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Luzern

Der Luzerner Rudolf Joss hat sich jahrelang für ein würdevolles Sterben eingesetzt und sagt: «Palliativmedizin kann man nicht von oben verordnen»

Der langjährige Präsident von Palliativ Luzern engagierte sich in den letzten Jahren für Schwerkranke oder Sterbende. Er konnte dabei die zwei wichtigsten Lücken schliessen: die Schaffung einer Beratungsstelle und eines mobilen Palliative-Care-Dienstes.
Rudolf Joss mit seiner Hündin Tosca in seinem Garten in Kriens.  (Bild: Pius Amrein (22. November 2020))
Rudolf Joss, früherer Präsident von Palliativ Luzern, in seinem Haus in Kriens. (Bild: Pius Amrein (22. November 2020))

Roseline Troxler

Roseline Troxler

Ein würdevolles Sterben – das war es, was Rudolf Joss möglichst vielen Luzernerinnen und Luzerner ermöglichen wollte. Nach 13 Jahren hat er das Präsidium des Vereins Palliativ Luzern abgegeben – mit einem guten Gefühl. Die zwei wichtigsten Anliegen konnte der heute 74-Jährige umsetzen oder zumindest aufgleisen: die Schaffung einer Informations- und Beratungsstelle für Fragen rund um Palliativmedizin im 2013 sowie die gesetzliche Verankerung eines mobilen Palliative-Care-Dienstes vergangenen September. Doch dazu später mehr. Was bedeutet eigentlich Palliativmedizin? Sie hat das Ziel, die Lebensqualität von Schwerkranken und ihren Nächsten zu verbessern und Sterbende durch ihre letzte Lebensphase zu begleiten.

Als junger Medizinstudent erlebte Joss, wie ein Chirurg jeweils sterbende Patienten auf der Visite nicht mehr besuchte. Er stellte fest, dass viele Ärzte Mühe haben, mit Sterbenden umzugehen.

«Die starke Konzentration auf die Krankheit und nicht auf den Menschen hat mich gestört.»

Jahre später sah Joss als Onkologe viele Krebspatienten gehen und kam dem Thema dadurch näher.

Stellenwert in der Ausbildung ist gestiegen

Heute – stellt er erfreut fest – wird der Begleitung von Sterbenden in der Ausbildung von Medizinern und Pflegefachleuten ein viel grösserer Stellenwert eingeräumt. Für den abtretenden Präsidenten, der mit seiner Frau in Kriens lebt, ist aber auch klar: «Palliativmedizin kann man nicht von oben verordnen. Sie muss in der Praxis vorgelebt werden.»

Joss ist überzeugt, dass die Sensibilisierung betreffend Palliativmedizin in Spitälern, Heimen und Spitex-Organisationen zunahm. Auch in der Gesellschaft sei das Interesse gestiegen. Tatsache sei aber, dass das Sterben und vor allem eine mögliche Leidenszeit vor dem Tod den meisten Menschen Angst mache. In diesem Zusammenhang geht Joss auch auf die umstrittene Sterbehilfe ein. «Ein begleiteter Suizid kann für das Umfeld eine grosse Belastung sein. Die Angehörigen können sich nicht richtig verabschieden, haben ein schlechtes Gewissen und fragen sich, wo sie versagt haben.» Dank einer engen palliativmedizinischen Betreuung soll es laut Joss nicht dazu kommen.

Ein würdevolles Sterben beruhe nebst der Möglichkeit des Abschiednehmens auf der Kontrolle belastender Symptome wie Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit und dem autonomen Entscheiden über wichtige Massnahmen am Lebensende. Auch der Wunsch, den Sterbeort selber zu wählen, werde oft genannt. Diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist in der Pandemie eine besondere Herausforderung. «Sie schränkt das Abschiednehmen ein und es stellen sich viele Fragen, welche Behandlung man bei einem schweren Verlauf überhaupt möchte.» Joss rät, dies möglichst detailliert in der Patientenverfügung festzuhalten.

Aufbau eines mobilen Dienstes freut ihn besonders

Ein Meilenstein war für Rudolf Joss das Ja des Luzerner Kantonsrats zur Revision des Gesundheitsgesetzes im September. Damit schafft der Kanton die Grundlagen für die Anschubfinanzierung eines spezialisierten mobilen Palliative-Care-Dienstes. «Es hat mich sehr gefreut, dass es nach einem jahrelangen Engagement diverser Akteure geklappt hat und der Kanton zusammen mit den Gemeinden den Aufbau eines solchen Dienstes finanzieren will.» Nun stelle sich die Frage der Ausgestaltung. Joss rechnet mit einer mehrjährigen Aufbauarbeit und betont: «Der spezialisierte mobile Palliative-Care-Dienst ist nicht dazu da, Lücken in der Grundversorgung zu schliessen. Die Absicht ist, eine Beratungsfunktion für die lokalen Spitex-Organisationen, die Alters- und Pflegeheime oder die Hausärzte zur Verfügung zu stellen.» Es gehe nicht darum, Patienten in der letzten Lebensphase zu übernehmen. Die Angestellten eines mobilen Dienstes werden laut Joss viel Taktgefühl gegenüber Pflegefachleuten, die sie beraten, benötigen und es sei wichtig, dass die Patienten ihre Vertrauenspersonen behalten würden. Wichtige Aufgabe des mobilen Dienstes sei es ausserdem, dafür zu sorgen, dass Menschen in der letzten Lebensphase nicht zwischen Spital, Pflegeheim und zu Hause hin- und hergeschoben werden.

Gebürtige Seetalerin folgt auf den Onkologen

Rudolf Joss freut sich, nun noch mehr Zeit mit seiner Frau, den Töchtern und Enkeln verbringen zu können. Und der Labradorhündin Tosca sind längere Spaziergänge gewiss. «Es ist gut, dass das Präsidium nun mit Elsi Meier verjüngt wird. Sie ist mit ihrer Erfahrung in der Pflege und als Führungsperson bestens geeignet, den mobilen Palliative-Care-Dienst voranzutreiben», sagt Joss. Die gebürtige Seetalerin ist ausgebildete Pflegefachfrau und war zuletzt als Direktorin Pflege, Soziales und Therapien im Zürcher Stadtspital Triemli tätig. Ausserdem ist die 66-Jährige Mitglied des Spitalrats des Luzerner Kantonsspitals.

Rudolf Joss blickt mit Genugtuung und Zufriedenheit auf die Zeit als Präsident von Palliativ Luzern zurück.

«Noch heute begegne ich Betroffenen oder ihren Angehörigen und spüre viel Dankbarkeit.»

Hinweis: Weitere Informationen zum Verein Palliativ Luzern sowie zur Beratungsstelle finden Sie hier: www.palliativ-luzern.ch

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