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Zug

Das Ungetüm scheint gezähmt: So wurde die wilde Lorze gebändigt

Die unberechenbare Lorze zwischen Ägeri- und Zugersee war vom Menschen mit einschneidenden Massnahmen gebändigt worden. Dazu waren aber mehrere Projekte nötig. Ein Blick zurück.
Die Lorze beim Jöchler in Baar im künstlichen Flussbett. Die Autobahn wurde im ehemaligen Bett erbaut. (Bild: Stefan Kaiser (8. Mai 2020))

Zoe Gwerder

Sie war wild – ein scheinbar unzähmbares Ungetüm. Die Lorze vom Ägerisee bis in den Zugersee sorgte bis in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts immer wieder für Überschwemmungen. Heute kaum noch vorstellbar riss damals der Fluss Häuser, Strassen, Brücken und gar die Schutzengelkapelle mit. Dass es heute kaum noch zu Überschwemmungen durch die Lorze kommt, hat seinen Ursprung 1934. Damals, am 9. September, wütete ein Unwetter, welches ein verheerendes Hochwasser zur Folge hatte. Die Lorze hinterliess Schäden von Unterägeri bis nach Baar, wo ganz Deinikon überflutet war.

Nach diesem Unwetter gab es erste ernsthafte Projektierungen, um die ungestüme Lorze zu bändigen. Der Krieg unterbrach die Planung allerdings, weshalb erst 1949 ein erstes Projekt vorlag – ein Projekt, welches auf den damaligen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen basierte. Da solche aber schnell nicht mehr aktuell waren, versandete es.

Erst der Strassenbau und später die Bestrebungen, die Autobahn zwischen Cham und Sihlbrugg teilweise im Flussbett der Lorze verlaufen zu lassen, gaben dem Hochwasserschutz an der Lorze nach 1960 neuen Aufschwung. Die Idee: diese ganz zu verlegen und den Fluss in einem «sauber» verbauten Flussbett zu führen. Im alten Flussbett – wo es nicht für die Autobahn benötigt wird – soll lediglich noch kleines Bächlein fliessen.

Gradlinig vom Jöchler bis zum Zugersee

1976 war es so weit. Über 40 Jahre nach dem verheerenden Unwetter und investierten 30 Millionen Franken lag die Lorze fertig in ihrem neuen Bett. Dieses beginnt im Bereich der Autobahnbrücke Jöchler – kurz nach den Baarer Schrebergärten – und endet beim Brüggli in der Lorze. Das alte Flussbett wird vom Jöchler bis nach Blickensdorf später von der Autobahn belegt. Weiter unten fliesst noch immer die alte Lorze als kleines Bächlein in ihrem ursprünglichen Lauf – welche seit 2009 nun auch mit Wasser aus der neuen Lorze gespeist wird und seit 2016 revitalisiert wurde.

Neuer Hochwasserschutz und Lebensraum

Seit diesem einschneidenden gradlinigen Eingriff und dem künstlichen Verbauen und Kanalisieren der Lorze wurde deren Flussbett in den Jahren danach wieder zunehmend geöffnet. 2009 beim Ortsteil Blickensdorf in Baar: eine Aufweitung der neuen Lorze mit Amphibienteich. Drei Jahre später waren auch die Bauarbeiten an der Lorze im Bereich der Höllhäuser bei der ehemaligen Spinnerei beendet. Dort war der ursprüngliche Kanal für rund 5 Millionen Franken aufgeweitet und wieder in seinen natürlichen Verlauf gebracht worden – jedoch so konzipiert, dass auch ein Hochwasser, welches statistisch alle 300 Jahre auftritt, im Flussbett bleiben sollte.

Dank dieser Aufweitungen ist die Lorze inzwischen nicht nur eine Grünader, die Zug über Baar mit Unterägeri verbindet. Sie ist Erholungsraum, Badeplatz und Begegnungsort zugleich – ohne aber alle paar Jahre wieder aus ihrem Flussbett zu treten. Das Ungetüm scheint gezähmt.

Die elfteilige Serie «Mensch vs. Natur» beleuchtet Projekte, deren geplante Eingriffe in die Landschaft die Emotionen hochkochen liessen. Im 3. Teil lesen Sie heute über die Verlegung der Lorze. Quelle: «Zug, natürlich», Peter F.X. Hegglin, 2008 / Industriepfad Lorze, Tafel 34, «Segen und Fluch des Wassers».

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