Christopher Gilb
Zehn Jahre lang war ein Sozialdemokrat Zuger Stadtpräsident, nun übernimmt dieser Tage mit dem 59-jährigen bisherigen Finanzvorsteher Karl Kobelt ein Liberaler. Kobelt, der weit jünger wirkt als er ist, sitzt am Donnerstag vor Weihnachten im Restaurant des Theater Casinos Zug. Ein Tag ist es her, dass Dolfi Müller, nur wenige Meter entfernt, verabschiedet wurde.
Er habe grossen Respekt vor den möglichen Erwartungen an ihn und auch vor der Komplexität der Themen, sagt Kobelt. «Mein Ziel ist es, die Kontinuität im Stadtrat zu wahren. Dieser soll weiterhin gemeinsam viel für unsere erfolgreiche Stadt bewegen können.» Und die Messlatte sei bekanntlich hoch. «Aber manchmal», und auch solche Gedanken würden ihn beschäftigen, «wird der Stadtrat eben nicht alle Bedürfnisse befriedigen können, sondern auch enttäuschen müssen.» Er sehe seine Aufgabe darin, stets viele Partner aus der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einzubinden, aber dann auch zu entscheiden und zu diesen Entscheidungen zu stehen. «Und dabei mich selbst zu bleiben.» Man solle irgendwann über seine Amtszeit sagen, dass Karl Kobelt sich selbst geblieben ist.
«Gesunde Finanzen sind match-entscheidend»
Doch, wie ist dieser Karl Kobelt als Stadtpräsident, und was wird ihn unterscheiden von Dolfi Müller? «Ich habe eine klar bürgerliche Grundhaltung und bin – das muss auch gar nicht im Vergleich sein – der Meinung, dass es match-entscheidend ist, dass die Finanzen in Ordnung sind», antwortet Kobelt. Während sechs Jahren war er Zuger Finanzchef. «Ich bin über die deutlich verbesserte Finanzlage sehr froh. Das war ein Gesamtwerk vieler Beteiligter. Hinzu kamen günstige Umstände.» Er will aber nicht missverstanden werden: Den Finanzen Sorge zu tragen heisse nicht, Investitionen zu blockieren. «Unter anderem im Bildungs- oder Verkehrsbereich ist viel Investitionsbedarf da», so der neue Stadtpräsident.
Nicht nur der Stadtpräsident ist ein anderer, auch der Stadtrat. Statt drei sitzen nun vier bürgerliche Politiker im Gremium. «Dies kann durchaus dazu führen, dass Entscheidungen bürgerlicher geprägt sind», so Kobelt. Er sei überzeugter Liberaler, habe sich aber stets für die verschiedensten Sichtweisen interessiert. Dies unterstreicht auch sein Werdegang.
Seine Dissertation schrieb der Historiker über die Bildungspolitik im Stalinismus, zudem verfasste er Rezessionen zu den ehemaligen Deutschen Bundeskanzlern Adenauer und Schmidt. Später arbeitete Kobelt im Nachrichtendienst, im PR- und Marketingbereich, als Redaktor der Zuger Presse und führte bis zur Wahl in den Stadtrat eine Kommunikationsagentur. «Eigentlich habe ich beruflich noch nie das gemacht, wozu ich ausgebildet wurde», stellt Kobelt vergnügt fest. «So habe ich gelernt, auch im kalten Wasser zu schwimmen.» Während seiner Tätigkeit bei der Zuger Presse habe er dann festgestellt, dass er nicht nur berichten, sondern auch selbst politisch gestalten wolle. «Ich war ein Spätberufener.» 2007 wurde Kobelt mit knapp 48 Jahren in den GGR gewählt. Dann rutschte er Ende 2012 in den Stadtrat nach.
Und jetzt ist er Stadtpräsident und damit auch für die Kultur zuständig. Wird er ein Kulturförderer sein?, lautet die zur Location passende Frage. «Ja», sagt Kobelt. Denn Kultur sei ein urmenschliches Bedürfnis, es gehe darum, sich vielfältig auszudrücken, aber auch zu hinterfragen und zur Weiterentwicklung des Einzelnen und der Gemeinschaft beizutragen. «Und nicht zuletzt ist Kultur eine Triebfeder für Innovation und hat damit durchaus auch Bezüge zur Wirtschaft.» In puncto Wirtschaft bringt man mit Dolfi Müller zuletzt vor allem das Crypto Valley in Verbindung. «Über all dem steht die Digitalisierungsstrategie des Stadtrats», sagt Kobelt. «Auch mit mir sollen weitere Smart-City-Projekte umgesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise der selbstfahrende Bus und die Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung.» Ziel sei es, dass sich Zug im Spitzenfeld halten könne. «Die Konkurrenz schläft nicht.»
«Beim Postplatz muss es eine Lösung geben»
Eins ist klar: Sowohl die Abstimmung über die Parkplätze auf dem Postplatz, die vom Kanton für ungültig erklärt wurde, wie auch die Diskussion ums schnelle Wachstum der Stadt werden ihn als Stadtpräsidenten von Beginn an beschäftigen. «Beim Postplatz muss es eine Lösung geben», sagt Kobelt. Ob eine politische oder rechtliche sei noch offen. «Ich werde das Thema angehen, aber möglichst gelassen.» Es könne gut sein, sagt er mit Blick auf zukünftige Abstimmungen, dass man sich dann mehr Gedanken machen müsse, ob Initiativen der geltenden Rechtsordnung entsprechen würden. Und beim Wachstum, da sei er sich bewusst, dass Zug da eine Sonderrolle habe und auch die Schattenseiten des Wachstums erlebe. Es sei wichtig, genau hinzuschauen.
Genau hinschauen wolle er auch bei sich selbst. «Mir ist es wichtig, als Stadtpräsident bei aller Präsenz auch Zeit zur Reflexion zu haben. Da kann mein Zeitmanagement noch besser werden.» Und wie will er das hinkriegen? «Bei all den vielen Anfragen, bei der einen oder anderen auch einmal Nein sagen.»