Hugo Bischof
Hugo Bischof
Die temporäre Vermietung von Wohnungen für Kurzaufenthalte auf Sharing-Plattformen wie Airbnb und HomeAway steht in der Kritik. Auch die Stadt Luzern prüft nun Massnahmen, um solche Angebote einzuschränken. Man wolle damit «den Wohnraum für die ansässige Bevölkerung schützen», gab Stadträtin Manuela Jost am Montag an einer Medienorientierung bekannt.
Wir fragten bei Airbnb nach. Kirstin MacLeod, eine Sprecherin des Unternehmens, betont: «Die überwiegende Mehrheit der Gastgeber auf Airbnb sind Homesharer, also Bürgerinnen und Bürger, die ihr Zuhause kurzzeitig vermieten, wenn sie selbst verreist sind.»
Angebot boomt: Sieben Mal mehr Wohnungen
Der Stadtrat geht von 360 Airbnb- und ähnlichen Angeboten in der Stadt Luzern aus (Stand Mai 2019). Aufgeteilt seien diese in 68 Wohnungen von Kleinanbietern sowie 292 Wohnungen von professionellen Anbietern. Die Zahl sei zwischen 2016 und 2019 um ein Siebenfaches angestiegen. Wie sehr das Angebot boomt, zeigt auch ein Blick auf die dadurch erzeugten jährlichen Logiernächte:
Im Jahr 2015 waren es gemäss Stadt 12'100 (davon 3200 durch Kleinanbieter und 8900 durch professionelle Anbieter). 2018 waren es bereits 68'900 (davon 17'000 durch Kleinanbieter und 61'900 durch professionelle Anbieter).
Auch die durch Airbnb und ähnliche Plattformen erzeugten Logiernächte nahmen also um mehr als das Fünffache zu. 2015 betrug ihr Anteil an der Gesamtzahl von 1,28 Millionen Logiernächten in der Stadt Luzern erst knapp 1 Prozent. 2018 waren es bei insgesamt 1,4 Millionen Logiernächtezahlen fast 6 Prozent.
Streit um unterschiedliche Zahlen
Airbnb liefert ganz andere Zahlen. Demnach gab es auf ihrer Plattform Anfang dieses Jahres 650 Unterkünfte in Luzern. 55 Prozent davon seien ganze Unterkünfte, also Wohnungen oder Häuser, die gelegentlich vermietet würden, sagt Airbnb-Sprecherin MacLeod. Die restlichen 45 Prozent seien Einzelzimmer. MacLeod betont: «92 Prozent aller Unterkünfte wurden weniger als die Hälfte des Jahres auf Airbnb vermietet. Dementsprechend wurde der Grossteil von den Gastgebern selbst bewohnt.»
Für MacLeod ist klar:
«Solange man die Wohnung vermietet, in der man ohnehin wohnt, wird kein Wohnraum entzogen.»
Die Gründe für Homesharing seien ganz unterschiedlich: «Auf Airbnb vermieten die meisten Gastgeber einzelne Zimmer in ihrem Zuhause oder gelegentlich ihre ganze Wohnung, wenn sie selbst beruflich oder privat verreist sind.» Darunter seien etwa Personen, die einen Lebenspartner in einer anderen Stadt haben.
MacLeod räumt ein, dass «auch immer mehr traditionelle gewerbliche Unterkunftsanbieter wie Boutique-Hotels, Bed & Breakfasts oder Service-Apartments die Airbnb-Plattform nutzen». Das ist auch der Stadt nicht entgangen. Es sei auffallend, dass es immer mehr auch klassische Hotellerieangebote gebe, «die bereits vor der Inserierung auf Airbnb (Gründung 2008) oder HomeAway (Gründung 2005) existierten, aber bis dahin über andere Kanäle vermarktet wurden». Den grössten Teil der professionellen Angebote (58 Prozent) stellen gemäss Stadt 1-Zimmer-Wohnungen. 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen machen 41 Prozent aus. Grosswohnungen mit fünf und mehr Zimmern werden kaum angeboten.
Hat die Stadt geschummelt?
Scheinbar paradox ist: Die Stadt erwähnt im Bericht zur Wohnraumpolitik auch Daten des Marktforschungsunternehmens AirDNA, die den eigenen Zahlen widersprechen. Demnach wurden im April 2019 auf den beiden Plattformen Airbnb und HomeAway 599 aktive Angebote gezählt (ganze Unterkünfte sowie einzelne Zimmer). 97 Prozent davon wurden über die Plattform Airbnb angeboten, 13 Prozent teilweise parallel über HomeAway sowie 8 Prozent auf beiden Portalen. Durchschnittspreis pro Nacht: 109 Franken (inklusive Reinigung).
Hat die Stadt geschummelt? «Natürlich nicht», sagt Sarah Grossenbacher, Co-Leiterin der Stadtplanung Luzern: «Die Zahlen von AirDNA und auch jene von Airbnb geben keinen Ausschluss darüber, wer die Beherbergung anbietet.» Deshalb habe die Stadt über die jährliche Leerwohnungszählung durch die Einwohnerdienste danach gefragt, «ob leerstehende Wohnungen auf einer Vermietungsplattform angeboten werden». Zudem habe man Daten vom Steueramt verwendet, die sich auf die Kurtaxen-Meldung stützen. Dabei habe man bewusst Hotellerie und Kurhäuser ausgenommen, «die Airbnb ebenfalls als Plattform nutzen».
Es gibt eine «gewisse Dunkelziffer»
So sei man auf die Zahl 292 von total 360 Objekten (Wohnungen oder Zimmer) professioneller Anbieter gekommen. «Dabei verstehen wir unter professionellen Anbietern solche, die ihre Objekte ausschliesslich an Gäste vermieten, für jeweils weniger als drei Monate», sagt Grossenbacher. «Dies können wir auch daran sehen, dass jemand eine Wohnung vermietet, in der keine Person angemeldet ist.»
Die grosse Differenz zwischen den Zahlen hat gemäss Stadtrat noch einen Grund: «AirDNA erfasst alle Angebote, die auf den Vermietungsplattformen vorhanden sind, darunter auch zahlreiche klassische Angebote wie Hotels, Kurhäuser und Bed & Breakfast», heisst es im Zusatzbericht zur Wohnraumpolitik. «Zudem gibt es mit grosser Wahrscheinlichkeit einige Kleinanbieter, die ihre selbst bewohnte Wohnung temporär vermieten und keine Kurtaxen erheben.» Bei der stadtinternen Datenerhebung könne deshalb «eine gewisse Dunkelziffer nicht ausgeschlossen werden».
Die temporären Vermietungen der selber bewohnten Wohnung im Sinne der «Sharing Economy» seit etwas Sinnvolles, sagt Grossenbacher: «Vermietungsplattformen bieten für den Tourismus eine Chance, da sie spezifische Bedürfnisse von Gästen in der Stadt Luzern abdecken und das Beherbergungsangebot ergänzen.» Es gehe deshalb nicht darum, solche Plattformen abzuschaffen: «Der Stadtrat überlegt aber, inwiefern eine dauerhafte Umnutzung einer Erstwohnung für ausschliesslich touristische oder geschäftliche Zwecke eingeschränkt werden kann, damit diese Wohnungen für die hiesige Bevölkerung nicht verloren gehen.»
Enge Zusammenarbeit mit Politik und Tourismus
«Airbnb hat mit über 500 Regierungen weltweit zusammengearbeitet, um Menschen dabei zu unterstützen, ihr Zuhause zu teilen und die lokalen Regeln zu befolgen», sagt Airbnb-Sprecherin Kirstin MacLeod. «Auch in Luzern arbeiten wir eng mit den politischen Entscheidern und Tourismusorganisationen zusammen, um zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Tourismus beizutragen.»
Dass für eine Privatwohnung und ein grosses Hotel, «in dem jeden Tag Hunderte Menschen ein- und ausgehen», nicht die gleichen Regeln gelten, darüber sind sich Airbnb und die Stadt einig. Sarah Grossenbacher: «Deshalb haben wir bei unseren Zahlen Hotellerie und Kurhäuser ausgenommen, da diese andere Auflagen zu erfüllen haben als Wohnungen.» Grossenbacher wünscht sich «einen transparenteren Datenaustausch zwischen den Vermietungsplattformen und den Stadtbehörden».