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Zug

Der Chamer Josef Stöckli hat 50 Jahre lang den Kanton Zug mitgestaltet

Josef Stöckli feiert seinen 90. Geburtstag. Das bauliche Erbe des schaffenskräftigen Chamer Architekten prägt den Kanton bis heute. Der Jubilar blickt auf sein Leben zurück und erzählt von seiner Vision, wie sich der moderne Städtebau optimieren liesse.
Der Chamer Architekt Josef Stöckli wird 90. Der Lorzensaal - hier in dessen lichtdurchfluteten Foyer . als Teil der ortsbildbestimmenden Zentrumsüberbauung in Cham gehört zu seinen wichtigsten WErken im Kanton Zug. Bild: Stefan Kaiser, 27. Februar 2019
Die Oberstufenschulanlage Röhrliberg in Cham entstand in den 1970er-Jahren. Bild: Alois Ottiger
Die Waldmannhalle ist ein multifunktionaler Mehrzweckraum. (Bild: Guido Baselgia)
Die Überbauung Alpenblick in Cham aus den 1960er Jahren galt und gilt als Meilenstein in der jüngsten Architekturgeschichte. (Bild: Flying Camera)

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Er gehört zu denjenigen, welche die Architektur im Kanton Zug in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts am stärksten geprägt haben: Neben einer beachtlichen Anzahl an Wohn- und Bürohäusern wie auch gesamtheitlichen Überbauungen verdankt ihm der Kanton mehrere architektonische Glanzstücke, die hinsichtlich ihrer gelungenen Kombination von Ästhetik und Funktionalität überregional Anerkennung gefunden haben – und immer noch finden.

Die Waldmannhalle in Baar, der Laubenhof in der Stadt Zug, die Schulhausanlage Röhrliberg mit Hallenbad in Cham, die Arealüberbauung Städtli sowie die Zentrumsüberbauung mit Lorzensaal und vor allem die Überbauung Alpenblick ebenda sind als einige der Höhepunkte seines Schaffens im Kanton Zug anzuführen.

Am heutigen Tage feiert Architekt Josef Stöckli seinen 90. Geburtstag. Der gebürtige Chamer schaut auf ein halbes Jahrhundert reichen Schaffens dies- und jenseits der Kantonsgrenzen zurück – mit scharfem, selbstbewusstem und zuweilen kritischem Blick. Das war freilich nicht von Anfang an so. «Zu Beginn meiner Karriere war ich manchmal unsicher, was meine Arbeit betraf», erinnert sich der rüstige Rentner. Das änderte sich spätestens dann, als er nach seinem Studium in London die Gelegenheit bekam, im Büro des bedeutenden schottischen Architekten Sir Basil Spence (1907-1976) mitzuarbeiten und massgeblich beim Neubau der im Krieg zerstörten Kathedrale von Coventry mitzuwirken. «Diese Episode war sehr lehrreich und hat mir schliesslich zu grossen Chancen in meiner Heimat verholfen.»

Computerisierung hat das Handwerk verändert

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Josef Stöckli nach Ausführung einiger Wohn- und Geschäftshäuser in seiner Heimat mit der Überbauung Alpenblick einen seiner grössten und prestigeträchtigsten Aufträge erhielt. Bis heute sind die Hochhäuser am Nordufer des Zugersees silhouettenprägend und gelten überregional als Meilenstein in der jüngeren Architekturgeschichte.

In die Zeit deren Realisierung fiel schliesslich auch der Bau der bereits erwähnten Oberstufenanlage Röhrliberg mitsamt Sportanlagen sowie der Arealbebauung Städtli, zwei weitere namhafte und ortsbildbestimmende Projekte in der Gemeinde Cham, für die Josef Stöckli als verantwortlich zeichnender Architekt hervorgegangen war.

Eine persönliche Note und der ästhetische Anspruch seiner Projekte waren dem 90-Jährigen immer wichtig, sprich abgekupfert hat er bei seinen Ideenfindungen nie und nirgends. «Jedes einzelne Bauwerk war und ist vollumfänglich mein eigener Entwurf», betont er und beschreibt im selben Zuge, wie sich das Architektenhandwerk durch die Computerisierung verändert hat. «Heute geht damit alles viel leichter. Zu meiner Zeit hat man hingegen noch alles von Hand gezeichnet. Dadurch hatte man jedoch ein intensiveres Gespür für die Ästhetik des Bauwerks.»

Plädoyer für mehr Vielfalt in der Einheit

In seiner Heimat folgte Auftrag für Auftrag, und mit jedem einzelnen verfeinerte und vertiefte Josef Stöckli sein Handwerk. «Man wird mit dem Alter erfahrener», sagt er heute, «und auch kritischer.» So kommt es durchaus vor, dass Stöckli auf seinen häufigen Spaziergängen Details an seinen Bauten betrachtet und denkt, «das hätte ich noch besser machen können». Ohnehin ist der Jubilar ein aufmerksamer Beobachter seiner Umgebung, betrachtet insbesondere die bauliche Entwicklung im Kanton Zug und kommt zur allgemeinen Schlussfolgerung, dass die Bauweise und somit das Erscheinungsbild der modernen Quartiere durch Standardisierung «ein wenig verarmt» ist. «Die Orts- und Stadtbilder, welche die heutige Generation hervorbringt, befriedigen nicht besonders», findet Stöckli. Der heutige Städtebau sei zu heterogen – trotz guter Einzelleistungen.

«Mir scheint auch, dass viele Bauherren nach Individualität streben, um sich von der Nachbarschaft abzuheben», fährt Stöckli fort und erinnert sich abermals an frühere Zeiten:

«Damals war dieses Denken noch anders. Da nahm man eher Rücksicht auf die Umgebung.»

Sagt’s und fasst sein persönliches Ideal in vier Worten zusammen: Vielfalt in der Einheit. Als Beispiel nennt Stöckli funktionale Überbauungen, die äusserlich als Einheit wirken, aber so geschickt konzipiert sind, dass jede Wohneinheit ausreichend Raum für die individuelle Gestaltung findet und nicht einfach eine Wiederholung der anderen ist. «Verdichtetes Bauen bedeutet nicht schlechtere Architektur», betont er. «Wichtig ist, dass städtische Aussenräume erlebbar werden und bleiben. In so eng besiedelten Regionen wie dem Kanton Zug muss das Interesse der Allgemeinheit höher gewichtet werden als das Interesse des Einzelnen. Denn Zersiedelung ist in der Schweiz in der Tat ein grosses Thema: Das Individuum beansprucht hierzulande zu viel Platz.»

Hinsichtlich dessen vermisst Josef Stöckli in einigen der neuen Quartiere in der Region eine gewisse Ruhe und Harmonie. «Gut wäre, wenn man für das Wachstum der Städte faktisch einen Masterplan erstellen könnte. Heisst, die Ansprüche und Anforderungen eruieren, evaluieren und schliesslich sorgfältig geplant umsetzen – von entsprechenden Kommissionen überwacht.»

Aus Erfahrung weiss der Chamer, dass viele Architekten für so eine Vision der weitsichtigen Planung durchaus zu begeistern wären. Nur müssten sowohl Bauherrschaften wie auch die Politik diesbezüglich sensibilisiert werden. «Beispielsweise mit gelungenen Vorzeigeobjekten.»

In die 90er «hineingewachsen»

Der 90-jährige Chamer, der sein Lebenswerk Ende 2017 in Buchform veröffentlicht hat wird die Entwicklungen in seiner Heimat und auch ausserhalb weiterhin aufmerksam verfolgen, sich mit der Materie beschäftigen und den Austausch mit Berufsgenossen suchen, auch wenn er als Architekt selber nicht mehr aktiv ist. Zur Ruhe setzen mag sich der vierfache Grossvater nämlich nicht, zumal er sich sowohl geistig, wie auch körperlich fit fühlt und so auch seine familiären Verpflichtungen voll wahrnehmen kann und will. Wie 90 fühlen tut sich der emeritierte Architekt nicht, «ich bin da einfach hineingewachsen», sagt er fast schalkhaft. «Ich bin gesund und zufrieden.»

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