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Luzern

Ein Abschied mit Wehmut: Altishofens Hausarzt schliesst seine Praxis

Josef Hodel geht nach 32 Jahren in Pension, einen Nachfolger hat er nicht gefunden. Bei den Patienten fliessen teilweise gar Tränen.
Josef Hodel in seiner Praxis. (Bild: Pius Amrein, Altishofen, 26 August 2019)

Stephan Santschi

«Endspurt ist nur der Vorname.» Die medizinische Praxisassistentin Marina Kaufmann steht am Empfang und lacht. Dieser Tage gibt es viel zu tun, fast scheint es so, als wolle jeder Patient nochmals vorbeikommen und sich bei Hausarzt Josef Hodel persönlich verabschieden. Nach 32 Jahren schliesst er nun nämlich seine Praxis, der 64-Jährige geht in Pension. «Ich dachte nicht, dass im Sommer so viel los sein würde. Viele kommen auf einen kleinen Check vorbei», sagt Hodel und fügt mit einem Lächeln an: «Vielleicht möchte der eine oder andere tatsächlich einfach nur tschüss sagen.»

Kein Zweifel: Josef Hodel hat sich in Altishofen und darum herum einen sehr guten Ruf gemacht. «Wenn ich mir in den Finger geschnitten habe, konnte ich rasch vorbeikommen», sagt beispielsweise eine Patientin aus Dagmersellen. Man kenne sich halt schon lange und das schaffe Vertrauen. Den Allgemeinmediziner freuen solche Voten, mitunter vermögen sie ihn auch zu überraschen:

«Nach der Bekanntgabe der Praxisschliessung flossen ab und zu Tränen in meinem Sprechzimmer. Das hat mich erstaunt.»

Zuletzt behandelte Josef Hodel pro Tag 30 bis 40 Patienten. Im Vergleich zu 1987, als er die Praxis eröffnete, habe die Zahl der Konsultationen stetig zugenommen. In speziell guter Erinnerung blieben ihm die drei, vier notfallmässigen Ausfahrten, bei denen es sich um Hausgeburten gehandelt habe. Demgegenüber stehen unverhoffte Todesfälle, «glücklicherweise aber nie von Kindern». Einmal lagen Tod und Leben gar dicht beisammen, als ein Patient an Herzversagen starb und am Abend Hodels Sohn geboren wurde.

Verändert hat sich vieles in den letzten Jahrzehnten. Die Fortschritte in der Medikamententherapie zum Beispiel oder der zunehmende Aufwand in der Administration und für die juristische Absicherung. «Früher hätte ich bei einem kleinen Unfall mit Hirnerschütterung den Verlauf beobachtet. Heute mache ich aus Sicherheit noch eine Computertomografie.» Die Amerikanisierung lasse grüssen, die Zunahme der Haftpflichtfälle sei ein Kostentreiber. Alles in allem stellt Hodel fest, dass sich die Rolle des Hausarztes im Umfeld der medizinischen Spezialisierungen in die Richtung eines Begleiters und Beraters entwickelt habe:

«Betagte Menschen und chronisch Kranke brauchen den Hausarzt, sie kämen mit all den verschiedenen Terminen alleine gar nicht zurecht.»

Dass die Zahl der Hausarztpraxen sinkt, hat freilich auch Josef Hodel festgestellt. Einer seiner drei Söhne studierte zwar Medizin, plant die Zukunft aber in der orthopädischen Chirurgie. Und so hat Hodel eineinhalb Jahre lang durch den Branchenverband FMH nach einem Nachfolger suchen lassen, «ausser Kosten hat mir das aber nichts gebracht». Woran das liegt? «Viel arbeiten, wenig verdienen» – Josef Hodel bestätigt das gängige Klischee, kann es persönlich aber nur bedingt bestätigen. «Klar habe ich viel gearbeitet, zuweilen wies mich meine Frau Marianne schon darauf hin, dass es reiche. Leben konnten wir von den Einkünften aber immer ganz gut.» Der Zeitgeist tendiere bei den Hausärzten eben zu Gemeinschaftspraxen und Teilzeitarbeit, «es herrscht Bindungsangst und der Wunsch nach Flexibilität». Und so gehen seine Patientendossiers nun ins «Doktorhuus» nach Nebikon.

Während seine drei medizinischen Praxisassistentinnen ihre berufliche Zukunft geregelt haben, freut sich Josef Hodel nun auf die Pension. «Vor kurzem sagte ein pensionierter Chefarzt, dass der Ruhestand wie eine zweijährige Lehre sei, die jeder selber absolvieren müsse.» Wenn nächste Woche sein erstes Lehrjahr beginnt, weiss er noch nicht genau, was ihn erwartet. Ausflüge mit dem Velo oder Bergwanderungen dürften aber bald fix auf dem Stundenplan vermerkt sein, ebenso wie Reisen und Bildung.

In Altishofen mögen sie ihm die Pension gönnen, vermissen werden sie ihren Hausarzt aber schon. «Es war sehr familiär und kollegial hier», sagt Praxisassistentin Marina Kaufmann. «Die Wehmut ist spürbar.»

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