Philipp Unterschütz
Philipp Unterschütz
Philipp Unterschütz
6500 Meter lagen vor der Tunnelbohrmaschine (TBM), als sie Mitte Januar 2021 von der Arbeitsgemeinschaft HWS Marti im Auslaufbauwerk in Alpnach auf die Reise zum Einlaufbauwerk in Sachseln geschickt wurde. Jetzt, rund ein Jahr nach Beginn des maschinellen Vortriebs mit der TBM, sind 3250 Tunnelmeter ausgebrochen. Ein Meilenstein für die Mineure. Die halbe Vortriebsstrecke haben sie geschafft.
Die TBM befindet sich aktuell westlich des Dorfs Kerns, in einer Tiefe von rund 80 Metern, zwischen dem «Chatzenrain» und dem «Aquacenter». In der dortigen weicheren Gesteinsformation waren in letzter Zeit hohe Vortriebsleistungen möglich. Im Zweischichtbetrieb schafften die Mineure enorme Tagesleistungen von bis zu 40 Metern.
Dahinter steht mehr als nur eine rund laufende TBM, erklärt Baudirektor Josef Hess. «Diese Spitzenleistungen sind aufgrund der immer länger werdenden Transportwege nur dank einer gut funktionierenden Logistik und einer hohen Leistungsbereitschaft des Vortriebspersonals möglich.»
Erneuter unerwarteter Wassereintritt
Am Donnerstagmorgen verschickte der Kanton eine Medienmitteilung und freute sich darin zu Recht über den erreichten Meilenstein. Und gab auch der Hoffnung Ausdruck, die schwierigen Zonen am Wichelsee, wo wiederholt Wassereinbrüche auftraten, nun überwunden zu haben. «Jeder Tunnelbau ist mit Risiken verbunden, insbesondere die Geologie hält immer wieder Überraschungen bereit», liess sich Josef Hess darin zitieren.
Und als ob die Natur die Richtigkeit dieser Aussage bestätigen wollte, trat nur wenige Stunden nach dem Versand der Mitteilung unerwartet wieder Wasser in den Tunnel ein. Immerhin ist man mit 30 Litern pro Sekunde weit weg von den Massen, die noch im Mai vergangenen Jahres zu verzeichnen waren. «Die Wassermengen sind zwar bedeutend geringer als im letzten Mai», so Josef Hess, «aber der Vortrieb musste doch unterbrochen werden, um das weitere Vorgehen abzuklären und herauszufinden, woher das Wasser überhaupt kommt.»
Die nächste geologische Herausforderung steht dann bei der Unterquerung der Grossen Melchaa an. Zur Bestätigung der geologischen Prognose und der ausreichenden Felsüberdeckung sind in dieser Zone systematische Vorausbohrungen vorgesehen. «Sie sollen zeigen, ob wir genug tief unter der Melchaa durchfahren, weil auch dort die Möglichkeit von Wassereinbrüchen im Tunnel bestehen könnte», erklärt Josef Hess.
Der Rückstand auf das Bauprogramm beträgt momentan rund vier Monate. «Die Vortriebsleistungen lagen aktuell leicht über dem erwarteten Rahmen und stimmen grundsätzlich optimistisch», freut sich Josef Hess. «Wenn es so weitergeht, liegt es allenfalls drin, dass der Rückstand verkleinert werden kann.» Der Durchschlag der Tunnelbohrmaschine in die Zielröhre beim Einlaufbauwerk in Sachseln wird im Oktober 2022 erwartet.
Das Ausbruchmaterial wird wiederverwertet
Das anfallende Material aus dem Stollen wird in Alpnach auf Kipper verladen, entlang der alten Etschistrasse zum Alpnachersee gefahren und in die Mündungsbucht der Sarneraa geschüttet. Täglich werden aktuell rund 3200 Tonnen Ausbruchmaterial verwertet. Die Seeschüttungen verlaufen planmässig, und die Baupiste zu den Schüttstellen in der Mündungsbucht der Sarneraa ist bereits erstellt.
Die Schüttungen werden knapp über den Pegel des Alpnachersees ragen. «Die Seeschüttungen schaffen wertvollen Lebensraum für Pflanzen, Insekten und Vögel. Damit können im See neue ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden. Dadurch wird verhindert, dass dafür wertvolles Kulturland beansprucht werden muss», sagt Josef Hess. Bisher wurden rund 85’000 Tonnen Ausbruchmaterial zur Seeschüttung gefahren (ca. 3500 Fuhren). An «Spitzentagen» erfolgen täglich 120-130 Fuhren.
Kostenfolgen sind noch immer unbekannt
Was die Wassereintritte und die Verzögerung für finanzielle Folgen haben, ist noch offen. «Wir sind am Verhandeln mit dem Unternehmer, es gibt verschiedene Varianten zur Abdichtung des Stollens im Bereich der harten und karstanfälligen Schrattenkalk-Formation entlang des Wichelsees», so Josef Hess. Entschieden wird in den nächsten Wochen. Im Herbst soll dann der Kantonsrat über einen Nachtragskredit befinden, der alle Kostensteigerungen beinhaltet. Finanziert werden soll er durch eine Verlängerung der Sondersteuer für möglicherweise zwei bis drei Jahre.