Stefan Dähler
Das Ultimatum läuft ab. Am Donnerstag um 8 Uhr müssen die Bewohnerinnen und Bewohner der Liegenschaft am Murmattweg beim Eichwäldli dieses Gebäude verlassen:
Sonst will die Eigentümerin, die Stadt Luzern, eine Strafanzeige einreichen, wie sie am Montag angekündigt hat. Diese würde dann durch die Staatsanwaltschaft geprüft und könnte zur Folge haben, dass die Polizei das Gebäude nach einigen Tagen räumt – zumindest lief das bei früheren Hausbesetzungen in der Stadt Luzern so ab, etwa jener durch die Gruppe «Gundula» an der Obergrundstrasse.
Doch bei der sogenannten Soldatenstube am Murmattweg sei die Ausgangslage anders, teilen nun die Bewohner, die sich als «Familie Eichwäldli» bezeichnen, mit. Denn anders als frühere Hausbesetzer hätten sie einen Gebrauchsleihvertrag mit der Eigentümerin gehabt. In solchen Fällen sei eine polizeiliche Räumung wegen Hausfriedensbruchs ausgeschlossen, heisst es in der Mitteilung vom Mittwoch.
Zuerst müsse ein Gericht entscheiden
Die Familie Eichwäldli beruft sich dabei auf ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2012 (1B_510/2012). Damals ging es um einen Restaurantbetreiber in Zürich, der das Lokal trotz Kündigung durch den Eigentümer nicht verlassen wollte. Letzterer stellte einen Strafantrag, dieser wurde abgewiesen. Im Urteil heisst es:
«Dass ein Mieter die Mietsache nach Ablauf des Vertrags nicht freiwillig freigibt, gehört zudem zu den normalen Geschäftsrisiken des Vermieters; solche Streitigkeiten sind zivilrechtlicher Natur und dementsprechend vorab mit zivilrechtlichen Mitteln zu lösen.»
Daraus folgert die Familie Eichwäldli: Bevor das Gebäude geräumt werden kann, ist ein gerichtliches Verfahren nötig. In diesem Verfahren müsste geprüft werden, ob das Vertragsverhältnis mit der Stadt tatsächlich zu Ende gegangen ist.
Weiter schreibt die Familie Eichwäldli, dass sie in der Liegenschaft «ausserordentliche Aufwendungen getroffen» habe, weshalb «nicht eine Gebrauchsleihe, sondern eine Miete vorliegt». Damit gemeint sind Instandhaltungsmassnahmen im Gebäude, etwa bei der Heizung. Deshalb soll sie «in den Genuss eines verstärkten Kündigungsschutzes» kommen. Man habe die Kündigung durch die Stadt per 15. Februar vor der Schlichtungsbehörde Miete und Pacht angefochten und beantrage die Erstreckung. Man gehe nach wie vor davon aus, «dass eine Alternative zum geplanten Abriss gefunden werden kann und muss». Und sei irritiert darüber, dass der Stadtrat «scheinbar schlecht informiert» ist.
Ist nun die Strafanzeige tatsächlich hinfällig? So einfach ist der Sachverhalt wohl nicht. Dass das Gebäude sich sicherheitstechnisch in einem bedenklichen Zustand befindet, dürfte beim Ganzen auch noch eine Rolle spielen. Weiter lief gemäss Angaben der Stadt der Gebrauchsleihvertrag bereits Ende September 2020 aus, lediglich die Auszugsfrist wurde zuerst auf Ende Januar verlängert und aufgrund der Parlamentsdebatte dann auf den 15. Februar verschoben.
Die Stadt jedenfalls sieht keine Veranlassung, am Vorgehen etwas zu ändern. Sie hofft nach wie vor, dass die Familie Eichwäldli das Ultimatum einhält, wie Baudirektorin Manuela Jost (GLP) in einer kurzen Stellungnahme schreibt. «Ansonsten wird die Stadt wie angekündigt Strafanzeige einreichen.»
Mieterverband masst sich kein Urteil an
Der Luzerner Mieterinnen- und Mieterverband kann die Sachlage ohne weitergehende Informationen und Dokumente wie Verträgen nicht seriös beurteilen, wie Geschäftsleiter Cyrill Studer Korevaar auf Anfrage schreibt. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob die Familie Eichwäldli rechtlich tatsächlich als Mieterschaft gilt. Trifft das zu, könne sie nach Erhalt einer Kündigung diese innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anfechten und eine Erstreckung verlangen. Dann müsse «zunächst die formelle Korrektheit durch die Schlichtungsbehörde beurteilt und anschliessend das Ergebnis der Schlichtungsverhandlung abgewartet werden», so Studer. Falls die Familie Eichwäldli jedoch keinen gültigen Mietvertrag hat und rechtlich als Besetzerin gilt, «handelt es sich um einen Hausfriedensbruch, worauf die Vermieterschaft die polizeiliche Räumung beantragen kann».
Die Familie Eichwäldli kämpft an mehreren Fronten gegen den geplanten Abbruch der Soldatenstube. So bezweifeln die Bewohner auch, dass das Gebäude nur mit unverhältnismässig hohen Kosten instand gesetzt werden könne. Weiter konnten sie Architekten für sich gewinnen, die sich aus städtebaulichen und bauhistorischen Gründen gegen den Abbruch aussprechen.