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Zug

Ein gesungenes Blumen-Bouquet – und das Veilchen stirbt zuletzt

Es war ein wahres Wechselbad der Gefühle: Marie Seidler und Marcelo Amaral interpretierten in Unterägeri stilistisch vielfältige Lieder rund um die Blumen-Symbolik.
International tätig und eingespielt: Mezzosopranistin Marie Seidler und Pianist Marcelo Amaral in Unterägeri. (Bild: Stefan Kaiser (23. August 2022))
Marie Seidler – auch in Mimik und Ausdruck stark. (Bild: Stefan Kaiser (23. August 2022))

Andreas Faessler

Andreas Faessler

«Ein tief verborg’ner Sinn liegt in den Blumen drin, gäb’s nicht die Blumensprache, wo kämen Verliebte hin?» – Was Erminio in Carl Millöckers «Gasparone» im langsamen Walzertempo leidenschaftlich vor sich hinsingt, haben Dichter und Tonkünstler bereits lange zuvor erkannt: Kaum etwas ist von vergleichbarer Symbolik wie Blumen in ihrer gesamten Variantenvielfalt. Man setzt mit ihnen eine Fülle an Emotionen und Werten in Verbindung: Allem voran die Liebe, auch Leid, Sehnsucht, Dank, Jugend, Eifersucht, ebenso Aspekte wie Vergänglichkeit, Tod, Trauer...

Am Dienstag sang nicht Erminio über die Blumensprache, sondern Marie Seidler. Die deutsche Mezzosopranistin war im Rahmen der Reihe Aegeri Concerts in der Ägerhalle zu Gast für einen Liederabend rund um das Blumenthema. Am Flügel sass der brasilianische Pianist Marcelo Amaral. Die Rose als viel besungene Hauptprotagonistin stand Patin für das Konzert «Zur Rosenzeit».

Das romantische Blumen-Liedrepertoire scheint für alle erdenklichen Stimmungslagen unerschöpflich, wie das eingespielte Duo an diesem Abend in einer eindrücklichen Stilvielfalt demonstrierte. Mit einer Auswahl an rührenden Schubertliedern wurden Liebe, Sehnsucht und Natur besungen (Heimliches Lieben, Rastlose Liebe, Im Frühling). Im Kontrast dazu provozierten die tonmalerischen Gesangsstücke von Gabriel Fauré eine ganz andere Grundstimmung, hier hielt die Fauna Einzug (u.a. Le Papillon et la Fleur).

Dieser Kontrastwechsel fand während des gesamten Konzerts eine Fortsetzung und hielt die Spannung, was als Nächstes folgen wird, bis zum Schluss aufrecht. Mit je einer innigen Ode an die Rose als gemeinsamen Nenner standen sich Robert Schumman (Meine Rose) und Richard Strauss gegenüber (Rote Rosen). Thematisch daran anknüpfend, doch von ganz anderer Farbigkeit: auf Englisch rezitierte Lieder von William Walton (u.a. Lady, when I behold the Roses).

Der Blumen Worte kennen keine Sprachbarriere

Mit erfrischender Theatralik und Mimik verlieh die Mezzosopranistin den innigen Botschaften sämtlicher Lieder Ausdruck – ob sterbenskrank vor Liebe (Hugo Wolf: Bedeckt mich mit Rosen) oder endlos verzückt ob der herrlichen Blumenpracht allenthalben (Emmanuel Chabrier: Toutes les fleurs). Und was die unvermeidliche Vergänglichkeit von leuchtenden Blüten als Inbild erloschener Liebe in der Seele anrichten kann, dem hat Ernst Chausson mit Le temps des Lilas ein besonders herzzerreissendes Tongedicht gewidmet.

Der geografische Bogen des offiziellen Konzertprogrammes vom deutsch- über den französisch- und englischsprachigen Raum endete in Spanien: Manuel de Fallas Siete canciones populares españolas sind ein wahres Stil- und Gefühlsfeuerwerk, welches mit dem Motiv der Blume weniger direkt zu tun hat als mit der Liebe und dem Gunstwerben. Feurig-iberische Weisen, tiefe Melancholie, der Übermut der Jota – Marie Seidler und Marcelo Amaral liessen das offizielle Programm mit ausgeprägt spanischem Einschlag verklingen.

Kleines Publikum, grosser Applaus

Ein Konzert dieses Formats hätte ein weitaus grösseres Publikum verdient, als an diesem Abend zugegen war. Es mag einerseits dem Wetter geschuldet gewesen sein, andererseits gilt das romantische Liedgut gemeinhin als Sparte, die tendenziell, wenn wohl zu unrecht, weniger Zulauf verzeichnet.

Dass das hochkarätige Duo dennoch das lieferte, was man hatte erwarten dürfen, ist selbstredend: meisterhafte Gesangskunst auf höchstem Level, die geübte Stimme kräftig, hell und klar, das Zusammenspiel mit dem Piano punktgenau und harmonisch. Mit einer solchen Qualität ist Aegeri Concerts seinen Ansprüchen an sich selbst auch im zweiten Konzert mehr als gerecht geworden.

Der intensive Beifall und die Begeisterungsrufe wurden denn auch quittiert: Mit Johann Wolfgang von Goethes Gedicht «Das Veilchen», vertont von Wolfgang Amadeus Mozart. Die tragisch-komische Geschichte erzählt vom Veilchen, das sich wünscht, von der holden Schäferin gepflückt zu werden. Diese jedoch wird des zarten Blümeleins nicht gewahr – und trampelt es platt.

Aegeri Concerts: nächster Anlass am 15. September. Anna Brunner (Violine) und Shaun Choo (Piano) interpretieren Kreisleer und Brahms.

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