Kilian Küttel
Eine halbe Zeitungsseite braucht das Inserat, das die FDP in der aktuellen Ausgabe der «Sonntags-Zeitung» gebucht hat. Unter einem Interview mit Peter Jüni, der als Schweizer die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce der kanadischen Provinz Ontario leitet und vor einer dritten Coronawelle in der Schweiz warnt, verlangen die Liberalen: Der Bundesrat soll «eine Ausstiegsstrategie erarbeiten» und die Coronamassnahmen per 1. März lockern. «Wir alle», so steht es in der Anzeige, brauchten «endlich Perspektiven und Planbarkeit im Umgang mit Corona.»
FDP will von den Mutationen nichts spüren
Als Absender der Botschaft treten 17 FDP-Kantonalparteien auf, darunter sämtliche Zentralschweizer Ableger, also auch die Zuger FDP. In einer Medienmitteilung schreiben die Zuger Liberalen, es sei nicht mehr verantwortbar, die Wirtschaft «weiter geschlossen zu halten». Die Covid-19-Fallzahlen würden sinken und damit auch die Todesfälle sowie die Zahl der Personen, die ins Spital eingeliefert werden. Von den Virusmutationen aus England, Brasilien und Südafrika habe man bis jetzt «nichts gespürt».
Daher fordert die FDP etwa, Restaurants, Geschäfte und Kulturbetriebe ab dem 1. März schrittweise zu öffnen, sofern es die epidemiologische Lage zulasse. Weiter soll bis Anfang März die Impfung von besonders gefährdeten Personen und des Zuger Gesundheitspersonals abgeschlossen sein. Und schliesslich habe Gesundheitsminister Alain Berset (SP) dafür zu sorgen, dass der Informationsaustausch zwischen Bund und Kantonen besser ablaufe: Dass die Bevölkerung erst im Spätherbst und nicht schon im Sommer durchgeimpft sein soll, sei «untragbar».
FDP-Präsidentin: Man wolle gehört werden
Nach dem Grund für das Inserat gefragt, sagt die Zuger FDP-Präsidentin Carina Brüngger:
«Wir wollen uns Gehör verschaffen, denn es ist an der Zeit, wieder das grosse Ganze der Lage zu betrachten.»
Oder anders: Kritik an Berset, Druck auf Bern.
Auf der anderen Seite des parteipolitischen Spektrums in Zug klingt es verhaltener. Nach ihrer persönlichen Meinung gefragt, sagt SP-Präsidentin Barbara Gysel, ein Ende des Lockdowns sei als wirtschaftspolitisches Ziel zwar sinnvoll, gesundheitspolitisch aber nicht nachhaltig:
«Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Und nebst dem Portemonnaie leidet auch die Psyche. Aber es bleibt ein Zielkonflikt zwischen wirtschaftlichen Einbussen und der Gesundheit der Bevölkerung.»
Der Kanton Zug habe auch mit Lockdown die Mittel, um die finanziellen Auswirkungen für die lokale Wirtschaft abzufangen; besonders vor dem Hintergrund des Rekordabschlusses 2020, den die Zuger Regierung Anfang Februar in Aussicht gestellt hat. Entscheidend sei aber, so Gysel, dass die Selbstständigen und Firmeninhaber die Härtefallgelder möglichst rasch erhielten.
Die Rufe nach Ende des Lockdowns werden lauter
Mit ihren öffentlichkeitswirksamen Forderungen ist die FDP nicht alleine, in den letzten Tagen und Wochen wurden die Rufe nach Lockerungen lauter. So haben laut Eigenangaben bis Montagnachmittag über 244'000 Personen die Petition «Lockdown Stop» unterzeichnet, hinter der Bürgerliche um den Zürcher Jungfreisinnigen Leroy Bächtold stehen und die primär ein Ende der Beizen- und Ladenschliessung fordern.
Bereits Ende Januar schrie die SVP nach einer sofortigen Öffnung von Restaurants und Läden. Und erst am Sonntag sprach sich der Zuger Gesundheitsdirektor und Landammann Martin Pfister (CVP), ebenfalls in der «Sonntags-Zeitung», für eine Lockerung der Massnahmen aus. So solle man zuerst Geschäfte wieder öffnen und bei privaten Treffen mehr als fünf Personen zulassen, sofern das die epidemiologische Lage zulasse. Und: «Wir dürfen nicht mehr allzu lange mit Lockerungen zuwarten.»
Auf Anfrage unserer Zeitung sagt Pfister, weiterhin hinter seinen Aussagen zu stehen, will aber präzisieren, dass eine Lockerung per 1. März zu früh sein wird. Weiter sagt Pfister:
«Ein Hin und Her bei den Massnahmen muss unbedingt vermieden werden. Die Öffnungsstrategie sollte möglichst nachhaltig geplant werden, da dies vor allem auch für die betroffenen Branchen die nötige Planungssicherheit gibt.»
Seiner Ansicht nach sei es Aufgabe des Bundes, eine Öffnungsstrategie zu koordinieren.
Ob und wie viel das Aufbegehren bringt, dürfte sich nach diesem Mittwoch abzeichnen. Dann will der Bundesrat den Kantonen ein Modell zu möglichen Massnahmenlockerungen in die Vernehmlassung geben. Konkrete Ankündigungen werden am 24. Februar erwartet.