Romano Cuonz
Romano Cuonz
Eine Nidwaldnerin besitzt einige schöne alte Porträt-Malereien. Diese tragen die Signatur eines «Anton von Matt». Weil die Frau vom Künstler wenig weiss – einzig, dass er offenbar in Nidwalden geboren wurde – wendet sie sich an die Nidwaldner Kantonsbibliothek. Und von dort kommt Hilfe.
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Nadia Christen gibt im Computer die Webadresse «newspaperarchives.ch» ein. Dazu den Namen des Künstlers und auch noch Nidwaldner Volksblatt: Und schon bringen gleich mehrere alte Artikel Licht ins Dunkel: Anton von Matt lebte von 1809 bis 1847 und war ein begabter Maler. Weil er im grossen Schatten von Paul Deschwanden stand, war er wohl gezwungen, Stans zu verlassen.
Doch: Es gibt von ihm ein Altarbild in der Kapelle St.Leonhard in Rohren, Ennetmoos. All dies erscheint auf dem Bildschirm. Rechts ist jeweils die fotografierte Originalausgabe des früheren Nidwaldner Volksblatts zu sehen, und links, in einem Block glasklar hervorgehoben, der gesuchte Artikel. Den kann man nach Belieben vergrössern.
Eine wahre Herkulesarbeit
Tatsächlich genügen heute wenige Mausklicks, damit jede und jeder auf Artikel, die das Nidwaldner Volksblatt in vordigitaler Zeit – zwischen 1866 und 1984 – publiziert hat, kostenlos zugreifen kann. Mit einem Login, das einem die Kantonsbibliothek zur Verfügung stellt, klappt es gar bis 1991. Damit so etwas möglich wurde, war jedoch eine wahre Herkulesarbeit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Nadia Christen nötig.
«Das Tolle an der digitalen Zeit ist, dass wir heute nicht mehr in Luzern, Bern oder Zürich Archive durchstöbern müssen, wenn uns etwas brennend interessiert»,
sagt die Frau, die oft gleichzeitig an mehreren Computern sitzt. Ihre erste Arbeit ist es, die in gebundenen Ordnern aufbewahrten, alten Zeitungen aus der Bibliothek zu holen. Anschliessend werden sie eins zu eins eingescannt. Doch auf solchen Bildern kann man keinen Volltext suchen und lesen. «Da hilft uns dann eine in Indien beheimatete Firma weiter», sagt Nadia Christen. Mit einem Erkennungsprogramm hebt sie aus dem Bild einen lesbaren Text hervor.
Doch ohne manuelle Arbeit kommt man da zu keinem Resultat. «In Indien kann solche Handarbeit noch zu günstigen Bedingungen geleistet werden», begründet Nadia Christen den Auftrag an ein so fernes Land. Später gehen die entschlüsselten Texte an die Nationalbibliothek. Diese bindet sie dann in ihre eigens dazu erstellte Plattform ein.
Die Sache hat einen Haken
In computertechnischer Hinsicht leistet die Firma in Indien perfekte Arbeit. Nur etwas können die dortigen Mitarbeiter beim besten Willen nicht: Nämlich in den oft schlecht gedruckten deutschen Texten Fehler erkennen. Solche entstehen beim Transfer zuhauf. Da heisst es dann etwa «Die Laudsgemcinde vom zweiten Äpril» statt «Die Landsgemeinde vom zweiten April». Solche (Druck)Fehler entfernt auch die Nationalbibliothek nicht, wenn sie die Artikel online stellt. Was tun? Nadia Christen lacht.
«Ähnlich wie in Wikipedia kann man sich auch auf dieser Plattform als Korrektor registrieren und Fehler um Fehler ausmerzen»,
sagt sie. Ganz einfach sei das: Korrigieren – Speichern – Nächster! «Ich kenne eine Frau, die in der momentanen Coronalangeweile bei 1914 angefangen hat und nun bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weitermachen will», erzählt Nadia Christen.
Richtig süchtig sei sie mittlerweile nach der Suche von Fehlern. Die Arbeit wird ihr wohl genauso wenig ausgehen wie der wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Nidwaldner Kantonsbibliothek. Schon in diesem Frühjahr digitalisieren wir die Volksblatt-Beilagen «Nidwaldner Stubli» und «Nidwaldner Sonntagsblatt», sagt Nadia Christen. Später käme dann das «Nidwaldner Wochenblatt» dazu. Diese enorme Arbeit ist eine wertvolle Ergänzung zu jener, die heutige Zeitungen machen: Während Letztere beim Online-Stellen von der Gegenwart ausgehen, startet die Kantonsbibliothek damit möglichst weit in der Vergangenheit.
Ein grosser Schatz an Wissen
Historisch interessierte Leute oder auch Jugendliche, die eine Maturaarbeit machen, können hier auf bequeme Weise recherchieren. Die Plattform ist so einfach zu handhaben, dass auch Krethi und Plethi jede Menge interessanter Geschichten findet. Nur ein Beispiel: Jemand möchte gerne wissen, warum Nidwaldner im Zweiten Weltkrieg plötzlich damit begannen, Obst zu dörren oder «einzumachen». Zu diesem Thema findet man die erstaunliche Zahl von 44 Artikeln. Und man erfährt, dass Nidwalden vor dem Krieg aus Obst hauptsächlich Schnaps hergestellt und Dörrobst aus dem Sudetenland bezogen hatte.
Als die Lebensmittel knapp und das Sudetenland im Krieg waren, änderte dies. Mit den digitalisierten Nidwaldner Zeitungen bietet die Nidwaldner Kantonsbibliothek der Bevölkerung einen grossen Schatz an bislang kaum mehr zugänglichem Wissen.
Hinweis: Die Internetadresse des Portals zur Suche alter Zeitungsartikel lautet
www.e-newspaperarchives.ch. Der Zugang zum «Nidwaldner Volksblatt» 1966–1984 ist frei und kostenlos.