Natalie Ehrenzweig
Natalie Ehrenzweig
Ob Touristen für Luzern Fluch oder Segen sind, darüber wird in der Luzerner Öffentlichkeit seit einiger Zeit diskutiert. Damit sich die Luzerner zumindest von ihren chinesischen Gästen ein besseres Bild machen können, bietet Julia Zgraggen seit kurzem die Stadtführung «Alle Chinesen essen Hunde und Katzen». Die gebürtige Nidwaldnerin hat über 20 Jahre Erfahrung in der Reisebranche und hat in Ägypten, Kuba, Mexiko, Mauritius, Portugal und Spanien als stationäre Reiseleiterin gearbeitet.
An jenem kalten Samstagnachmittag hat das Team der Bibliothek Ruopigen mit ihren Partnern die Stadtführung gebucht. «Wir sehen ja die chinesischen Touristen in der Stadt und es wäre doch gut, wenn wir sie etwas besser verstehen würden», begründet Sybille Untersee ihre Teilnahme an diese Führung.
Eine Europareise gehört in China zum guten Ton
Treffpunkt ist das Löwendenkmal. Dort erzählt die Tourismusfachfrau – inmitten von Touristen – ein paar grundlegende Fakten über China: Das Land, das fast so gross ist wie Europa, zählt 1,4 Milliarden Einwohner. Nur ein Zehntel davon kann sich einen Reisepass leisten und nur die Hälfte davon reist. Um das Touri-Feeling für die Sechser-Gruppe komplett zu machen, nimmt sie den Selfie-Stick hervor und schiesst das perfekte Gruppenfoto inklusive Löwendenkmal im Hintergrund.
«Schweizer trinken oft nur Tee, wenn sie krank sind», erklärt Julia Zgraggen beim nächsten Stopp Minghua Yang, die der Gruppe einen Teil einer Teezeremonie zeigt. Im Teehaus Yun Nan probiert die Gruppe verschiedene Aufgüsse des Tees «Silver Needles». Dabei verrät die Chinesin vieles über die chinesische Teetradition, die älter ist als die japanische: Chinesischer Tee wird beispielsweise nicht gesüsst. «Früher musste eine Frau für die zukünftige Schwiegermutter Tee kochen, damit sie beurteilt werden konnte», so Julia Zgraggen.
«Chinesische Touristen sind gar nicht so sehr an unserer Lebensweise interessiert.»
Draussen ist es inzwischen dunkel. Am Quai liefert die Stadtführerin der Gruppe, die unterwegs angeregt über das Teetrinken diskutiert, interessante Zahlen zu den Chinesen als Touristen in der Schweiz. Eindrücklich: Von 2008 bis 2017 hat sich ihre Anzahl von 214 000 auf 1,28 Millionen erhöht. In Luzern sind sie aber nicht die grösste Touristengruppe. Das sind immer noch die Schweizer, gefolgt von den US-Amerikanern. Auf Platz 3 folgen die Chinesen. Bei ihnen gehört laut Julia Zgraggen eine Europareise zum guten Ton, sei mit Prestige verbunden: «Viele sparen lange auf diese Reise. Die Mittelklasse verdient etwa 800 Franken im Monat.»
Weiter geht es zum Schwanenplatz, zur Kapellbrücke und zur Spreuerbrücke. Dabei erzählt die Tourismusfachfrau allerlei über die Chinesen. Sie verrät etwa, wieso sie oft in Gruppen reisen – weil nur wenige Englisch sprechen. Sie charakterisiert sie, weiss, in welchem chinesischen Tierkreiszeichen die Teilnehmer geboren sind und erzählt, dass eine Studie gezeigt hat, dass die Chinesen in der Schweiz gern Berge, Seen, Eisenbahnzüge, Schokolade, Käse und die Kapellbrücke fotografieren.
Ein Glückskeks zum Abschluss
Und natürlich, der Titel der Führung verrät es, Julia Zgraggen spricht auch über das Essen. Hunde und Katzen sollen ja bei den Chinesen regelmässig auf dem Menü stehen, oder? Und wieso essen sie eigentlich Skorpione? Oder Schildkröten? Auch dazu weiss Julia Zgraggen Interessantes zu berichten. Aber: Es sei an dieser Stelle nicht schon alles verraten.
Nach gut zwei Stunden endet die Führung beim Historischen Museum. Teilnehmerin Sybille Untersee sagt: «Ich verstehe die Chinesen hier jetzt etwas besser. Sie haben eine andere Motivation beim Reisen, wollen vor allem shoppen und sind gar nicht so sehr an unserer Lebensweise interessiert.» Zum Abschluss erhalten alle Teilnehmer einen Glückskeks – der eigentlich gar nicht besonders chinesisch ist. Die Gruppe geht anschliessend noch essen. Ob sie ein chinesisches Restaurant ansteuert, liess Sybille Untersee offen.
Hinweis: Infos finden Sie auf www.stadtführungen-luzern.ch.