Robert Knobel
Es waren dramatische Zeiten für die Christdemokraten, als in den 90er-Jahren konservative CVP-Wähler begannen, in Scharen zur SVP überzulaufen. Damit nicht genug: Es kam sogar vor, dass man gestandene CVP-Politiker plötzlich auf SVP-Wahllisten wieder fand. In der Stadt Luzern sorgte etwa der inzwischen verstorbene Littauer Gemeinderat Joseph Schärli mit seinem Parteiwechsel für Aufsehen.
Silvio Bonzanigo (67) hingegen hat der CVP über all die Jahrzehnte die Treue gehalten, sass im Luzerner Stadtparlament, leitete die städtische CVP als Co-Präsident und vertrat diese als kantonaler Delegierter. Doch das ist Geschichte. Im Mai 2019 trat Bonzanigo aus der CVP aus. Dies, nachdem er mit seinem Antrag gescheitert war, bei den Kantonsratswahlen eine Listenverbindung mit der SVP einzugehen.
Nach dem Austritt ging es Schlag auf Schlag: SVP-Nationalrat Franz Grüter holte ihn ins Initiativkomitee für ein E-Voting-Moratorium – und wenig später machte er Bonzanigo zum Kampagnenleiter für seine Ständeratskandidatur. Und seit der Nominationsversammlung am Montagabend ist klar, dass Silvio Bonzanigo am 29. März 2020 als Luzerner Stadtrat kandidieren wird – für die SVP.
Jahrelanger Entfremdungsprozess von der CVP
Natürlich sei der gescheiterte Antrag für eine Listenverbindung nicht der einzige Grund gewesen für seinen Parteiwechsel, sagt Bonzanigo. «Es war ein jahrelanger Entfremdungsprozess.» Die CVP sei nicht mehr in der Lage, Strategien zu entwickeln, die dann auch umgesetzt werden. So habe sich die Partei zwar der Frauenförderung verschrieben, im Zweifelsfall dann aber doch immer auf Männer gesetzt – zum Beispiel im Regierungsrat. Gleichzeitig sei die CVP ein unzuverlässiger Partner der anderen bürgerlichen Parteien. Auch die unklare Haltung der CVP zum EU-Rahmenabkommen störe ihn. In der CVP habe man ihm manchmal vorgeworfen, er schade der Partei. «In der SVP würde man das nie sagen. Hier werden auch unbequeme Meinungen respektiert.»
Kritik am heutigen Stadtrat
Silvio Bonzanigo will mit seiner Kandidatur dazu beitragen, «dass die Stadtpolitik wieder bürgerlicher wird.» Die heutige Stadtregierung sei am Gängelband von Links-Grün. «Projekte wie das Parkhaus Musegg oder die Metro werden mit einem Wimpernschlag weggewischt.» Und dies ungeachtet der grossen Arbeit, welche Private in diese Projekte steckten. «Privatinitiative ist unerwünscht», sagt Bonzanigo und geht sogar noch weiter: «Der Stadtrat ist vor allem mit dem Lösen von Problemen beschäftigt, die er selber verursacht hat». Ein Beispiel dafür sei die Aufhebung der Carparkplätze am Inseli, die der Stadtrat befürwortete, nun aber keinen Alternativstandort findet. Unverständlich ist für Bonzanigo auch, dass die Stadt Landflächen brach liegen lässt, die eigentlich für die Stadtentwicklung gebraucht würden. «Am Pilatusplatz geht seit dem Abriss der Schmitte 2011 nichts. Und im Littauerboden liegt Bauland brach, weil sich die Stadt nicht aktiv um Investoren bemüht.»
Und das Alter? Kein Problem!
Silvio Bonzanigo ist 67-jährig. Sollte er gewählt werden und zwei Legislaturen bleiben, ist er 76 Jahre alt. «Wenn die Leistung stimmt, ist das Alter egal», sagt Bonzanigo und fügt hinzu: «Sollte jemand Zweifel an meiner physischen Verfassung haben, lade ich ihn gerne zu einer Challenge in meinem Fitnesscenter ein.» Bonzanigo gibt aber noch etwas anderes zu bedenken: «Normalerweise sind Politiker in diesem Alter ein Problem, weil sie Sesselkleber sind. Bei mir zählt dieses Argument nicht: Ich bin im Stadtrat ein Neueinsteiger.»