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Luzern

Dieser Künstler bringt ein Stück Kuba nach Emmen

Im Kunstsilo in Emmen stellt der kubanische «Collografie»-Künstler Joaquin Bolivar Thomas seine Werke aus. Zustande kam das Engagement dank einer spontanen Begegnung.
Joaquin Bolivar Thomas im Kunstsilo. (Bild: Eveline Beerkircher, Emmen, 22. August 2019)

Larissa Haas

Joaquin Bolivar Thomas schliesst die oberen beiden Knöpfe seines Hemdes, dann bindet er sich eine weisse Schürze um. Er scherzt: «Damit sehe ich zwar eher aus, wie ein Koch.» Er greift zu einer Tafel, auf der – wenn man genau hinschaut – die Silhouette eines Berges wenige Millimeter von der Oberfläche emporragt. «Die Rigi», sagt Bolivar Thomas. «Lothars Rigi.» Lothar heisst zum Nachnamen Steinke und arbeitet als Schulpsychologe und Schuldienstleiter in Rothenburg. Er ist aber auch leidenschaftlicher Hobbykünstler und als Präsident des Kunstsilos in Emmen dafür verantwortlich, dass Bolivar Thomas aus Santiago de Cuba, der zweitgrössten Stadt an der südlichen Küste Kubas, für eine Ausstellung ins Kunstsilo kommt.

Das Kunstsilo ist eine alte Scheune mit zwei Futtersilos in Emmen. Seit rund zwei Jahren werden auf der rund 300 Quadratmeter grossen Fläche auch öffentliche Ausstellungen durchgeführt.

Dass Bolivar Thomas mit seinen Werken seit Mittwoch hier gastiert, sei einem Zufall zu verdanken, sagt Steinke. Er hat den Kunstschaffenden während einer Reise durch Kuba bei einer Vernissage kennengelernt, die er spontan besuchte:

«Joaquin faszinierte mich mit dem Ausdruck seiner Bilder und den kritischen Inhalten.»

Steinke sagt, dass er jemanden suchte, der ihm Kuba erklären würde, authentischer als es die meisten Reiseführer tun. «Mit den Landsleuten reden», das sagt Steinke, sei seine Art zu reisen. Er traf Bolivar Thomas daraufhin in einem Café und besuchte ihn in seiner Werkstatt, dem staatlich geführten Kulturatelier Taller Cultural de Santiago de Cuba. Hier ist Bolivar Thomas Leiter der Druckabteilung und gibt Studierenden sowie Kunstinteressierten aus der ganzen Welt Kurse in seinem Spezialgebiet: der Collografie.

Die Collografie ist eine Drucktechnik, bei der eine Druckplatte mit verschiedensten Materialien beklebt wird. Sie stammt ursprünglich aus den USA und Mexiko, hat sich aber in den 1990ern während Kubas Wirtschaftskrise auf dem Inselstaat enorm verbreitet. «Halt weil sie günstig und vielfältig ist», erklärt Bolivar Thomas und ergänzt:

«Inzwischen kommen die grössten Collografisten aus Santiago de Cuba.»

Was auf den ersten Blick als ein simples Verfahren scheint, fordert bei «Collografie-Profis» wie ihm aber jahrelange Erfahrung. Seine Technik ist inzwischen so ausgeklügelt, dass er die Motive präzise auf dem Papier auszurichten weiss und mit filigranen Details ausstattet: Skurrile Fratzen mit Gasmasken, drehende Karusselle, Menschenmassen oder eine klavierspielende Hand.

Flugticket Dank Collografie-Kurs

Dass für Bolivar Thomas die Reise in die Schweiz überhaupt möglich wurde, ist einer Idee zu verdanken, die er bereits ausfeilte, als Steinke noch in Kuba war: Mit den Einnahmen, die ein «Collografie»-Kurs im Kunstsilo generieren würde, könnte er sich den Flug von Santiago de Cuba nach Zürich finanzieren. «Wir rechneten aus: Zehn Teilnehmende sind mindestens notwendig, um das Ticket zu zahlen», sagt Steinke. In den dreitägigen Kursen, die letzte Woche stattfanden, kamen schliesslich 25 Leute. Steinke sagt: «Der Kurs war ein Experiment, aber das Interesse war riesig.»

Alle 50 Werke, die Bolivar Thomas im Kunstsilo ausstellt, stehen unter dem Titel «Spiele und Kriege» und seien eine Sammlung seiner Gedanken, sagt Bolivar Thomas: «Ich möchte zeigen, wie ich die Welt sehe.» Die Bilder veranschaulichen eine Art von Konflikt, der, wie Bolivar Thomas sagt, in der Natur des Menschen liege und politisch wie auch persönlich lesbar sei. Erweitert wird die Werkreihe zudem von den Arbeiten, die in den Collografie-Kursen entstanden sind. Zudem brachte Bolivar Thomas weitere Werke von Freunden aus der Kulturwerkstatt mit. «Man bekommt also die ganze Bandbreite von «Collografie»-Kunst zu sehen», sagt Steinke.

Noch bis im Oktober in der Schweiz

Am Samstag, am letzten Ausstellungsabend, will Bolivar Thomas «ein Stück Kuba nach Emmen bringen». Deshalb gibt es für die Besucher landestypische Getränke und Häppchen, begleitet von kubanischen Musikrhythmen.

Bis Mitte Oktober wird Bolivar Thomas noch in der Schweiz bleiben. «Ich fühle mich wohl hier», sagt er und ergänzt: «Die Schweizer sind wie wir gastfreundlich und interessiert.» Zudem habe er viele Lehren aus seinem Aufenthalt in Europa gezogen, insbesondere aus den Collografie-Kursen: «Ich werde in Zukunft mehr improvisieren und vermehrt schnelle Arbeiten kreieren.» Aber nicht nur Erfahrungen, auch ein Souvenir wird – abgesehen vom nebligen Rigi-Bild – mit ihm zurück nach Kuba fliegen: «300g/m2 Hochqualitätsdruckpapier!» So etwas sei in Kuba nämlich kaum zu finden.

Hinweis: Mehr Infos zur Ausstellung finden Sie auf kunstsilo.ch. Geöffnet hat das Kunstsilo von 16 bis 20 Uhr. Die Finissage findet am Samstag, 24. August, statt. Um 20 Uhr beginnt dann der kubanische Abend mit Musik, Bar und Apéro.

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