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Luzern

Ebikon: Die «fahrende Fabrik» der SBB sorgt für schlaflose Nächte – und 50 Jahre Ruhe

Die SBB-Strecke zwischen Luzern und Ebikon wird jede Nacht zur Grossbaustelle. Das ist für Anwohner  äusserst ärgerlich. Dafür halten die Gleise dann ziemlich lange – auch deshalb, weil man diesmal besseres Material verwendet.
Nächtliche Bauarbeiten auf der SBB-Linie Luzern-Zürich beim Rotsee. Bilder: Philipp Schmidli (22. August 2018)

Yasmin Kunz

Yasmin Kunz

Yasmin Kunz

Seit Nächten wird der Schlaf vieler Einwohner von Ebikon und wohl auch dem angrenzenden Luzern gestört. Ursache sind die Sanierungsarbeiten an den Gleisen zwischen Luzern und Ebikon. Insgesamt werden auf der Bahnstrecke Luzern - Ebikon 1860 Meter Gleis erneuert. Dabei werden 3500 Tonnen Schotter und 1700 Tonnen Sand verbaut. Kostenpunkt: 6,4 Millionen Franken. Die Bauarbeiten dauern noch bis Mitte Oktober. Was Anwohner wie mich stören mag, dient letztlich der Sicherheit aller Bahnkunden - ein Blick vor Ort lässt meine schlaflosen Nächte in den Hintergrund rücken.

Die Lichter, die auf uns zukommen, sind im Vergleich zur Maschine winzig klein. Die Baumaschine - sozusagen eine fahrende Fabrik (im Fachjargon Puscal 3) - allein wiegt mehr als 1000 Tonnen. Im Schneckentempo fährt sie zum entsprechenden Gleisabschnitt in Ebikon, ennet dem Rotsee. Um das Gewicht der Maschine besser zu verteilen, wird die Komposition zweigeteilt. Der erste Teil nähert sich der Baustelle fast schon unhörbar, während der zweite mit einem langgezogenen Quietschen auf uns zu fährt. Auf die Frage, ob da etwas Öl nötig wäre, lacht Daniel Fuhrer, Fachbauleiter Fahrbahn SBB Infrastruktur. Dieser Ton sei sozusagen ein Schutz für die rund 20 Männer, die in leuchtend oranger Kleidung auf genau diese Maschine warten.

Apropos Maschine und warten: Um die aktuellen Sanierungsarbeiten mithilfe dieser Geräte durchzuführen, war eine Planungszeit von drei Jahren nötig. Heisst: Die Maschine, die in der ganzen Schweiz zum Einsatz kommt, muss drei Jahre im Voraus reserviert werden. Und ein Jahr vor Baubeginn wird die Planung gemäss Fuhrer bis ins Detail ausgeklügelt.

In einer Nacht werden 54 Meter saniert

Zurück zur Baustelle: Es dauert eine Stunde bis Puscal 3, der unterschiedliche Arbeiten ausführt, vor Ort eintrifft. Zuvor wurde die Baustelle parat gemacht. So wurden unter anderem Lampen montiert, damit die Arbeiter auch in der Nacht alles sehen. Zu diesem Zeitpunkt schwatzen die Männer noch, auf Deutsch, auf Französisch, abhängig davon, woher sie kommen. Bis die grosse Maschine ihre Arbeit aufnimmt. Dann stecken sich die einen Oropax rein, andere ziehen den Pamir über. Jetzt wird mit Handzeichen kommuniziert. Jeder weiss genau, was er zu tun hat. Die Firma Scheuchzer mit Sitz in Lausanne stellt die Arbeiter.

Die Sanierung läuft jede Nacht gleich ab: 18 Meter, 18 Meter, 18 Meter. Insgesamt werden pro Nacht 54 Meter Gleis saniert. Zwischen 21 Und 5 Uhr. Und kurz nach fünf Uhr verkehren auch schon wieder die ersten Züge auf der Strecke - sofern es nicht, wie Anfang dieser Woche zu Komplikationen kommt (wir berichteten).

«Im Schnitt ist eine solche Sanierung nach 25 bis 28 Jahren nötig. »

Daniel Fuhrer, Fachbauleiter Fahrbahn SBB

Um einen Abschnitt von 18 Metern zu sanieren, benötigen die Arbeiter etwas mehr als eine Stunde. Ziel der Sanierung: die Infrastruktur wieder auf den neusten Stand bringen. «Im Schnitt ist eine solche Erneuerung nach 25 bis 28 Jahren nötig», sagt Daniel Fuhrer. Je besser die Infrastruktur, desto weniger Schäden entstehen. «Folglich können Kosten gesenkt werden. Die Züge sind pünktlicher und die Fahrten sanfter», erklärt Fuhrer.

Beton statt Stahl: So sollen die Gleise länger halten

Der Experte rechnet damit, dass dank der Erneuerung Sanierungen erst wieder in 50 Jahren durchgeführt werden müssen. «Die alten Joche zwischen den Gleisen bestanden aus Stahl. Jetzt werden sie durch Beton ersetzt, weil man heute weiss, dass Beton langlebiger und stabiler ist.» Mit Joche sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Schienen gemeint. Die Variante aus Stahl wiegt 70 Kilo, dasselbe Stück aus Beton bringt 300 Kilogramm auf die Waage.

Während etwas abseits der eigentlichen Baustelle die Stahljoche durch Beton ersetzt werden, hebt zeitgleich ein Teil der kolossalen Maschine den Schotter auf diesen 18 Metern aus und befördert ihn in Mulden. Das «Loch», das dabei entsteht, wird mit Sand gefüllt. Natürlich nicht jener Sand, den wir aus unseren Kindertagen kennen, sondern spezieller Sand. Dieser besitzt die Fähigkeit, Meteorwasser abzuleiten und verhindert zudem eine Durchmischung mit Lehm. Das ist insofern wichtig, als dass der Untergrund stets hart sein muss. Der Sand wird dann gleichmässig verteilt, gepresst und im Anschluss mit neuem Schotter überschüttet, bevor die Schienen wieder platziert werden.

Letzter Check, bevor die Züge wieder fahren

Während wir Besucher langsam ans Aufbrechen denken, da die von den SBB geplante Baustellenführung beendet ist, geht für die Arbeiter das gleiche Spiel wieder von vorne los. Auf den nächsten 18 Metern. Bevor die Züge wieder auf dieser Strecke verkehren, wird die Sicherungsanlage geprüft und protokolliert, ob alles einwandfrei funktioniert.

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