosse Freude gewesen», so der Gründer der Theaterplattform weiter.

Auf ein Nächstes in der Gewürzmühle Zug

Nach etwas mehr als 90 Minuten war am Sonntagabend dann der «Sommernachtstraum» endgültig zu Ende. Aber: «Wir sprechen bereits über weitere Stücke, nächste Produktionen, Ideen und Inspirationen», erklärte Andres Esteban. «Die Gewürzmühle in Zug war ein toller Gastgeber und hat auch bereits Interesse bekundet, unsere nächste Produktion einzuladen.»

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