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Leitartikel

Deshalb ist die Klima- und Energiestrategie der Stadt Luzern nötig und sinnvoll

Ist die ambitionierte Klima- und Energiestrategie angesichts der aktuellen Turbulenzen für die Stadt Luzern noch stemmbar? Ja, denn der Krieg in der Ukraine zeigt, dass der ökologische Umbau der Energieversorgung erst recht dringend ist. 

Man kann sie als Jahrhundertreform bezeichnen, die «Klima- und Energiestrategie» der Stadt Luzern, die in gedruckter Form fast 250 Seiten umfasst. Geplant ist nichts weniger als ein Totalumbau der Energie- und Wärmeversorgung in der Stadt Luzern. Die wichtigsten Punkte sind:

Die Gebäude in der Stadt Luzern sollen künftig mit Wärmepumpen, Holzschnitzel oder Fernwärme anstelle von Öl und Gas geheizt werden. Entsprechend soll der Pro-Kopf-Ausstoss von CO2 sinken: von 5 Tonnen auf null bis zum Jahr 2040.

Die Produktion von Solarstrom auf privaten und öffentlichen Dächern soll massiv ausgebaut werden. Der Anteil des Sonnenstroms soll von 2 auf 25 Prozent im Jahr 2050 steigen.

Geht es nach Stadtrat und Parlament, soll die Stadt Luzern so ihren Beitrag zu einem wirksamen Klimaschutz leisten. Die Klima- und Energiestrategie, die am 25. September zur Abstimmung kommt, ist aber nicht nur im Kontext der Ökologie relevant. Der Krieg in der Ukraine hat uns gezeigt, dass die Schweiz energiepolitisch zu lange auf dem falschen Dampfer unterwegs war. Investitionen in erneuerbare Energien wurden meist nur halbherzig umgesetzt – sei es unter dem Vorwand der fehlenden Rentabilität, oder auch, weil diejenigen, die am lautesten den Klimawandel beklagten, gleichzeitig jegliche Eingriffe in die Landschaft verweigerten.

Die Stadt Luzern ist hier keine Ausnahme: Die Tatsache, dass 90 Prozent der Haushalte mit Öl oder Gas beheizt werden – ein Rekord innerhalb des Kantons – kann nur mit der jahrelang gezielten Förderung dieser Energien erklärt werden. Noch 2017 schrieb der städtische Energieversorger EWL in einer Broschüre, Erdgas sei «die natürliche Energiequelle mit Zukunft». Das Erdgasnetz in der Stadt Luzern wurde selbst dann noch weiter ausgebaut, als Hausbesitzer auf dem Land längst damit begonnen hatten, ihre Heizungen auf umweltfreundliche Systeme umzustellen.

Die Stadt Luzern hat sich in eine fatale Abhängigkeit begeben, aus der sie sich jetzt mühsam – und mit viel Geld – wieder befreien muss. Es ist wie bei vielen Reformen: Je länger man sie herausschiebt, desto teurer wird es. So rechnet EWL mit Investitionen von über 1 Milliarde Franken für den Umbau der Wärmeversorgung. Hinzu kommen etwa 190 Millionen aus der Stadtkasse für die Förderung von Gebäudesanierungen und Solaranlagen. Zudem soll der Strompreis um bis zu 2.5 Rappen/kWh erhöht werden.

Höhere Strompreise? Ausgerechnet jetzt sollen die Stimmberechtigten dem zustimmen, wo doch die Preise ohnehin schon explodieren? Die Frage ist berechtigt, doch was sind die Alternativen? Ob die Versorgung mit Erdgas je wieder so zuverlässig und günstig funktionieren wird wie vor 2022, steht in den Sternen. Auch die Verträge mit den französischen AKW, von denen EWL heute Strom bezieht, laufen 2024 aus und werden nicht mehr erneuert. «Weiter wie bisher» ist keine Option.

Es ist daher richtig, der Klima- und Energiestrategie zuzustimmen. Bleibt die Frage, ob man Variante A oder B (Gegenvorschlag) bevorzugen soll. Diese Frage ist wohl nicht matchentscheidend – auch wenn die jeweiligen Komitees ihre Variante mit Vehemenz verteidigen. Der Hauptunterschied liegt beim Verkehr und beim CO2-Fahrplan: Variante A hat eine Verkehrsreduktion zum Ziel, der Gegenvorschlag spricht lediglich von Plafonierung des Verkehrs. Variante A peilt bei der CO2-Reduktion eine steil abfallende Kurve an, während der Gegenvorschlag eine lineare Reduktion vorsieht.

Letztlich sind dies reichlich abstrakte Vorgaben: Das Verkehrsaufkommen und der CO2-Ausstoss lassen sich nicht per Knopfdruck um vorgegebene Prozentpunkte verändern. Dennoch sind mit den obigen Zielen konkrete Hoffnungen verbunden: Stadtrat und linksgrüne Parteien wollen die Verkehrsreduktion mit einer Halbierung der öffentlichen Parkplätze herbeiführen. Dies wollen die Bürgerlichen verhindern. Sie hoffen, dass sich der Stadtrat beim Parkplatzabbau mässigen wird, wenn der Gegenvorschlag angenommen wird.

Tatsächlich sollte die Verkehrspolitik nicht der Hauptschauplatz für die Klima- und Energiestrategie sein. Der Stadtrat wird in den nächsten Jahren schon mehr als genug zu tun haben, um den Totalumbau der Wärmeversorgung zu orchestrieren.

Leider haben Stadtrat und Parlament noch weiteren, geradezu unnötigen Ballast in die Strategie verpackt, deren Nutzen und Realisierbarkeit fraglich sind. So etwa die Vorgabe, wonach 2040 «alle in der Stadt immatrikulierten Fahrzeuge» elektrisch oder erneuerbar angetrieben sein müssen. Fakt ist: Das kann die Stadt gar nicht selber bestimmen, und zweitens sorgt wohl der Markt dafür, dass dieses Ziel auch ohne gesetzliche Nachhilfe erreicht wird. Auch die Klausel, wonach die Stadt den Konsum von nicht erneuerbarem Strom verbieten kann, ist unnötig. Denn die Stadtbevölkerung hat bereits 2011 ein Verbot von Atomstrom per 2045 beschlossen. Der Gegenvorschlag verzichtet folgerichtig auf diese unnötigen Vorgaben.

Solche irritierende Nebengleise sollten aber nicht vom Hauptziel ablenken: Die Stadt Luzern muss ihre Wärme- und Stromproduktion ökologischer, nachhaltiger und unabhängiger machen. Dazu stimmt man am besten zweimal Ja zu Variante A und Gegenvorschlag – die Stichfrage ist dann zweitrangig.

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