Marco Morosoli
Marco Morosoli
Der Vorspann eines Hollywood-Films aus dem Studio Paramount beginnt mit 22 Sternen, welche aus dem Nichts auftauchen. Einige dieser Himmelskörper kräuseln das Wasser eines Sees und gruppieren sich daraufhin um einen hohen Berg, der mit dem Matterhorn einiges gemein hat. Paramount heisst auf Deutsch überragend. Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler nahm das Wort «überragend» schon am 4. Februar 2021 in den Mund, als er die zweite Gewinnwarnung in der Geschichte des Kantons Zug publik machte. Die damalige Botschaft des Finanzdirektors: «Der Überschuss für das Jahr 2020 beträgt mehr als 250 Millionen Franken.»
Als Heinz Tännler am Mittwoch, 31. März, im Kantonsratssaal des Regierungsgebäudes am unteren Postplatz das Jahresergebnis 2020 präsentierte, lag der Überschuss des Kantons Zug bei 285,5 Millionen Franken.
Viele Schweizer Kantone schreiben schwarze Zahlen
Tännler bezeichnete den höchsten Überschuss in der Geschichte des Kantons Zug, und diesen gibt es immerhin schon seit 1848, als «sensationell», «fantastisch» und als «Sonnenschein trotz widriger Umstände». Die 285,5 Millionen Franken Überschuss entsprechen dabei fast einer Verdoppelung gegenüber dem Budget fürs Vorjahr. Für einmal ist das Zuger Ergebnis in der Schweizer Steuerlandschaft auf Stufe Kanton kein Einzelereignis. Mit positiven Zahlen warten die Kantone Zürich (499 Millionen Franken), Aarau (288 Millionen Franken), Basel Stadt (302 Millionen Franken), Luzern (212 Millionen Franken) und sogar Bern schreibt ein Plus (40 Millionen Franken). Zugs Finanzdirektor sprach «von prallvollen Kassen» und von Mitteln, um «den Wohlstand im Kanton Zug aufrechtzuerhalten».
Es sind verschiedene Faktoren, welche zusammen das «überragende Ergebnis» ergeben. So lagen die Personalkosten, der Sach- und Transferaufwand 33,5 Millionen Franken unter Budget. Ebenso bei den Abschreibungen gab es gegenüber dem Budget 2020 Korrekturen. Bei den Investitionsprojekten gab es hingegen einen Stau. So sei es, wie Heinz Tännler erwähnte, beim Projekt Umfahrung Cham Hünenberg nicht gemäss dem Zeitplan vorwärtsgegangen. Grund für diese Verzögerung: Ein Entscheid des Bundesgerichts. In die Zukunft blickend sagte Tännler, dass in den nächsten Jahren verschiedene Projekte früher oder später Baureife erreichen.
Der Kanton Zug lebt nicht von der Substanz
Diese Belastungen sollte der Kanton Zug aber stemmen können. Der Selbstfinanzierungsgrad des Kantons liegt bei 547,1 Prozent. Dazu sagte der Zuger Finanzdirektor: «Unsere Investitionen konnten wir mit den im Geschäftsjahr erwirtschafteten Mitteln finanzieren.» Auf die Zuger Selbstfinanzierungszahl dürften dabei manche mit Demut schauen. Was bei der Zuger Jahresrechnung auch noch auffällt, ist die robuste Bilanzstruktur und die hohe Liquidität. Das Finanzvermögen beträgt rund 2,4 Milliarden Franken. Das Eigenkapital weist der Kanton mit einem Wert von 1,3 Milliarden Franken aus.
Für das weiche Bett, in dem der Kanton derzeit liegt, sind gemäss Heinz Tännler verschiedene Faktoren massgebend. Der Anteil des Kantons an der Direkten Bundessteuer beträgt 2020 erstmals 21,2 Prozent (statt 17 Prozent). Diese Reduktion von Mitteln nach Bern ist eine Konsequenz aus der Steuer- und AHV-Vorlage. Auch die Beteiligung des Kantons am Überschuss der Schweizerischen Nationalbank spülte Geld in die Kassen des Kantons. Der Kanton hatte damit gerechnet, aus diesem Gewinntopf zehn Millionen Franken zu erhalten. Tatsächlich flossen 39,5 Millionen Franken. Unplanbare Ereignisse sorgten dafür gesorgt, dass die Erträge bei den juristischen Personen um 78 Millionen Franken höher ausfielen. Dazu im Vorabdruck der Kantonsrechnung 2020 nur, dass «zwei Unternehmen Immaterialgüterrechte und Beteiligungen veräussert und eine Gesellschaft ihre Geschäftsaktivitäten im Kanton Zug stark ausgebaut» hat.
Geld beim Bund parkieren und so Negativzinsen sparen
Diese guten Zahlen bringen aber auch Probleme. So parkt die Finanzdirektion ihr zustehende Gelder vorerst beim Bund respektive der Nationalbank. So lassen sich Negativzinsen verhindern. Der beste Überschuss aller Zeiten überschattet natürlich auch die Coronakrise. Der Zuger Finanzdirektor sagt dazu:
«Wir sind gut gerüstet, um in Not geratene Unternehmen mit unserem Härtefallprogramm zu unterstützen.»
Auch den Menschen im Kanton Zug komme die vom Volk angenommene befristete Steuersenkung zugute. Dazu kämen die «flankierenden Abfederungsmassnahmen», so Tännler, damit «helfen wir den Einwohnerinnen und Einwohnern sowie den Unternehmen im Kanton Zug, die finanziellen Folgen des Coronavirus besser zu verkraften». Ob es Begehrlichkeiten über weitere Steuersenkungen gäbe, kontert Heinz Tännler so: «Wir gehen davon aus, dass keine Anträge in dieser Hinsicht kommen.» Denn: «Wir sind zwar gut aufgestellt. In einer Zeit, in der keiner weiss, was morgen oder übermorgen ist, müssen wir aber vorsichtig sein.»
Die im Zuger Kantonsrat in Fraktionsstärke vertretenen Parteien brachten gestern ihre Wünsche zur Gewinnverteilung an. Für FDP-Fraktionschef Michael Arnold (Baar) ist «ein intakter Staatshaushalt das Mass aller Dinge». SVP-Kantonalpräsident Thomas Aeschi betont, dass trotz dieses Überschusses angezeigt sei, weiterhin verantwortungsvoll mit den Steuergeldern umzugehen. CVP-Kantonalpräsidentin und Kantonsrätin Laura Dittli (Oberägeri) anmahnt, in zukunftsträchtige Projekte wie Zug+ zu investieren. Laut Kantonsrat Luzian Franzini (ALG/Zug) soll der Kanton das Plus in der Kasse dazu nutzen, «anderen Regionen in der Schweiz und auf der Welt unter die Arme zu greifen». SP-Kantonsrätin Barbara Gysel (Zug) fordert einen Wandel: «Wenn wir derartige Erträge haben, können wir mit unserer Tiefsteuerpolitik zurückfahren.»