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Zug

Der Bedarf nach Nannys ist in Zug grösser als anderswo

Vermittlungsagenturen sehen dafür unterschiedliche Gründe – und eine Gruppe von Nannys warnt davor, ausgenutzt zu werden.
Ruth Nachmansohn kümmert sich um drei Kinder einer Stadtzuger Familie – und deren Haushalt. (Bild: Matthias Jurt (6. Februar 2020))

Fabian Gubser

Kochen, Spielen, Hausaufgaben machen: Nannys kümmern sich vollumfänglich um die Betreuung der Kinder. Im Gegensatz zu Babysittern arbeiten sie regelmässig und über eine längere Zeit hinweg für eine Familie. Eine klar definierte Berufsbezeichnung gibt es nicht. Ausser einem Lehrgang des Schweizerischen Roten Kreuzes gibt es keine spezielle Ausbildung für den Beruf. Entsprechend breit ist der berufliche Hintergrund von Nannys: Sie sind etwa Fachfrau Betreuung Kind, Spielgruppenleiterin oder Quereinsteiger.

Früher fand die Nanny-Suche oft auf Schwarzen Brettern oder über Bekannte statt. Seit einigen Jahren suchen Eltern vermehrt online nach der passenden Nanny. Der Kanton Zug ist dabei ein bedeutender Markt, wie eine kleine Umfrage bei Vermittlern zeigt.

Wenige Nannys leben im Kanton Zug

Der nach eigenen Angaben grösster Nannyvermittler der Schweiz ist «Babysitting24». Im Kanton Zug seien typische «Nanny-Anstellungen» beliebter als im Deutschschweizer Durchschnitt, sagt deren Marketing-Verantwortlicher Christoph Seitz. Durch das höhere Durchschnittseinkommen und die hohe Expat-Dichte seien mehr Haushalte in der Lage, die Kinder tageweise oder gar ganzzeitig von einer Nanny betreuen zu lassen. Expats könnten im Vergleich zu hiesigen Familien weniger stark auf Grosseltern zur Kinderbetreuung zurückgreifen und stammten häufig aus Ländern mit einer ausgeprägteren Nanny-Tradition.

Für Tanya Jeannet, die in Walchwil arbeitet, ist «Zug neben Zürich eines unserer wichtigsten Geschäfte». Sie ist für die Schweizer Abteilung der international tätigen Vermittlungsplattform Rockmybaby verantwortlich. Die Nachfrage sei schweizweit höher als das Angebot, speziell in Zug. Die Anfangslöhne der Nannys seien in Zug mit 30 bis 35 Franken pro Stunde im Vergleich zu Zürich mit 25 bis 35 Franken oft höher. Die Gründe: Wenige Nannys wohnten in Zug. Zudem seien hier die Lebenskosten höher und auch die Reisespesen, weil viele Nannys ausserkantonal leben. Bei Bedarf suche man auch gezielt im Ausland nach Nannys, sagt Jeannet.

Sie fand durch eine Bekannte zum Beruf

Und wie wird man Nanny? Im Fall von Ruth Nachmansohn durch Zufall. Sie ist seit viereinhalb Jahren Nanny und arbeitet bei einer Familie in der Stadt Zug. Die gelernte Drogistin war in einem Büro angestellt, bis sie eine Kollegin fragte, ob sie nicht für eine Bekannte als Nanny arbeiten möchte. Anfangs holte sie deren Kinder in einem 30-Prozent-Pensum «nur» von der Krippe ab. Heute arbeitet sie Vollzeit – noch immer für die gleiche Familie. Neben der Betreuung kümmert sie sich um den ganzen Haushalt.

«Das Schönste ist, die Entwicklung der Kinder mitzuerleben», sagt die 56-Jährige aus Affoltern am Albis. Man sehe, wie die Kinder das lernten, was man ihnen beibringe. Im Vergleich zu einem Hort habe man wahrscheinlich mehr Zeit für ein Kind und könne es folglich individueller fördern. «Es ist aber auch nicht immer leicht, jedem von ihnen gerecht zu werden.» Eine Herausforderung sei es, sich abzugrenzen, sagt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Beispielsweise, wenn man mit gewissen Entscheidungen in der Erziehung nicht einverstanden ist: «Ich musste lernen, dies zu akzeptieren.» So oder so ergebe sich aber eine schöne persönliche Beziehung.

42 Stunden arbeitet Ruth Nachmansohn pro Woche. Ihre Arbeitszeiten sind unregelmässig, Feierabend hat sie meist um 18 oder 19 Uhr. Damit könne sie gut umgehen, sie gesteht aber: «Das soziale Leben leidet.» Ihres finde am Wochenende statt, denn unter der Woche mache sie nie etwas ab. Mit ihrem Stundenlohn von 30 Franken ist sie zufrieden. Die Administration inklusive Sozialabgaben wird über eine Online-App abgewickelt. Sie besuchte vor zwei Jahren den Nannylehrgang des Schweizerischen Roten Kreuzes in Winterthur und absolviert jedes Jahr Weiterbildungen.

Vereinigung von Nannys leistet Aufklärungsarbeit

«Nicht alle Nannys haben einen korrekten Vertrag oder einen angemessenen Lohn – viele arbeiten schwarz», sagt Szasa Schaefer. Sie betreut selber Kinder und ist verantwortlich für die Website www.nannyverein.ch. Mit dieser möchte eine Gruppe von Nannys Berufskolleginnen erreichen und diese über ihre Rechte informieren – gerade auch solche aus dem Ausland, die von der Familie mitgebracht werden. Viele liefen Gefahr, ausgenutzt zu werden, sagt Schaefer. Kürzlich habe sie etwa ein Inserat in Zug für eine Nanny mit einem 58-Stunden-Wochen-Pensum gesehen. Dieses liegt über der geltenden Höchstarbeitszeit (siehe Box). In der Öffentlichkeit sei zudem noch stark die Meinung verbreitet, dass der Beruf für Frauen eine Freude sei und es genüge, eine kleine Entschädigung zu zahlen. Der auf der Website empfohlene Stundenlohn liegt zwischen 19.20 und 35 Franken.

«Zum Pflichtenheft der Nannys gehören alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Betreuung der Kinder», sagt Schaefer. Zusätzliche Arbeiten sollte man im Vertrag als solche festhalten. Es sei essenziell, dass sich die Nanny vergewissert, dass die Familie sie korrekt bei den Sozialversicherungen angemeldet hat und die Beiträge zahlt.

Der Wunsch der Nannys um Szasa Schaefer ist, dass sich die Berufskolleginnen gemeinsam stärker für ihre Rechte einsetzen.

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