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Zug

Ein Heimspiel für die jungen Grünen

An einem Podium im Siehbachsaal zur Zersiedelungsinitiative traf Grünen-Shootingstar Luzian Franzini auf SVP-Schwergewicht ?Thomas Aeschi. Das Duell der beiden Kontrahenten blieb spannend bis am Schluss.
Diskussion über die Zersiedelungsinitiative (von links): Peter Rust (Kantonsrat, CVP), Thomas Aeschi (Nationalrat, SVP), Severin Hofer (Moderator), Hanni Schriber-Neiger (Kantonsrätin, ALG) und Luzian Franzini (Co-Präsident Junge Grüne Schweiz).
(Bild: Stefan Kaiser (Zug, 30. Januar 2019))

Christian Tschümperlin

In der Schweiz wird fleissig gebaut. Am 10. Februar kommt deshalb die Zersiedelungsinitiative zur Abstimmung. Sie will die Gesamtfläche der Bauzonen auf dem heutigen Stand einfrieren. Während es anfänglich – wie bei Volksinitiativen üblich – noch gut aussah für das Anliegen (bei einer Tamedia-Umfrage Anfang Januar wollte noch eine knappe Mehrheit ein Ja in die Urne legen), ist die Initiative bei der jüngsten Abstimmungsumfrage abgestürzt: Nur noch 37 Prozent sprechen sich dafür aus. Zeit für die Jungen Grünen, das Ruder herumzureissen.

Ihrer Einladung folgten SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (SVP) sowie CVP-Kantonsrat Peter Rust (Walchwil). Sie vollzogen bei einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Siehbachsaal den bürgerlichen Schulterschluss gegen die Initiative. Für die Initiative traten der Junge-Grünen-Senkrechtstarter Luzian Franzini und ALG-Kantonsrätin Hanni Schriber Neiger (Risch) ein. Der Anlass wurde moderiert von Severin Hofer, der seine Aufgabe vorzüglich und mit einer gesunden Prise Humor erfüllte. Zum Aufwärmen hatte er den Kontrahenten eine Reihe Holzklötze auf grüner Matte mitgebracht. Sie sollten diese nun nach Belieben bebauen. Während sich bei Franzini und Schriber-Neiger die Holzklötze dicht aneinander drängten, baute sie Rust auf Hinweis von Aeschi «aber nicht zu dicht». Das sei nun eine ausgesprochen spannende Aufgabe gewesen, fand Franzini, weil sie die Begrenztheit der Fläche aufzeige.

Zuwanderung als Hauptursache?

Zu Aeschi gewandt gestand Moderator Hofer daraufhin ein, dass er anfänglich geglaubt habe, eine Initiative, die das Kulturland schützen wolle, die müsse doch von der SVP kommen. «Warum sitzen Sie nicht auf der anderen Seite», fragte er. Aeschi anerkannte das Problem, zauberte aber eine ganz andere Lösung aus dem Hut: «Jährlich wandern 50000 bis 80000 Ausländer in die Schweiz ein», erklärte er einem skeptisch drein blickenden Publikum. Wer die Zersiedelung stoppen wolle, müsse die Zuwanderung beschränken. Auf diesen Punkt sollte Aeschi im Laufe der Diskussion noch mehrmals pochen. Ob denn diese Ausländer nicht in Hochhäusern leben könnten, hackte der Moderator nach. «Jeder sollte dort wohnen können, wo er möchte», gab Aeschi zu bedenken. Eine Schweiz aus Hochhäusern war denn auch nicht das, was Aeschi vorschwebte.

Damit war das Bild des Abends schon angesprochen. Kürzlich habe eine – nicht näher genannte – Frau eine zukünftige Schweiz mit dem kleinen Manhattan verglichen, so der Moderator. Der Konter von Franzini liess nicht lange auf sich warten: «Die effizienteste Art um viel Wohnraum zu schaffen, sind nicht Hochhäuser, weil man aus feuertechnischen Gründen relativ viel Abstand zwischen ihnen schaffen muss, sondern fünf- bis sechsstöckige Häuser.» Er wolle keine Skylines schaffen. In den letzten Jahren waren die meisten Gebäude aber zwei- bis dreistöckig. «Mit einer moderaten Verdichtung können wir das grösste Bevölkerungswachstum schon abfangen.» Ohnehin bestünde das Problem der Zersiedelung auch bei Null-Zuwanderung. Denn: In den letzten 40 Jahren habe die Bevölkerung um 17 Prozent zugenommen, das bebaute Areal aber um 44 Prozent. Die zurückgelegten Autokilometer pro Person hätten sich zudem mehr als verdoppelt.

Dann kam die Runde auf das obligate Thema Raumplanungsgesetz zu sprechen. Dieses beinhalte bereits alle Instrumente zum verdichteten Bauen, so Aeschi. Daraufhin zeigte sich Franzini überrascht, dass Aeschi das Raumplanungsgesetz so lobe, nachdem er dieses 2013 ja bekämpft habe. «Das Volk hat entschieden», resümierte Aeschi. «Wenn Bauflächen limitiert werden, hat man Druck auf Landpreise und Mieten. Ob das die Bevölkerung will, bezweifelte ich», so Aeschi. Das sei reine Angstmacherei, diagnostizierte Franzini, so hätten die Gegner schon beim Raumplanungsgesetz argumentiert. Die Preise hingen von den Quadratmetern Nutzfläche ab und nicht von den Quadratmetern Boden, die zubetoniert würden.

Grün ist nicht unbedingt gleich grün

Rust machte darauf aufmerksam, dass in eine eingezonte Fläche zu zwei Dritteln auch aus grünem Land bestünde. Die Retourkutsche von Schriber-Neiger kam prompt: «Im Baugrund einer Siedlungsfläche verstecken sich oft Parkplatz- und Heizungsanlagen. Oben grün heisst noch lange nicht, dass der Boden so ist, wie er mal ursprünglich war.» Und weiter: «Wir erholen uns in der Landschaft mit Fernblick, mir muss niemand erzählen, dass wir uns in der Stadt erholen.» Zum Schluss liess Moderator Hofer durchblicken, dass er sein Couvert noch nicht eingelegt hat, und forderte die Politiker auf, ihn mit einem Satz zu überzeugen. Rust verwies auf das Wachstum, Aeschi nochmals auf die Zuwanderung, Schriber-Neiger auf den wachsenden Verkehr und Franzini darauf, dass der Boden nicht nachwächst. Wie der Moderator schliesslich entscheiden würde, blieb sein Geheimnis.

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