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Luzern

Dieser Musiker hat sich für seinen Traum die Haare auf den Knien weggetrommelt

Erst mit 22 Jahren verfügte Alen Hodzic über ein eigenes Schlagzeug. Jetzt macht er den Masterabschluss in Jazz an der Hochschule Luzern.
Beweist, dass Emotionen wichtiger sind als Noten: Jazz-Schule-Absolvent Alen Hodzic aus Bosnien, fotografiert im Südpol. (Bild: Patrick Hürlimann (Luzern, 25. Mai 2022))
«Musik hat mich immer oben gehalten»: Für die Erfüllung seines Traums musste Alen Hodzic hart arbeiten. (Bild: Patrick Hürlimann (Luzern, 25. Mai 2022))

Pirmin Bossart

Das ist nicht die Geschichte eines Schweizer Mittelstandskindes, das wohlbehütet aufgewachsen ist und dank früher musikalischer Förderung ein Musikstudium absolvieren konnte. Der Weg von Alen Hodzic war ein ganz anderer.

Ein Weg von unten, getrieben von Leidenschaft, Widerständen, Höhen und Tiefen, Durchhaltevermögen. Morgen steht der ehemalige Do-it-yourself-Rock-Schlagzeuger auf der Bühne und zeigt an seinem Masterabschlusskonzert, was eine Jazzausbildung alles kann.

Ein Autodidakt

Als Alen Hodzic 2016 in die Schweiz kam, wusste er noch nicht, wie es mit ihm weitergehen sollte. Er wuchs in Bosnien auf, wo er auch seine heutige Frau, eine Schweizerin, kennen gelernt hatte.

«Ich spielte schon früh Musik, von Balkanfolk über Pop und Rock bis Metal. Nie hätte ich gedacht, dass ich dereinst ein Jazzstudium abschliessen würde.»

Auf die Idee eines Musikstudiums kam er erst, als er in der Schweiz herausfand, dass sein bosnisches Maturitätszeugnis hierzulande anerkannt sein würde. «In Bosnien gibt es keine Musikhochschulen, wo man Schlagzeug studieren kann.»

Nach einem Informationstag an der Hochschule Luzern – Musik machte er sich an die ­Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung. Er konnte nicht Noten lesen und hatte keine Ahnung von Jazztheorie. Der damalige Leiter Hämi Hämmerli sagte ihm: Noten lesen kann man lernen. Das nahm sich Alen zu Herzen. Er büffelte während fünf Monaten zu Hause und brachte sich die Grundlagen selber bei. So ging der Autodidakt an die Aufnahmeprüfung und bestand.

Obwohl er heute Noten lesen kann, spielt er lieber nach dem Ohr und nach dem Gefühl:

«Gerade im Jazz hast du die Freiheit, so zu sein, wie du dich fühlst. Wenn du traurig bist, kannst du traurig spielen. Es ist der ehrliche Ausdruck von dir selber.»

Noten seien zweifellos wichtig für den Musikerberuf, sagt Alen. Aber es gebe viele Instrumentalisten, die auch ohne Noten zu lesen hervorragend Musik gemacht hätten. Handkehrum kenne er Musiker, die perfekt Noten lesen könnten. «Aber wenn sie spielen, hört man nichts darin.» Das erste Instrument, das Alen als Jugendlicher spielte, war eine akustische Gitarre, die im Haus seiner Eltern herumstand. Sein Vater spielte darauf und lernte ihn, wie man einen Blues macht. Eines Tages sah er in einem Jugendzentrum zum ersten Mal ein Schlagzeug. Jetzt richtete sich seine Aufmerksamkeit auf dieses Instrument. Er begann zu üben. Mit Löffeln in den Händen trommelte er auf der Bettkante oder auf seinen Knien. Auch die Füsse machten rhythmisch mit: Einer für die Hi-Hat, der andere für die Bassdrum.

Tag für Tag Verbesserungen angestrebt

Nur wenn er mit einer Band auftrat, hatte er ein richtiges Schlagzeug. «Das musste ich immer ausleihen.» Ein eigenes Schlagzeug lag nicht drin. «Erstens gab es in unserer kleinen Wohnung keinen Platz dafür. Und zweitens war das zu teuer.» Sein Vater bastelte ihm aus einem Sieb und einem Plastikbezug eine Trommel. Alen trommelte weiter auf den Knien und verfeinerte über Jahre seine Schlagbewegungen und die Koordination. Er gab seine ganze Emotion hinein.

«Auf meinen Knien wachsen keine Haare mehr. Ich habe sie mit den Sticks weggetrommelt.»

Alen war 22, als er sein erstes eigenes Schlagzeug anschaffen konnte. Das Geld dafür lieh ihm ein Freund. «Ich spiele jetzt seit fast 20 Jahren Schlagzeug. Zwölf Jahre davon habe ich ohne Instrument geübt und gespielt.» Es war ein einsamer Weg, den er nicht bereut, auch wenn es oft schwierig war. Er hatte auch Vorteile. «Ich habe meine Ohren unglaublich trainieren können. Und ich habe mich voll auf die Musik fokussiert. Sie hat mich immer oben gehalten.» Das stärkte seine Ausdauer und den unbedingten Willen, sich weiterzubringen. «Ich war immer zufrieden, wenn ich am anderen Tag besser war als am Tag zuvor.»

Für sein Masterkonzert spielt er mit einem Quintett Kompositionen des Saxofonisten Nathanel Su, der in Luzern unterrichtet. Die Stücke stammen von ­dessen Album «Volatile», auf dem Schlagzeuger Norbert Pfammatter mitwirkt. Hodzic sagt:

«Diese beiden Dozenten haben mich nicht nur zu einem besseren ­Musiker gemacht, sondern allgemein zu einem besseren Menschen. Das Abschlusskonzert ist mein Versuch, ihnen dafür zu danken.»

Bald wird Alen Hodzic ein Musiker auf freier Wildbahn. «Musik zu machen, ist meine oberste Priorität. Und ich bin schon ziemlich beschäftigt. Auch Dozenten haben mich regelmässig zum Spielen eingeladen.» Zudem gibt er Unterricht. «Ich mache das gerne. Dort habe ich die Möglichkeit, meine Leidenschaft weiterzugeben.» Eines kann Alen bestimmt vermitteln: «Man kann alles machen, wenn man genug crazy ist.»

Masterabschlusskonzert am 2. Juni ab 19 Uhr. Infos: www.hslu.ch/musik/agenda.

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