Martina Odermatt
Das Büro von Michael Kaufmann wirkt aufgeräumt. Einige Dokumente verteilen sich noch auf dem Schreibtisch. Ob er bereits Platz mache für seinen Nachfolger, fragt die Journalistin. Nein nein, sagt Kaufmann und lacht. Bis dahin müsse noch viel erledigt werden. Der Direktor der Hochschule Luzern - Musik tritt per Ende August in den Ruhestand. Der 42-jährige Valentin Gloor wird seine Nachfolge antreten. Im Interview spricht Michael Kaufmann über den Wandel, den die Musikausbildung in den vergangenen Jahren durchgemacht hat und jene Meldung der Hochschule, die es bis nach Neuseeland geschafft hat.
Bevor Sie die Stelle als Direktor der Hochschule Luzern -Musik angetreten haben, waren Sie in Bern beim Bundesamt für Energie als Vizedirektor tätig. Die beiden Bereiche scheinen auf den ersten Blick nichts gemeinsam zu haben. War der Wechsel eine grosse Umstellung für Sie?Michael Kaufmann: Die Umstellung gab es vor allem im strukturellen Bereich. Bei einer Bildungsinstitution sind die Hierarchien flach, die Meinungen der Mitarbeitenden sind wichtig und fliessen in die Prozesse ein. Die Herausforderung besteht dann darin, trotzdem nicht zu lange zu diskutieren und abzuwägen, sondern auch zeitnah Entscheidungen zu treffen.Mit dem Thema Kultur und Musik beschäftigte ich mich bereits seit meiner Jugend. Ich war immer musikalisch unterwegs, als Chorleiter oder als Theatermusiker etwa. Ich war kulturpolitisch aktiv, war bei der Berner Reitschule im Vorstand und Vizepräsident der Swiss Jazz School in Bern. Ich war und bin also mit verschiedenen Arten der Musik und der Kulturpolitik vertraut.
Spielen Sie auch ein Instrument?
Ich spiele seit 59 Jahren Klavier.
Auf einem Flügel? Ihr Departement kauft sich ja bekanntlich 49 Flügel für rund 3,5 Millionen Franken für den Neubau...(lacht) Ich spiele tatsächlich auf einem Flügel, aber meiner ist ein Erbstück.
Nicht nur die Beschaffung der Flügel schafften es während Ihrer Amtszeit in die Zeitung. Auch der Jodel-Studiengang sorgte für Schlagzeilen.Das stimmt. Nicht einmal der tragische Tod des Dirigenten Israel Yinon mitten auf der KKL-Bühne im Jahr 2015 hatte so ein grosses mediales Echo. Das Hauptfach «Jodel» im Studienbereich Volksmusik schaffte es bis nach Neuseeland und Kanada in die Medien.
Doch es wurde auch Kritik laut. Die Rede war von Akademisierung der Volksmusik.Ich kann diese Kritik überhaupt nicht nachvollziehen. Wir sitzen als Hochschule nicht im Elfenbeinturm. Es geht hier nicht um eine Standardisierung der Volksmusik –im Gegenteil. Wir möchten diese vielfältige Tradition des alpenländischen Singens verankern und weiter fördern und beleben. In den verschiedenen Regionen wird unterschiedlich gejodelt. Der Vorteil der Hochschule liegt genau darin, dass man sich mit verschiedenen Stilen und Traditionen vertraut macht und die Leute darin ausbildet, diese weiterzugeben.
Die Berichterstattung hat sicher auch den ein oder anderen Studenten nach Luzern geführt, oder?Gemessen am medialen Interesse erscheint die Studierendenzahl eher bescheiden. Fürs Jodeln haben sich bisher 8 Leute angemeldet, der gesamte Volksmusikbereich umfasst momentan um 20 Personen.
Dann scheint das Interesse daran mager zu sein. Wollen Sie dennoch an diesem Studiengang festhalten?Ja. Die Volksmusik bei uns ist klein aber fein und wir wollen das ausbauen. Es ist normal, dass ein solcher Studienbereich einige Jahre Zeit braucht, bis er sich etabliert hat. Es war auch von Anfang an klar, dass Studienangebote im Bereich instrumentaler und vokaler Volksmusik eher eine Nische sind. Aber wir erachten sie als wichtig und wertvoll und sind damit einzigartig in der Schweiz.
Das ist wahrscheinlich auch eine finanzielle Frage.Das stimmt. Ein Student am Departement Musik kostet die Hochschule gut doppelt so viel wie ein Wirtschaftsstudent. Der Grund dafür ist der Einzelunterricht. Wir wollen verantwortungsvoll mit unseren Geldern umgehen, aber es muss auch die Möglichkeit geben, in neue Studiengänge zu investieren. Ansonsten macht man nur noch das, was rentiert. Und wir wollen uns ja auch durch Vielfalt profilieren und am Puls der Zeit sein.
À propos Profilierung: Auch dank Ihrer Arbeit wird das Departement im März 2020 neue Räumlichkeiten beim Südpol beziehen. Inwieweit konnten Sie das neue Gebäude mitgestalten?Wir waren in der operativen Planung von Anfang an dabei, konnten unsere Wünsche bei den Architekten platzieren und somit direkt mitwirken. Das war für alle einmalig kreativ und ein Glücksfall. Es haben sich so auch ungefähr zwei Dutzend Mitarbeitende vom Departement Musik beteiligt. Die Identifikation mit dem neuen Gebäude ist hoch. Wir freuen uns alle auf die Eröffnung!
Sie werden den grossen Um- und Einzug jedoch verpassen. Ab September übernimmt ihr Nachfolger. Sind Sie wehmütig?Wir sind in der Schlussphase, aber es gibt noch einige Sachen, die entschieden werden müssen. Im Moment steht eine gute Übergabe für mich im Vordergrund. Es reut mich nicht, dass ich den Moment der Eröffnung verpasse. Aber ja, auf der letzten Meile die Verantwortung abzugeben, macht schon kribbelig.
Bevor wir zu fest in die Zukunft gehen, lassen Sie uns die vergangenen Jahre Revue passieren. Was sind die grössten Veränderungen die Sie beobachten konnten?Der Beruf des professionellen Musikers, vor allem aber der Lehrpersonen hat sich total gewandelt. Heute geben Musiklehrpersonen nicht mehr nur Instrumentalunterricht, sondern leiten ein Ensemble, unterrichten Migranten, Kinder, Erwachsene oder Schulklassen. Gerade deshalb ist die Hochschule wichtig. Hier wird neben der Praxis und Didaktik auch Theorie vermittelt. Diese Grundlagen brauchen Musikerinnen und Musiker, um kreativ zu sein. Ich bin Verfechter des Hochschulstudiums – auch bei der Musik. Ich glaube, dass sich das Departement in den vergangenen Jahren diesbezüglich stark professionalisiert hat. Zudem hat – und das ist sehr positiv – der Austausch zwischen den verschiedenen Genres sehr zugenommen. Das Thema Interdisziplinarität hat mich denn auch nicht nur als Direktor des Departements Musik, sonder als Leiter dieses Bereichs für die gesamte Hochschule stark beschäftigt.
Kritiker nennen das auch Isolation.Akademische Ausbildung ist kein Schimpfwort – im Gegenteil sind wir nur zeitgemäss, wenn wir mit hohem Niveau Leute für die aktuellen Herausforderungen des praktischen Lebens ausbilden. Ich betone: Wir sitzen nicht im Elfenbeinturm. Wir haben den Fokus dorthin gerichtet, wo die Leute sind. Es ist für mich das Schönste, wenn ich sehe, wie unsere Studierenden durch Partnerschaften bei verschiedensten Anlässen und Festivals auftreten können. Das ist eine wichtige Erfahrung für sie. Ziel einer Hochschule ist es, die Studierenden zum Erfolg zu führen. Mit solchen Auftritten entwickelt sich ihre Persönlichkeit. Die Musik- und Kulturszene in Luzern ist ein Mehrwert, den Studierende hier bekommen. Das ist der grosse Vorteil, wenn man in der Schweizer Musikhauptstadt arbeitet.
Und welche Herausforderungen stellen sich Ihrem Departement in Zukunft?Man muss sich überlegen, wer die Musikstudierenden in 10 Jahren sind, welchen Hintergrund sie mitbringen, wie sie arbeiten. Und wir müssen neue Lehr- und Lernformen für die neue Generation entwickeln. Die Herausforderung ist nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Fragestellung, was ein professioneller Musiker zur Gesellschaft beitragen kann. Musik ist kein Selbstzweck, sondern Teil jedes Lebens.
Ab September wird Ihr Nachfolger Valentin Gloor das Zepter des Departements übernehmen. Was geben Sie ihm mit auf den Weg?Die Kunst ist es, die Balance zu halten zwischen den notwendigen Neuentwicklungen und dem, was bereits sehr gut läuft . Ich wünsche ihm, dass er die Geduld hat, die es manchmal braucht, um die Dinge vorwärts zu bringen. Ich habe das selber lernen müssen und war manchmal innerlich sehr ungeduldig.
Und wie geht es für Sie weiter?Ich bleibe engagiert in der Kulturpolitik und der Musik. Ab dem 1. November werde ich mir eine achtmonatige Auszeit gönnen in Paris, um meine persönlichen Musikprojekte zu verfolgen. Zur Eröffnung des neuen Gebäudes komme ich aber zurück – sofern ich eine Einladung bekomme (lacht).