notifications
Luzern

Dem Muttersaft sei Dank

Unser Autor hat jetzt den Genesenen-Status. Dass es ihm ganz ordentlich geht, schreibt er einem Aroniabeerensaft zu – und zudem einem «grauenhaften», selbst gebrauten Gemisch.
Das sind sie nun: die Aroniabeeren. (Bild: Kenneth Nars)

Hans Graber

Ab Samstag gelte ich offiziell als genesen. Zertifiziert. Ganz auf dem Damm fühle ich mich zwar noch nicht, aber diese Zeilen wurden ja am Freitag geschrieben, also noch nicht im Genesenen-Status. Wenn es am Samstag nicht besser sein sollte, tröste ich mich damit, dass ich mich ohnehin kaum je rundum wohlfühle. Muss auch nicht sein. Kerngesunde Senioren sind mir unheimlich. Mit denen stimmt doch etwas nicht.

Ich vermute, dass ich an der Fasnacht angesteckt wurde. Ich war nur kurz und nur an der Peripherie dabei, aber das Lokal war voll, und ich habe alte Bekannte getroffen. Nach langer Abstinenz wieder mal Küsschen da, Küsschen dort. Das hat anscheinend für nachfolgende kleine Fieberschübe gereicht, inklusive eines Schnupfens, der sich gewaschen hat. Ich habe mir eingeredet, von einer angenehmen Frauenperson angesteckt worden zu sein. Das hat mir die Tage des Dahinseuchens etwas erträglicher gemacht.

Bettlägerig war ich nicht, aber da ich gelesen hatte, dass es meist erst nach sieben oder zehn Tagen zu einer bedrohlichen Verschlechterung kommen kann, war ich schon etwas beunruhigt. Vorsorglich habe ich eine Flasche Aroniabeerensaft ausgetrunken. Muttersaft, um genau zu sein, ohne zu wissen, was das ist. Aber es weckt Vertrauen und ist offenbar «entzündungshemmend, immunstärkend, gut für Gehirn und Nerven». Letzteres wusste ich besonders zu schätzen. Ich hatte die Flasche aus einer Laune heraus vor etwa vier Jahren gekauft. Mindestens haltbar war der Inhalt bis «21. März 2022». Insofern war das Virus gerade noch rechtzeitig gekommen, sonst hätte ich ihn wegschütten müssen. Wäre schade gewesen um den Muttersaft. Allein schon sein Name verheisst halbwegs Heilung.

Ich schreibe es den Aroniabeeren und als Dreingabe wohl auch noch einem grauenhaften selbst gebrauten Zwiebel-Honig-Gemisch zu, dass es weder nach sieben noch nach zehn Tagen zu einer dramatischen Verschlechterung gekommen ist. Eine Spitaleinweisung hätte gerade noch gefehlt. Beim letzten Aufenthalt wurde mir etwas implantiert, zur Überwachung einer Körperfunktion. Nach dem kurzen Eingriff wurde mir in Aussicht gestellt, dass ich nach drei Monaten zu einem Kontrolltermin aufgeboten würde, um zu schauen, ob das Ding funktioniert und wie es mir geht. Seither sind zweieinhalb Jahre vergangen. Ein Aufgebot habe ich nie erhalten, und selber nachgefragt habe ich natürlich nicht. Ich habe mir angewöhnt, keine schlafenden Hunde zu wecken.

Ich glaube, man hat mich nicht vergessen. Eher verdrängt. Es gibt sicher einfachere Patienten als mich. Ich werde nicht unflätig, bin aber schon merklich von der Rolle und extrem aufgeregt, wenn ich vor einem Mann oder einer Frau im weissen Kittel stehe. Insbesondere, wenn zum Weisskittel auch noch das ärztliche Statussymbol Stethoskop locker zur Schau getragen wird. Da schnellt mein Blutdruck – normalerweise im grün-orangen Bereich – steil nach oben. Damals im Spital war’s wohl ein Allzeithoch. Obwohl das medizinische Personal sehr besorgt war deswegen, drängte ich auf umgehende Entlassung. Um vielleicht noch Schlimmeres zu verhüten, hat man dem Wunsch schliesslich stattgegeben und lässt mich seither in Ruhe. Sicher gut fürs Spital. Hoffentlich auch für mich.

Zumindest in Sachen Corona bin ich nun also genesen. Dass noch während des Abfassens dieser Zeilen die Gültigkeitsdauer des Zertifikats von 270 auf 180 Tage verkürzt wurde, stört mich nicht. Irgendwo krankt es sowieso immer. Nicht nur bei einem selbst. Manchmal ist praktisch die ganze Welt betroffen. Leider ist für solche Fälle noch kein Muttersaft erfunden worden.

Kommentare (0)