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Luzern

«Die Grünen sind unser Lieblingspartner», sagt die neue Präsidentin des Stadtparlaments

Sonja Döbeli ist seit 2007 im Grossen Stadtrat und hat die Verschiebungen der Machtblöcke aus nächster Nähe erfahren. Nun wird sie das Parlament ein Jahr lang präsidieren.
Sonja Döbeli (FDP) wird neue Präsidentin des Luzerner Stadtparlaments. 
(Bild: Eveline Beerkircher (Luzern, 18. 8.2021))
Sonja Döbeli ist Vizedirektorin der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern. (Bild: Eveline Beerkircher (Luzern, 18. 8.2021))

Robert Knobel

Wenn Sonja Döbeli Stirnemann (52) im September das Präsidium des Grossen Stadtrats antritt, übernimmt sie ein Parlament, das sich noch immer im Ausnahmezustand befindet: Statt im Luzerner Rathaus finden die Sitzungen im viel grösseren Kantonsratssaal statt. Zwischen den Mitgliedern müssen grosse Sitzabstände eingehalten werden, und die Maske muss selbst während der Voten aufgesetzt bleiben. Sogar die Pausen sind seit Corona gestrichen, da sich die Politikerinnen und Politiker möglichst wenig begegnen sollen. Das drücke allmählich auf die Stimmung, wie Sonja Döbeli sagt: «Man kennt sich weniger gut als vorher.» Und es habe auch Folgen für das Politisieren: Ein Parlament lebt von Absprachen, Allianzen und Kompromissen, die oftmals auf der informellen Ebene geschmiedet werden:

«Wichtige Entscheide fallen beim Kaffee.»

In der aktuellen politischen Konstellation, in der Mehrheiten meist sehr knapp zu Stande kommen, wären solche Begegnungsmöglichkeiten erst recht wichtig, so Döbeli.

Ohne die Linken geht es nicht mehr

Dass sich die Machtblöcke geändert haben, spürt die FDP-Politikerin, die seit 2007 im Parlament sitzt, sehr deutlich. «Früher reichte es, wenn man sich mit der CVP absprach, um eine Forderung durchzubringen. Heute brauchen die Bürgerlichen zwingend die Unterstützung von links.» Das klappe nicht mit allen Parteien gleich gut. Döbeli führt aus:

«Gesellschaftspolitisch sind die Grünen unser Lieblingspartner.»

Mit der SP, die einen «Verhätschelungsstaat» propagiere, habe man deutlich mehr Mühe. Hinzu komme, dass die SP als stärkste Partei zunehmend dominant und wenig kompromissbereit auftrete.

Die Bürgerlichen mussten in der Stadt Luzern in den letzten Jahren tatsächlich viel Federn lassen. Allerdings trifft dies nicht auf die FDP zu. Sie schafft es nun schon seit einem Jahrzehnt, ihre neun Sitze zu halten, und ist klar die stärkste bürgerliche Kraft in der Stadt. Dieser Erfolg sei kein Zufall, findet Sonja Döbeli:

«Wahlkampf ist ein hartes Geschäft. Wir haben viel gemacht und hatten das Glück, starke Kandidaten zu haben.»

Sonja Döbeli war bis vor kurzem Fraktionschefin der FDP im Stadtparlament. Allerdings meldete sie sich eher selten zu Wort – die Voten überliess sie meist ihrem Kollegen und Parteipräsidenten Fabian Reinhard. «Ich diskutiere und verhandle lieber im Hintergrund und sorge dafür, dass Allianzen gelingen.» Döbelis Schwerpunkt liegt bei der Finanzpolitik oder der längerfristigen Legislaturplanung.

«Die ewigen Diskussionen über Autos und einzelne Parkplätze interessieren mich hingegen weniger.»

In den letzten Jahren hat sich eingebürgert, dass die Parlamentspräsidenten ihr Präsidialjahr unter ein Motto stellen, verbunden mit speziellen Aktivitäten und Anlässen. Sonja Döbeli will ihr Amtsjahr dazu nutzen, das Verständnis zwischen Medien und Politik zu fördern: «Journalisten und Politiker sind letztlich stark voneinander abhängig.» Dazu will sie einige national tätige Journalisten einladen, damit diese im Stadtparlament über ihre Arbeit referieren und insbesondere über ihre politische Berichterstattung reflektieren sollen. Das Sensorium für Medien kommt nicht von ungefähr: Sonja Döbeli ist Vizedirektorin der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern. Sie hat in Luzern und in den USA Wirtschaft studiert, doch sie sagt:

«Ich habe in all meinen Ausbildungen nirgends so viel gelernt wie in der Politik.»

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