Christopher Gilb
Während fünf Jahren verantwortete Jonas Zollinger den Bereich Hotellerie und Infrastruktur der Hirslanden-Klinik St. Anna in Luzern und war auch Direktionsmitglied. Seit November 2018 ist der 36-Jährige nun Direktor der Hirslanden-Andreas-Klinik Cham Zug und des Pflegezentrums Ennetsee. Gerade seine Fachkenntnisse im Bereich Infrastruktur kommen ihm nun zugute, denn die Hirslanden-Klinik im Ennetsee baut aus. Das Interview beginnt auf der wichtigsten Baustelle, dem neuen Ärztezentrum Lorze am Dorfplatz Cham.
Was verspricht sich die Andreas-Klinik vom Ärztezentrum im ehemaligen Hotel Lorze? Jonas Zollinger: Die Entwicklung geht in Richtung Ärztezentren, wo viele Kompetenzen gebündelt sind. In Cham kommt der Vorteil dazu, dass die Klinik um die Ecke ist. Da auf dem Areal selbst aber die Fläche beschränkt ist, schaffen wir einen neuen Standort, wo mehr Belegärzte arbeiten können. Im Dorfzentrum ist auch die Verkehrsanbindung ideal. Was für Ärzte arbeiten hier?Wir haben bereits 80 Prozent der Fläche vermietet oder reserviert. Die ersten Praxen eröffnen im Juli. So wird beispielsweise Andreas Günthert, der ehemalige Chefarzt der Frauenklinik am Luzerner Kantonsspital, eine seiner Praxen hier eröffnen, um nebst Luzern auch in Zug seine Dienstleistungen anbieten zu können. Das Besondere ist, dass in seinen Praxen selbst nur Frauen arbeiten. Zudem ist ihm wichtig, Wartezeiten zu vermeiden. Braucht er in Cham eine Mammografie, kann er in der Klinik anrufen und sie wird innert zwei Stunden gemacht. Er ist übrigens auch eine wichtige Erweiterung für unser Gynäkologenteam. Die Geburtenzahlen steigen an. Und die Geburt ist bekanntlich ja der einzige wirklich schöne Grund ins Spital zu gehen.
Wer kommt sonst noch?Zwei Neurologinnen, Ines Naumburger und Annett Ramseier, die derzeit im Zuger Kantonsspital arbeiten und sich selbstständig machen wollen. Dann kommt noch ein Rheumatologe. Zudem sind wir mit einem Hausarzt im Gespräch. Gerade bei Hausärzten – wurde mir gesagt – könnte es noch den ein oder andern in Cham vertragen. Im Erdgeschoss soll es auch noch ein Café mit Innen- und Aussenplätzen geben, das wir selbst betreiben. Wir haben von der Gemeinde diesen Auftrag erhalten und wollen etwas zur Belebung des Dorfplatzes beitragen. Und dann gibt es noch eine Überraschung.
Welche Überraschung?In den unteren zwei Stockwerken wird es ein für die Region komplett neues Angebot geben, dazu kann ich aber noch nicht mehr verraten. Insgesamt werden aber bis zu 15 Ärztinnen und Ärzte im neuen Zentrum arbeiten.
Wir wechseln mit Zollinger von der Baustelle im Dorfzentrum zu jener bei der Klinik. Hier wird nicht nur ausgebaut, sondern neu gebaut.
Was wird hier gebaut?Das ist wohl der Teil, der für die Patientinnen und Patienten am unwichtigsten ist, aber für uns hilfreich sein wird. Unsere Verwaltung befand sich nun seit zehn Jahren in Containern hier sowie auf Büros im ganzen Dorf verteilt. Im neuen zweistöckigen Gebäude wird alles gebündelt, das macht die Wege kürzer.
Was ist Ihr Hauptziel?Die Andreas-Klinik soll eine qualitativ hochwertige Grundversorgung anbieten. Dazu gehört auch der Ausbau der Notaufnahme. Wir haben jedes Jahr in diesem Bereich eine Nachfragesteigerung von rund 10 Prozent. Letztes Jahr waren es 4000 Konsultationen.
Es hängt wohl eher damit zusammen, dass die Leute an ihrem Wohnort in die Notaufnahme gehen wollen. Dass auch wir dieses Angebot für alle Versicherungsklassen haben, ist in Cham selbst zwar bekannt, in der gesamten Region Ennetsee aber noch nicht so. Das soll sich ändern. Früher war das aber auch nicht unser Ziel, da unsere Kapazitäten beschränkt waren. Wir hatten bis letztes Jahr lediglich ein Zimmer für die Notfallpatienten. Zwischenzeitlich arbeiten nun fünf Ärzte in der Notaufnahme, die ein breites Spektrum abdecken und auch die Räumlichkeit ist grösser. Aber das genügt nicht. Wir schauen uns derzeit Ausbauvarianten an, auch weil unsere Wartezeiten weiterhin kurz bleiben sollen.
Finden Sie genügend Ärzte?Für Ärzte, die nicht während mindestens drei Jahren an einer schweizerischen Weiterbildungsstätte tätig waren, gibt es ja im Kanton Zug eine Zulassungsbeschränkung. Das ist eine Hürde und ein bisschen ein Denkfehler. Denn es gibt Patienten, die sich ausserkantonal behandeln lassen, weil es ihre Spezialisten hier nicht gibt. Das ist doch auch ein Verlust für die Wirtschaftsregion.
Und Pflegepersonal?Da gibt es einen Fachkräftemangel, deshalb versuchen wir, möglichst viel eigene Pflegekräfte auszubilden. Als Teil des Pflegezentrums Ennetsee wurde vor zwei Jahren ein Neubau eröffnet, in dem der Betrieb gestaffelt hochgefahren wird. Die Nachfrage ist gross und wir eröffnen jetzt einen weiteren Trakt, sodass 80 Betten zur Verfügung stehen. Doch es braucht nicht nur Betten, sondern eben auch Pflegekräfte.
In der Klinik selbst soll es jetzt Hotelkomfort geben.Wir testen derzeit ein neues Zimmerkonzept für Halbprivat- und Privatpatienten. Eingerichtet von einem Hoteldesigner soll dieses mehr Komfort und Atmosphäre bieten mit Holzboden, schönen Farben und Kaffeemaschine.
Die geplante Erweiterung der Notfallstation und die Anschaffung eines zweiten Magnetresonanztomografen (MRT) in der Radiologie eingerechnet rund 7 Millionen Franken.
Und wie wirkt sich die Umstellung auf «ambulant vor stationär» aus?Dieses Konzept ist grundsätzlich eine gute Sache, das auch in anderen Ländern funktioniert. Gerade die Patienten sind es sich aber oft noch nicht gewöhnt und sind überrascht, wenn sie nach der Operation nicht bleiben können. Das Problem ist aber die Vergütung; da ambulante Operationen schlechter vergütet werden. Auch sind unsere Operationsräumlichkeiten auf stationäre Behandlungen ausgelegt. Wir planen deshalb, diese zu optimieren. Eine Herausforderung ist zudem, dass es unterschiedliche Listen von Bund und Kantonen gibt, was ambulant und was stationär behandelt werden kann. Da der Heimatkanton massgebend ist, kann es sein, dass der eine Patient nach einer Operation bleiben darf, der andere nicht.
Was ist für Sie persönlich der grösste Unterschied zu ihrem letzten Arbeitsplatz?Hier ist alles etwas kleiner und familiärer, das gefällt mir.