Vertraut und ganz auf Augenhöhe: So wirken die 24-jährige Rahel Bieri und der 12-jährige Remzi Hamid bei unserem Treffen. Die beiden haben an diesem schwülwarmen Tag den Weg von Remzis Zuhause in Luzern nach Gansenbach zwischen Littau und Malters – dem Wohnort von Rahel Bieri – mit dem Velo in Angriff genommen. Eine gute Übung für Remzi, der kurz vor seiner Veloprüfung steht. Weil Gewitter aufziehen, entscheiden sie sich kurzerhand gegen das Baden in der Kleinen Emme. Das tut der guten Laune keinen Abbruch. Zu Hause bei Rahel Bieri gefällt es dem 12-Jährigen auch gut. Hier kann er im Garten sitzen und Holunderblütensirup trinken, Brettspiele spielen oder die sieben Wochen alten Kätzchen von Katzenmami Emma streicheln.
Den Schüler aus Eritrea und Rahel Bieri verbindet eine ganz besondere Freundschaft. Vor dreieinhalb Jahren sahen sich die beiden zum ersten Mal ihm Rahmen des Patenschaftsprojektes «mit mir» der Caritas Luzern. Dieses besteht heuer seit 10 Jahren (siehe Kasten). Die beiden können sich noch gut an das erste Treffen erinnern. «Es fand zu Hause bei Remzis Familie statt, eine Dolmetscherin übersetzte für die Eltern», erzählt Rahel Bieri, die nach ihrer Ausbildung als Gestalterin Werbetechnik derzeit die Primarlehrerinnen-Ausbildung an der PH Luzern absolviert.
Ausflüge und gemeinsame Zeit zu Hause
Seither unternehmen die junge Frau und der aufgeschlossene Bub regelmässig etwas zusammen. Mal gehen sie ins Hallenbad, ein anderes Mal unternehmen sie eine kleine Velotour. Einmal besuchten die beiden das Technorama in Winterthur. Doch es müssen nicht unbedingt Ausflüge sein. Genauso gut gefällt es Remzi bei Rahel zu Hause, wo sie im Sommer am Bach vor dem Haus spielen und Glace essen. Im Winter gabs auch schon Fondue unter freiem Himmel. «Am liebsten gehe ich mit Rahel in der Kleinen Emme baden», sagt Remzi ohne zu zögern.
Rahel Bieri wurde vor einigen Jahren über die Medien auf das Projekt «mit mir» aufmerksam. Nachdem sie sich gemeldet hatte, klappte die Vermittlung zu Remzi sehr schnell. Ab diesem Zeitpunkt trafen sich die beiden regelmässig, um Zeit miteinander zu verbringen. Während der offiziellen Patenschaft fanden regelmässig Standortgespräche statt – ein standardisierter Vorgang. «Nach drei Jahren war das Projekt abgeschlossen. Für uns war aber klar, dass wir uns weiterhin treffen wollen», so Bieri.
Mit der Zeit haben die beiden auch ihre Familien besser kennen gelernt. «Mein jüngerer Bruder ist gleich alt wie Remzi, das trifft sich gut», sagt sie. Zudem hat Remzi auch schon seine kleine Schwester Rim (10) mitbringen dürfen. «Die nervt dann aber schon manchmal», sagt Remzi trocken.
Seit kurzem im Besitz des Schweizer Passes
Remzi hat einen Bruder und zwei Schwestern, alle jünger als er. Bevor Remzi in Rahel ein Gotti fand, konnte seine kleine Schwester schon vom Projekt «mit mir» profitieren. Seine Eltern kamen mit ihm in die Schweiz, als Remzi sieben Monate alt war. Er war seither nie wieder in Eritrea. Mit seinen Geschwistern spricht er vorwiegend deutsch, mit seinen Eltern arabisch. Seit einigen Wochen hat Remzi den Schweizer Pass – als einziger seiner Familie. Darauf ist er stolz. Schliesslich musste er eine Prüfung bestehen, bei der allerlei Fragen zur Schweiz gestellt wurden. «Das war aber ganz einfach», sagt er lakonisch. «Wir anderen hätten den Test wohl nicht so einfach bestanden», erwidert Rahel Bieri schmunzelnd.
Dass sie sich regelmässig treffen, findet Remzi gut. «Bevor ich Rahel kannte, war mir oft langweilig, und ich wusste nicht, was ich machen soll», sagt er. Auch Rahel Bieri kann als Gotti von Remzi profitieren. «Durch ihn konnte ich eine ganz andere Kultur kennen lernen.» Als Beispiel erwähnt sie Remzis Eltern, die derzeit im Fastenmonat Ramadan sind. «Als ich einmal bei ihnen Hause war, wurden nach Sonnenuntergang allerlei feine Sachen aufgetischt, die ich nicht kannte und probieren durfte.» Zudem sehe sie, mit welchen Schwierigkeiten Menschen aus anderen Kulturkreisen in unserem Alltag zu kämpfen hätten. «Das Ausfüllen von Formularen, das zum Teil auch für uns kompliziert ist, kann für sie aufgrund der Sprache schwierig sein.»
Auch wenn man sich die Zeit im oft gefüllten Alltag nehmen müsse, ist für Rahel Bieri und Remzi klar, dass sie sich weiterhin treffen werden.
Die Caritas sucht laufend neue Patinnen und Paten. Infos unter Telefonnummer 041 368 53 80 oder auf der Website www.caritas-luzern.ch