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Zug

Der Weg des Zuger Güselsacks

Fast eine halbe Tonne Müll verursachen Zugerinnen und Zuger durchschnittlich pro Jahr. Was davon nicht auf dem Ökihof entsorgt wird, landet im Güselsack. Ein Reisebericht bis zur Endstation des Zuger Kehrichts.
Die Leerung mit einem Kran ist günstiger als das Einsammeln einzelner Güselsäcke. Unterflurcontainer gehören deshalb zunehmend zum Standard. (Bild: Stefan Kaiser (Baar, 05. September 2018))
Verbrannt wird der Zuger Abfall in der Kehrichtverbrennungsanlage Renergia in Perlen im Kanton Luzern. (Bild: Boris Bürgisser (7. Januar 2015))
Die letzte Station des Zuger Güsels ist die Deponie Eielen in Attinghausen. (Bild: Urs Hanhart (6. November 2017))

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Wer wissen möchte, wie es um den Zuger Güsel steht, landet im Erdgeschoss eines unauffälligen Büros im Chamer Dorfzentrum. Während unter dem Balkon friedlich die Lorze vor sich hinplätschert, nimmt am kleinen Sitzungstisch Hans Ulrich Schwarzenbach, der als Geschäftsführer der Zeba waltet, Platz. Zeba ist die Abkürzung für den Zweckverband der Zuger Gemeinden für die Bewirtschaftung von Abfällen.

Wer in dem Büro eine grosse Verwaltung erwartet, wundert sich: Nur gerade ein Angestellter tippt leise auf der Tastatur seines Computers. Die anderen ungefähr 50 Mitarbeitenden sind in den Zuger Ökihöfen tätig, in denen die Zugerinnen und Zuger den grössten Teil ihres Güsels deponieren. Was dort nicht entsorgt wird, kommt in den Güselsack – in der Fachsprache «Kehricht» genannt. Davon fällt im Kanton Zug pro Einwohnerin oder Einwohner jährlich 168 Kilogramm an. Wirft man einen Blick hinter die Kulissen, wird schnell ersichtlich, dass sich die Zeba vor allem um die erste Etappe auf dem Weg des Zuger Güselsacks kümmert.

Der Unterflurcontainer als neuer Standard

Im Gegensatz zu früher sind die Männer und Frauen der Müllabfuhr nicht mehr bei den Zuger Gemeinden angestellt, sondern bei zwei privaten Entsorgungsunternehmen. Auf diese Weise lassen sich laut Schwarzenbach Kosten sparen. Abgeholt wird der Güsel entweder auf der Strasse oder – was als neuer Standard gilt – in einem sogenannten Unterflurcontainer.

Wie der Name bereits deutlich macht, liegt der grösste Teil dieses Containers unauffällig unter der Strasse. Auch diese Umstellung hat einen ökonomischen Grund: Die Leerung mit einem Kran sei günstiger als das Einsammeln einzelner Güselsäcke.

Robidogsäckli, abgelaufenes Essen, gebrauchte Spritzen

Die gesammelten Güselsäcke werden daraufhin zu einem gigantischen Ofen in Luzern gebracht, wo sie verbrannt werden. Dieser Ofen ist Teil der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Perlen/Root. Trotz ihrer enormen Grösse – vier Eishockeyfelder lang – betreiben durch den hohen Grad der Automatisierung gerade mal 30 Angestellte die KVA. Die Fahrerinnen und Fahrer der Zuger Güselwagen haben aber beim Abladen keinen Kontakt mit ihnen – sie können sich selbstständig anmelden, und ihre Lastwagen werden vor und nach der Leerung automatisch gewogen. Gerade mal zehn Minuten dauert der Vorgang. Neben den Zuger Güselwagen fahren auch solche aus den anderen Zentralschweizer Kantonen vor, denn total gibt es nur 30 Müllverbrennungsanlagen in der Schweiz.

Danach frisst im Ofen eine mehrere Stockwerke hohe Flamme neben den Güselsäcken unter anderem auch Robidogsäckli, abgelaufene Speisen, Restposten von Kleiderläden, alte Einbauküchen und gebrauchte Spritzen aus Spitälern. Eine Dampfturbine erzeugt währenddessen Strom. Beim Verfeuern entsteht aber nicht nur Wärme, sondern es entstehen auch giftige Gase, die in einem komplizierten Prozess gereinigt werden, bevor das Abgas den Schornstein der Anlage erreicht. Und was bleibt am Ende im Ofen zurück? Pro 35-Liter-Abfallsack etwa 3,5 Liter Asche. Expertinnen und Experten nennen dies «Schlacke». Bei der zweiten Etappe auf dem Weg des Zuger Güselsacks wird der Güsel also verbrannt. Darauf folgt die kniffligste Frage für die Abfallexpertinnen und -Experten: Wohin mit der Schlacke?

In Deutschland wird Schlacke bis heute im Strassenbau als Schotterersatz eingesetzt. Noch weiter beim Recycling gehen die Niederländer, die den verbrannten Müll sogar in Beton mischen. In der Schweiz hingegen ist es aufgrund der Umweltschutz-Gesetzgebung nicht erlaubt, Schlacke als Baustoff zu verwenden. Deswegen kommen die Schweizer Reste in die Schlackendeponie.

«Die Vision ist eine Aufbereitung der Schlacke, damit sie als Baustoff wieder eingesetzt werden kann», Edi Schilter, Leiter der Deponie Eielen in Uri

Alternative zur Endlagerung gesucht

Zug besitzt keine solche Deponie, weswegen Lastwagen die Schlacke der Luzerner KVA mit Lastwagen hauptsächlich zu der Deponie Eielen (Uri), aber auch nach Tambrig (Zürich), Tavannes (Bern) und Lufingen (Zürich) bringen. Dort wird davon mit einer Aufbereitungsanlage ein Zehntel Eisen, Kupfer, Aluminium und Edelstahl aussortiert – das ist die dritte Etappe. Diese Stoffe werden wiederverwertet, der Rest wird indessen oberflächlich gelagert. Im Falle der Deponie Eielen bei Attinghausen geschieht das auf dem Areal eines früheren Steinbruchs, der wieder «aufgefüllt» wird.

Den Kontakt der abgelagerten Schlacke mit der Umwelt verhindert die Sohle der Deponie, die zwei übereinander liegende Abdichtungsschichten aufweist. Ist die Deponie voll, wird sie auch gegen oben abgedichtet. Bleibt folglich das, was vom Zuger Güsel zurückbleibt, auf immer unter Erde liegen? Edi Schilter ist verantwortlicher Leiter der Deponie Eielen. Er sagt: «Die Vision ist eine Aufbereitung der Schlacke, damit sie als Baustoff wieder eingesetzt werden kann. Wann man soweit ist, kann ich nicht sagen.» Bis jetzt liess sich trotz jahrzehntelanger Forschung kein Verfahren finden, mit dem die Schlacke rentabel «aufbereitet», also von für die Umwelt riskanten Schwermetallen gereinigt werden kann. Vorerst bleibt die Endstation des Zuger Güselsacks also die Deponie.

Ein Viertel wird falsch entsorgt

Zurück zum Büro an der Lorze in Cham. Wer verursacht eigentlich wie viel Güsel im Kanton Zug? Das lässt sich laut Hans Ulrich Schwarzenbach von der Zeba nicht genau sagen. Einerseits wird das nicht gemessen, andererseits umfasst die Kategorie «Kehricht», in der die Güselsäcke enthalten sind, auch die Abfälle von kleinen Unternehmen. Ebenso ist ein Vergleich mit anderen Kantonen schwierig: In einigen Regionen mit starkem Tourismus oder viel Industrie fällt mehr Kehricht an – dieser wird in der Statistik nicht immer separat aufgeführt.

Inklusive des im Ökihof entsorgenen Abfalls fallen im Kanton Zug jährlich 432 Kilogramm Müll pro Kopf an – diese Menge entspricht dem Gewicht einer kleinen Kuh. Die Zeba geht davon aus, dass die meisten Zugerinnen und Zuger den Güsel ordentlich trennen. Jedoch zeigte eine Studie aus Steinhausen von 2012, dass rund ein Viertel des untersuchten Güselsacks im Ökihof entsorgbar wäre. Es bleibt also noch Luft nach oben.

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