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Luzern

Luzerner SVP-Präsidentin nach Wahlschlappe: «Bei uns werden sicher keine Köpfe rollen.»

Der Verlust von sieben Sitzen im Luzerner Kantonsparlament ist ein herber Rückschlag für die SVP. Stimmen, die einen Wechsel an der Parteispitze fordern bleiben – anders als in Zürich – aber aus.
Oliver Imfeld (links), Angela Lüthold und Franz Grüter von der SVP-Parteileitung analysieren im Luzerner Regierungsgebäude eintreffende Wahlresultate. (Bild: Philipp Schmidli, 31. März 2019)

Evelyne Fischer

Ein Verlust von sieben Sitzen, ein Minus von 4,5 Prozent Wähleranteil und ein Regierungsrat, der zum zweiten Wahlgang antraben muss: Die Partei mit der Sonne im Logo sah am Sonntag nicht mal einen winzigen Silberstreifen am Horizont. So schwach wie zurzeit präsentierte sich die Luzerner SVP zwölf Jahre nicht mehr.

Kantonalpräsidentin Angela Lüthold glaubt nach wie vor, die SVP habe «sehr gut» mobilisiert. «Im Wahlkreis Entlebuch sind wir die Gewinner. Zusammen mit der Liste der JSVP konnten wir hier die Parteistärke verbessern.» Doch aufgrund des Zeitgeistes habe das Thema Klimaschutz den Wahlkampf beeinflusst.

«Die Diskussion wurde auch medial befeuert. Themen wie Arbeitsplatzsicherheit oder Altersvorsorge fanden keinen Platz.»

Damit schlägt Lüthold in die gleiche Kerbe wie Tage zuvor SVP-Schweiz-Präsident Albert Rösti. Das SRF habe «aus dem Klimastreik eine nie da gewesene Propagandaschlacht gemacht», sagte er gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Die «unverhältnismässige Klimakampagne» habe der SVP und den Bürgerlichen stark geschadet. Wie es in Zürich weiterging, ist bekannt: Auf einen Schlag hat fast die ganze Parteileitung den Hut genommen. Christoph Blocher habe den Tarif durchgegeben, heisst es.

Albert Rösti meint: Zürich ist nicht Luzern

Via Sekretariat lässt der SVP-Übervater am Montag ausrichten, er äussere sich derzeit nicht zu den Wahlen in Zürich, Baselland und Luzern, man möge sich an die Parteiverantwortlichen wenden. Lüthold sagt dazu: «Bei uns werden sicher keine Köpfe rollen.» Die 15-köpfige Parteileitung, der unter anderem die Vizepräsidenten Oliver Imfeld (Kastanienbaum) und Lisa Zanolla (Luzern) sowie Nationalrat Franz Grüter (Eich) angehören, sei «motiviert, den zweiten Wahlgang und den Wahlkampf für die eidgenössischen Wahlen zu starten». Auch Albert Rösti stärkt der Nottwilerin den Rücken:

«Die Führung unter Angela Lüthold hat sehr gut gearbeitet, wurde jetzt aber vom nationalen Trend überfahren.»

Gegenüber der SRF-Radiosendung «Rendez-Vous» hielt er am Montag zudem fest, Zürich und Luzern seien nicht vergleichbar. In der Zürcher Parteileitung habe es im Vorfeld Differenzen und strukturelle Probleme gegeben, die einen Schnitt nötig gemacht hätten.

Unbestritten ist Angela Lüthold als Parteipräsidentin auch bei ihren Vorgängern: «Die SVP muss keine Leute auswechseln, sie muss ihre Strategie überdenken», sagt Josef Kunz aus Grosswangen, zwischen 2009 und 2012 Präsident der Luzerner SVP. Auch Yvette Estermann, welche die Luzerner SVP von 2008 bis 2009 führte, hält trotz des überraschend hohen Sitzverlustes nichts von einem Sesselrücken. Die Krienserin sagt:

«Ein paar Monate vor den eidgenössischen Wahlen die Crew auszuwechseln, wäre nicht sinnvoll.»

Nationalrat Felix Müri (Emmenbrücke), Kantonalpräsident von 2001 bis 2004, attestiert Angela Lüthold ebenfalls «sehr gute» Arbeit. «Ein Rücktritt ist kein Thema, eine Schlappe kann auch eine Chance sein.»

Ungenügend mobilisiert, Klimadebatte verpasst

Entgegen Lüthold orten Müri, Estermann und Kunz aber sehr wohl Probleme bei der Mobilisierung. Laut Müri habe man insbesondere auf dem Land das Wählerpotenzial nicht ausschöpfen können. Die Sitzverluste der Luzerner SVP seien allerdings vor allem auch im nationalen Kontext zu betrachten: «Um unsere Sektion steht es weder schlechter noch besser als um andere. Dass die SVP derzeit kämpfen muss, ist ein schweizweiter Trend und auf die Energiestrategie zurückzuführen», sagt Müri. «Wir müssen unseren Wählern aufzeigen, dass die SVP den Fortschritt in der Klimatechnologie unterstützt, aber sich gegen staatliche Regulierungen stellt. Unglaubwürdig wäre es, würde die SVP jetzt plötzlich einen Klima-Benzin-Rappen wünschen.»

Yvette Estermann sagt, die Luzerner Sektion habe «die Klimathematik unterschätzt. Wir haben es verpasst, klar dazu Stellung zu beziehen. Die Wählerschaft hat eine Meinung zu dieser Diskussion erwartet.» Geht es nach Kunz, müsse man die Grünen nun herausfordern: «Wir müssen den Wählern die Konsequenzen der grünen Politik aufzeigen. Sind sie bereit, mehr für einheimische Lebensmittel und Waren zu zahlen? Ist es akzeptabel, den KMU noch mehr Öko-Vorschriften zu machen, welche die Produktion zusätzlich verteuern und hindern?» Im Alleingang löse die Schweiz das Umweltproblem nicht.

Hat sich die Luzerner SVP in Sachen Klima zu wenig positioniert? Nein, sagt Angela Lüthold:

«Der Umweltschutz ist auch ein Anliegen der SVP. Hier appellieren wir aber an die Eigenverantwortung.»

Ausgerechnet die SVP war es allerdings, die 2018 gegen das neue Energiegesetz das Referendum ergriffen hatte. Lüthold erklärt: «Das Referendum hatten wir ergriffen, um dem Volk die Möglichkeit des Abstimmens zu ermöglichen und um auf Folgen aufmerksam zu machen. Umweltschutz kann nicht auf Verboten und erhöhten Abgaben basieren.» Mit Biogas- und Fotovoltaikanlagen, ökologischer Produktion und Vernetzungsprojekten würden Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft bereits heute «sehr viel» für die Umwelt unternehmen, was die SVP unterstütze.

Organisationstechnisch gibt es noch Luft nach oben

Vorderhand wird sich an der Spitze der Luzerner SVP also kaum etwas ändern. Dennoch lässt sich sagen: Um deren Organisation war es schon besser bestellt: Am Sonntagabend, 20 Uhr, verschickte die Volkspartei eine Medienmitteilung mit der Falschmeldung, die SVP habe fünf Sitze verloren. Erst kurz vor 23 Uhr wurde die korrigierte Fassung nachgeliefert.

Ein Lapsus unterlief der Partei auch bei der kantonalen Delegiertenversammlung im letzten November – ausgerechnet, als es um die Parolenfassung zur Selbstbestimmungsinitiative und um die Nomination von Regierungsrat Paul Winiker ging: Auf der Einladung war die falsche Adresse vermerkt, viele der 119 Delegierten fanden nur über Umwege an den Versammlungsort in Ruswil. Zu einem Eklat gar kam es im Sommer 2017: Die Spitze der Kantonalpartei hat den damaligen Sekretär, Richard Koller, entlassen. Der Neudorfer kämpfte mit einer eigenen Initiative gegen die Zuwanderung und konkurrenzierte damit ein ähnliches Anliegen der SVP Schweiz.

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