«Hast du Lust auf einen Selbsttest?», werde ich auf der Redaktion unserer Zeitung gefragt. Ja, sage ich, worum es denn gehe? Eine Laufanalyse, wie man sie am kommenden Samstag in Altdorf machen könne (siehe Box). Ein wenig bereue ich meine voreilige Zusage: Da ich einen eher breiten Fuss habe und ein hohles Kreuz beim Gehen mache – man nennt es auch Entengang – werde ich wohl vor allem zurechtgewiesen, denke ich mir. Zudem haben meine Sportschuhe ihr Ablaufdatum bereits seit vielen Jahren überschritten. Diese trage ich jeweils fürs Fitness und im Tennis.
Für meine Analyse reise ich an einem Mittwochnachmittag nach Altendorf. Dort begrüsst mich ein sehr zuvorkommender David Brotzer, Inhaber eines eigenen Schuhgeschäfts. Ich kann aufatmen. Ohne lange zu plaudern, schreiten wir gleich zum Test: Dieser dauert zu meiner Überraschung nur etwa zehn Minuten. Trotzdem sei es kein Billigtest, versichert mir der Schuhhändler. «Ein solches Gerät kostet 30000 Franken. Es ist revolutionär, da es ursprünglich zu medizinischen Zwecken entwickelt wurde», sagt Brotzer etwas stolz.
Nur mithilfe des Fusstypes gibt es den richtigen Schuh
Kurz und schmerzlos laufe ich in Socken auf einer Matte zwei-, dreimal hin und her. Diese Druckmessplatte ist mit 12000 Sensoren und einer Kamera ausgerüstet. So werden die Druckverteilung, das Abrollverhalten und die Stabilität meines Fusses genaustens gemessen. Schliesslich kann aufgrund der Daten mein Fusstyp bestimmt werden. Ich bin nicht sonderlich überrascht: Es ist ein Flachfuss – früher sagte man dazu auch Plattfuss. Mittig sind meine Füsse deshalb relativ breit.
Oder wie es Brotzer ausdrückt: «Du läufst stark über die Versen mit einem steilen Winkel. Zudem hast du vorne eine kurze Abrollphase.» Das sei aber nicht weiter besorgniserregend, beruhigt er mich: «Es gibt einfach verschiedene Fuss- und Gangtypen.» Ersteres sei genetisch bedingt und Letzteres eine Frage der Gewöhnung. «Wenn jemand Schmerzen hat, hilft in der Regel bereits der richtige Schuh. Nur in seltenen Fällen muss man den Gang umgewöhnen.»
Schuhe, durch die man fast hindurchfällt
Was er denn von meinen alten Schuhen halte, fordere ich ihn ein bisschen heraus. «Diä sind durä», sagt der Schuhhändler knapp. Damit würde ich meinem Körper schon lange keinen Gefallen mehr tun. «Hinten fällst du fast durch die Schuhe hindurch», derart abgenutzt seien die Sohlen bereits. «Zudem ist das Material alt. Es dämpft nicht mehr gleich», meint der Fachmann. Den Schuh hätte ich also vor Jahren schon ersetzen sollen. «Aber da bin ich nicht der einzige, der das so sieht», sagt Brotzer mit einem Augenzwinkern.Wie lange man denn einen Schuh tragen könne? «Wenn man viel joggen geht, empfiehlt es sich, zwei Paar Schuhe zu haben. Wettkampfschuhe kann man etwas weniger lange tragen als Schuhe zur gewöhnlichen Verwendung, etwa 500 bis 800 Kilometer, das kommt auf den Schuhtyp an.»
Brotzers Telefon klingelt. Am anderen Ende meldet sich eine besorgte Mutter. Ihr Sohn leide Schmerzen, jetzt müsse eine Laufanalyse her. «Wenn man die falschen Schuhe trägt, kann das zu einer Überbelastung und zu Verletzungen führen», sagt Brotzer. «Wenn man heute falsche Schuhe anzieht, muss das nicht heissen, dass sich das morgen schon bemerkbar macht. Aber über Monate können sich Sehnen entzünden oder es könnten sonstige Schmerzen entstehen, wie etwa Rückenprobleme oder Knieschmerzen», sagt der Experte.
Knieprobleme verschwinden dank der richtigen Wahl
«Es kommen Leute mit Knieproblemen zu mir», erzählt Brotzer. «Wenn wir den richtigen Schuh finden, verschwinden die Schmerzen manchmal schon nach drei Wochen. Dasselbe habe ich schon bei Rückenbeschwerden erlebt.» Der Grund dafür: Bei einem passenden Schuh wird der Druck besser verteilt und so die Stabilität im Gang erhöht.
Sein Wissen über Schuhe hat sich Brotzer über Jahre angeeignet. Nachdem er im Vertrieb eines Schuhherstellers tätig war, machte er sich selbstständig. «Ich wollte mein Know-how an den Kunden weitergeben, darum entschied ich mich, das Geschäft zu eröffnen.»
Ein Mysterium gilt es noch zu klären: Was ist vom Wunderschuh Vaporfly von Nike zu halten, mit dem Läufer laut dem Hersteller jedes Rennen gewinnen? «Alles Marketing», so Brotzer, «Wunderschuhe gibt es nicht.» Würde es so einen geben, wäre die 2-Stundengrenze im Marathon längst geknackt worden, meint Brotzer. «Auf 42 Kilometer kann der Schuh ein paar Sekunden ausmachen. Aber im Wettkampf steht immer der Athlet im Vordergrund.»
Trotzdem: Am Ende kaufe ich mir dann doch ein paar brandneue Tennisschuhe, die wie durch ein Wunder passten.