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Luzern

Die «Familie Eichwäldli» will weiter für die Soldatenstube kämpfen – wie genau, das ist noch offen

Die Zeit der alten Soldatenstube bei der Allmend ist fast abgelaufen: Am 15. Februar müssen die Bewohner das Haus räumen. Auf Anfrage zeigen sie sich frustriert und ratlos; eine Hausbesetzung schliessen sie nicht aus.
Auch an der Steinenstrasse wird für den Erhalt der Soldatenstube geweibelt. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 9. Februar 2021))
Wie gefährlich ist das Wohnen in der Soldatenstube? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 9. Februar 2021))
Am vorletzten Samstag kam es beim Murmattweg 2 zu einer bewilligten und friedlichen Demonstration für den Erhalt der Soldatenstube. (Bild: Urs Flüeler/Keystone (Luzern, 30. Januar 2021))

Simon Mathis

Simon Mathis

Simon Mathis

Beim Fall Eichwäldli jagt eine überraschende Wendung die nächste: Am Donnerstag überwies das Stadtluzerner Parlament hauchdünn ein Postulat, das den Stadtrat dazu anhält, die Soldatenstube am Murmattweg 2 vorerst nicht abzureissen. Am Freitag setzte sich der Stadtrat über den Wunsch des Parlaments hinweg und kündigte an, am Abbruch festzuhalten.

Die Stadt Luzern fordert die Bewohner dazu auf, die Soldatenstube bis am 15. Februar zu verlassen. Am kommenden Montag soll die Schlüsselübergabe stattfinden. Offen ist, ob die rund 13 Bewohnerinnen und Bewohner, die sich als Kollektiv «Familie Eichwäldli» nennen, Folge leisten werden. Die Möglichkeit einer Hausbesetzung steht nach wie vor im Raum.

Fragen zum Zustand des Hauses

Savino*, ein Mitglied der «Familie Eichwäldli», gibt auf Anfrage telefonisch Auskunft über die Stimmung im Wohnhaus. «Wir waren überrascht, dass das Postulat am Donnerstag angenommen wurde», sagt Savino. «Das war für uns ein sehr schönes Zeichen, dass den Leuten unser Projekt wichtig ist.» Weniger erfreut sind die Bewohner natürlich über die Tatsache, dass der Stadtrat trotz überwiesenem Postulat am Abbruch festhält. Savino sagt:

«Wir sind ratlos. Wir haben grosse Hoffnungen in diesen politischen Prozess gelegt. Wir versuchen, trotz allem diese Hoffnung zu behalten. Was am nächsten Montag passiert, kann ich noch nicht genau sagen.»

Eine weitere Hausbesetzung wird also weder angekündigt noch verworfen. Fest steht aber laut Savino: «Wir werden weiter für die Soldatenstube kämpfen.» Nur: Weshalb eigentlich? Der Grund dafür, dass man am Gebäude festhalte, sei ganz einfach, sagt Savino. «In keinem Bericht, der uns vorgelegt wurde, steht Schwarz auf Weiss, dass die Soldatenstube kurz vor dem Einsturz steht. Dass der Stadtrat das Gebäude abreissen will, ist keine statische, sondern eine politische Entscheidung. Die angebliche Gefahr ist ein Vorwand.» Im Massnahmenkatalog liest man aber – unter anderem – die Sätze:

«Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu gravierenden und bedrohlichen Situationen kommen kann. [...] Auch mit einem temporären Nutzungsstopp oder einer vollständigen Evakuierung muss gerechnet werden.»

Marko Virant, Leiter Immobilien der Stadt Luzern, schreibt auf Anfrage, dass sich der Stadtrat auf diesen Bericht stütze. Er betont: «Eine ‹gravierende und bedrohliche› Situation kann nicht anders interpretiert werden, als dass das Haus einsturzgefährdet ist.» Virant nimmt stellvertretend für die beiden zuständigen Stadträte Beat Züsli (SP) und Manuela Jost (GLP) Stellung, die ferienabwesend sind.

Zweifel an den Kosten für die Instandstellung

Letztlich ist der Entscheid auch ein finanzieller; aber gerade beim Geld scheiden sich die Geister. Der Stadtrat rechnet nämlich vor, dass ein Komplettrückbau des Gebäudes 350'000 Franken kosten würde, ein einjähriger Erhalt mit anschliessendem Komplettrückbau aber 450'000 Franken. Diese Zahlen zieht die «Familie Eichwäldli» in Zweifel. Der Stadtrat stelle sie einfach in den Raum, ohne sie detailliert abzuleiten, so Savino. Der Massnahmenkatalog versieht die vorgeschlagenen Eingriffe in die Soldatenstube tatsächlich mit keinem Preisschild. Zu den Kosten sagt Marko Virant:

«Der Stadtrat stützt sich auf Gutachten, Kostenschätzungen und Offerten. Weitere Ausgaben für einen weiteren Erhalt wären unverhältnismässig.»

Savino von der «Familie Eichwäldli» hingegen meint: «Wir sind sicher, dass das auch billiger geht.» Zurzeit seien die Bewohner mit Expertinnen und Experten im Gespräch, um das abzuklären. Nach wie vor wolle man das Gebäude im Baurecht übernehmen und selbst für die Massnahmen aufkommen. Auf die Frage, ob man sich das leisten könne, sagt Savino:

«Wir sind alle berufstätig. Ausserdem haben wir vor zwei Jahren die Gründung einer Genossenschaft vorbereitet. Sie ist bereit, eingetragen werden.»

Ist es dafür nicht längst zu spät? «Wir sind uns bewusst, dass die Lage schwierig ist. Aber wir geben nicht auf», sagt Savino dazu. Er störe sich vor allem daran, dass der Stadtrat nicht zugeben wolle, dass der Entscheid politisch sei. «Das macht die ganze Situation schwierig, denn es verunmöglicht eine sachliche Diskussion.»

Auf politischer Seite herrscht offenbar eine gewisse Resignation. «Jetzt geht es schon fast Schlag auf Schlag», sagt Mario Stübi (SP), Mitunterzeichner des überwiesenen Postulats. «Theoretisch könnte der Stadtrat bereits am 15. Februar mit dem Bagger auffahren», sagt er. Ein möglicher weiterer Vorstoss würde frühestens Anfang März behandelt. «Bis dahin könnte die Stadt bereits Tatsachen geschaffen haben», so Stübi. Er persönlich sehe keinen Sinn hinter einem weiteren Vorstoss, wenn der Stadtrat ihn ohnehin nicht umzusetzen gedenke.

Zur Diskussion über den Preis der Instandhaltung sagt Stübi: «Stadtrat und Bewohner haben ganz unterschiedliche Rechnungen angestellt, es liegen widersprüchliche Aussagen vor. Mit Transparenz auf beiden Seiten könnte man dieses Wirrwarr auflösen.»

*Hinweis: Savino hat darum gebeten, nur mit Vornamen genannt zu werden. Sein voller Name ist der Redaktion bekannt.

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