Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Vor rund zwölf Jahren haben Sie die Geschäftsleitung der Zuger Kantonalbank angenommen. Die Finanzkrise schien damals in den letzten Zügen, auch jetzt bewegt die Welt eine Krise. Ist es für Sie speziell, in dieser Zeit in Pension zu gehen?Ein Unternehmen in dieser bewegten Zeit zu führen, ist spannend. In einer solchen Zeit kann sich ein Unternehmen von den Mitbewerbern abheben. Schade ist natürlich, dass es im Moment nicht möglich ist, meinen Nachfolger vielen Kunden persönlich vorzustellen. Und ich kann mich nicht persönlich verabschieden. Aber das ist weniger schlimm, Zug ist nahbar, man sieht sich immer wieder.Welche Veränderungen haben Sie beobachtet in diesen zwölf Jahren?Die Finanzindustrie als Ganzes wurde umgewälzt und verlor viel Vertrauen. Nach der Finanzkrise beziehungsweise zu deren Ende hin wurde für viele Kunden der persönliche Kontakt zu ihrer Bank wichtig. Durch die rasante Digitalisierung und der damit einhergehenden Anonymisierung wurde dieses Bedürfnis noch einmal verstärkt. Das Regionale, Lokale und Persönliche wurde wichtiger. Und damit auch die persönliche Beratung vor Ort.Davon dürfte die Kantonalbank profitiert haben.Richtig. Eine der grossen Stärken der Kantonalbank ist, dass wir vor Ort sind und Land und Leute kennen. Beispielsweise haben wir in allen elf Zuger Gemeinden eine Geschäftsstelle. Die Berater dort kennen einerseits die Kunden und anderseits die Gemeinde. Auf das Vertrauen in unsere Bank, welches beim Thema Geld schon immer wichtig war und an Bedeutung gewonnen hat, konnte gebaut werden. Auf diese Entwicklung mussten wir als Kantonalbank in den letzten Jahren allerdings auch reagieren und in Neuerungen investieren. Stichwort Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Diese Bereiche haben wir in den letzten Jahren gezielt gefördert und Experten eingestellt, die sich auch im internationalen Umfeld auskennen.Ist der Blick ins internationale Feld für die Zuger Kantonalbank wegen der Expats wichtig?Zum Teil ja. Wobei die Welt natürlich ganz grundsätzlich durch die Globalisierung näher zusammengerückt ist und auch Zuger sich mit ihren Finanzen auf internationalem Terrain bewegen. Expats haben allerdings weiterführende Bedürfnisse – wobei wir als Bank festgestellt haben, dass wir in Zug eher sogenannte Local Internationals als Expats haben. Also Menschen, die nach Zug gekommen sind, um ein paar Jahre zu bleiben und dann weiter zu ziehen, letztlich aber hier heimisch werden, weil ihnen Zug gefällt.Und Local Internationals haben andere Bedürfnisse als Zuger?Absolut, und zwar auf verschiedenen Ebenen. Das beginnt bei der Sprache, viele von ihnen sprechen kein Deutsch, worauf wir eingestellt sein müssen. Des Weiteren geht es den Local Internationals nicht nur um Unterstützung in der Finanz- und Vermögensberatung. Sie wollen den Kanton kennen lernen. Auch hier hilft natürlich wieder die lokale Verankerung unserer Bank. Im Bereich der Finanzen gilt es, die Local Internationals letztlich auch mit den schweizerischen Eigenheiten vertraut zu machen, wie beispielsweise der Altersvorsorge mit dem Drei-Säulen-System, welches im Ausland kaum bekannt ist.Zurück in die Schweiz. Andere Grossbanken wie die UBS und Credit Suisse schliessen Geschäftsstellen. Die Pandemie beschleunigt diese Entwicklung anscheinend. Ist das Filialsterben auch bei der Zuger Kantonalbank ein Thema?Eine Pauschalprognose für die nächsten zehn Jahre kann ich nicht geben. Mit dem Blick auf die Vergangenheit kann ich aber die Überlegungen nennen, welche die Zuger Kantonalbank sich bislang gemacht hat. An den Mitarbeitenden, die das Wissen des Lokalen haben und den persönlichen Kontakt pflegen, wollen wir unbedingt festhalten. Schliesst man eine Geschäftsstelle, spart man entsprechend lediglich die Mietkosten, denn das Personal wird an einem anderen Standort eingesetzt.Und ist die Bank nicht mehr in der eigenen Gemeinde vor Ort, besteht die Gefahr, dass der Kunde zur Konkurrenz wechselt.Genau. Das wollen wir vermeiden. Gerade weil wir eine Bank sind, die vom Lokalen profitiert, müssen wir diesen Vorteil stärken. Der beste Beweis, dass wir an unseren Geschäftsstellen festhalten, ist, dass wir in sie investieren. Jene in Cham wird derzeit renoviert, die Geschäftsstellen in Rotkreuz und im Herti-Zentrum haben wir letztes Jahr neu eröffnet. Als Nächstes steht der Umbau in Menzingen auf dem Plan. Diese Investitionen würden wir nicht vornehmen, stünde ein planmässiger Abbau auf dem Programm. Was sich bei den Geschäftsstellen geändert hat, sind die Öffnungszeiten für einen spontanen Besuch. Jene wurden teilweise reduziert, da die Kunden vieles online erledigen und die Besuche in der Bank abgenommen haben. Ein persönliches Beratungsgespräch auf Voranmeldung ist aber in jeder Geschäftsstelle immer möglich.Im Rückblick auf die zwölf Jahre – worin sehen Sie Ihren grössten Erfolg?In meiner Zeit als CEO konnte ich viele ausgezeichnete Mitarbeiter anwerben. Was nicht heisst, dass wir davor keine Experten im Haus hatten. Doch mit den beschriebenen Veränderungen musste der Personalbestand aufgestockt werden, wir brauchten Spezialisten. Dass die Zuger Kantonalbank ein Ort ist, an dem die Menschen gerne arbeiten, freut mich. Denn gute Mitarbeiter ziehen weitere gute Mitarbeiter an. Im Übrigen verbuche ich es durchaus als Erfolg, dass die Zuger Kantonalbank grosses Vertrauen der Kunden geniesst, während andere Banken Abstriche machen mussten, weil sie sich etwa aus Zug zurückgezogen haben oder nur noch Büroräumlichkeiten haben.Und was bereuen Sie?Kaum etwas. Wir hätten allerdings früher damit beginnen können, die Bedürfnisse der Local Internationals aufzunehmen und darauf zu reagieren.Wohin geht es für Sie jetzt? Mit 62 dürfte noch nicht aller Tage Abend für Ihr Berufsleben sein.Ich bin und bleibe Verwaltungsratspräsident der Viseca Holding AG, der grössten Kreditkartenherausgeberin der Schweiz, und werde mich wohl noch mandatsweise an anderen Orten einbringen. Ziel der Pensionierung soll aber schon sein, die neu gewonnene Zeit mit weniger Hektik zu geniessen. Zum Beispiel beim Drechseln, welches seit Jahren ein Hobby von mir ist. Zum Beruf wird das sicherlich nicht, aber wenn es wieder möglich ist, werde ich interessehalber vielleicht einmal einige Stücke auf einem Weihnachtsmarkt anbieten.
Pascal Niquille (62, wohnhaft in Oberwil) ist seit 2009 CEO der Zuger Kantonalbank und wird per 1. März an Hanspeter Rhyner übergeben.