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Luzern

Das Pflegeheim als Abschiedsort: So gehen Luzerner Institutionen mit Angehörigen von Sterbenden um

Der Tod seiner Mutter lässt einem Luzerner keine Ruhe. Hat das Pflegeheim alles richtig gemacht? Diese Frage beschäftigt wohl viele Angehörige. Die Heime haben klare Vorgaben, wie und wann sie die Familie von sterbenden Bewohnern informieren.
Der Friedhof Friedental in der Stadt Luzern.
(Bild: Dominik Wunderli (25. Oktober 2018))

Sandra Monika Ziegler

Zeit heilt Wunden – nicht für den Mann, dessen 91-jährige Mutter vor fast zwei Jahren, wie er sagt, «plötzlich verstarb». In diversen Schreiben, die der Redaktion vorliegen, bittet er die Leitung des Luzerner Pflegeheims um Antworten zu dem plötzlichen Tod seiner Mutter. Denn: Vor dem Tod seien bei Nachfragen beim Pflegepersonal kaum akute medizinische Probleme gemeldet worden.

«Und dann plötzlich – drei Stunden bevor es soweit war – das Telefonat aus dem Altersheim. Ich solle vorbeikommen».

Das Heim selber erklärt auf Anfrage, der Mann sei vor dem Tod seiner Mutter fünfmal über deren Gesundheitszustand informiert worden. Der Sohn bleibt jedoch dabei, dass aus diesen Gesprächen nicht hervorging, dass seine Mutter in solch schlechtem physischen Zustand war. Der Mann sagt:

«Damals war noch kein Corona. Ich kam doch nicht auf die Idee, dass eine Erkältung tödlich endet.»

Auf sein Insistieren fanden diverse Schriftwechsel und zwei Gespräche mit der Betriebsleitung statt, unter anderem auch im Beisein eines Mitglieds der Unabhängigen Beschwerdestelle – ohne zufriedenstellende Antworten für den Sohn. Die Heimleitung hält weitere Gesprächsangebote aufrecht. Doch der Sohn sagt:

«Nichts macht meine Mutter wieder lebendig. Aber ich möchte zumindest wissen, was genau passiert ist».

So wollte er unter anderem wissen, ob das besagte Heim über genügend qualifiziertes Personal verfügt und ob der Mindeststellenplan eingehalten werde. Dazu hält das Heim in seiner schriftlichen Antwort fest, dass es vom Kanton keinen Mindeststellenplan gebe. Mit 20 Prozent Fachpersonal Tertiärstufe und 35 Prozent Fachpersonen Fage/Fabe weise man aber eine äusserst hohe Pflege-Fachqualifikation aus.

Der Kanton hat Dokumente – gibt sie aber nicht raus

Die Dienststelle Soziales und Gesellschaft (DISG) ist die kantonale Aufsichtsinstanz. Das besagte Heim werde regelmässig inspiziert, wird dem Sohn schriftlich mitgeteilt. Die Einsicht in die Dokumente der kantonalen Bewilligung wird ihm aber verwehrt – die Unterlagen seien für Dritte nicht zugänglich. Erhalten hat er einzig eine Kopie der Pflegedokumentation seiner Mutter und ein Gesprächsangebot zur Erläuterung. Eine Patientinnenverfügung lag keine vor.

Doch der Mann hat keine Hoffnung mehr, mittels Gespräch die gewünschte Klarheit über den Tod seiner Mutter zu erhalten. Die Fragen seien schriftlich gestellt worden – jetzt könnten nur noch die belegbaren schriftlichen Antworten folgen.

Dass Angehörige mit vielen unbeantworteten Fragen zurückbleiben, ist wohl kein Einzelfall. Doch welche Grundsätze gelten überhaupt, wenn es darum geht, die Familie über den nahenden Tod eines Heimbewohners oder einer Heimbewohnerin zu informieren?

Megger Altersheim hat eine Checkliste «Todesfall»

Beim «Sunneziel» in Meggen gibt es eine Checkliste «Todesfall», sagt Zentrumsleiter Christian Caflisch. Darin werde mit einem Prozessdiagramm aufgezeigt, was alles gemacht werden muss. Dieses Papier sei jedoch nur für den internen Gebrauch und nicht öffentlich. Informiert werden Angehörige und oder Kontaktpersonen von der Schichtverantwortlichen. Caflisch: «Diese Person benachrichtigt immer per Telefon, da es schneller und interaktiver ist.» In den meisten Fällen habe man genügend Vorlaufzeit:

«Plötzliche Todesfälle sind im ‹Sunneziel› eher selten.»

Christian Caflisch erklärt den Ablauf: Beim Eintritt wird eine Kontaktperson bestimmt. Bereits vor der Sterbephase wird festgelegt, wer primär kontaktiert werden soll und ob zum Beispiel auch nachts ein Telefon gewünscht ist. Doch wer entscheidet letztlich, dass es jetzt an der Zeit wäre, die Angehörigen zu informieren? Caflisch sagt dazu: «Der Tod hat seine eigenen Regeln. In diesem Prozess werden die Angehörigen mit einbezogen und unsere Philosophie ist, lieber einmal zu früh informieren als zu spät.» Eine wichtige Funktion hat dabei die Bezugsperson der Pflege. Christian Caflisch: «Diese Person steht mit den Angehörigen während dem ganzen Aufenthalt und auch im Sterbeprozess in Kontakt.»

Und wenn man gar keinen Kontakt wünscht?

Es gebe auch Bewohnerinnen oder Bewohner, die entweder keinen Kontakt mehr zu Angehörigen haben oder dies explizit nicht wollen – auch nicht in der Sterbephase. Dies werde respektiert, so Caflisch:

«Und nur der Bewohner entscheidet, was er möchte und was nicht, solange er dies noch selber entscheiden kann.»

Das ist auch das Vorgehen bei der Viva Luzern AG, wie Viva-Sprecherin Ramona Helfenberger bestätigt: «Bei Eintritt einer neuen Bewohnerin oder eines neuen Bewohners fragen wir persönlich nach, welche Person zu welchem Zeitpunkt über welches Ereignis informiert werden soll. Das ist unser Standard. Die Kontaktperson wird bei Bedarf telefonisch informiert.» Die Bezugspersonen sind in der elektronischen Dokumentation festgehalten.

Alarm schon bei erhöhter Temperatur

Auch im Zentrum Kirchfeld in Horw werden die genauen Informationsabläufe jeweils beim Eintritt individuell abgemacht, wobei die Bedürfnisse der Angehörigen sehr unterschiedlich seien, wie Geschäftsführer Marco Müller sagt: «Verändert sich der Gesundheitszustand, dann gibt es Angehörige oder Bezugspersonen, die bereits bei einer erhöhten Temperatur informiert werden wollen, andere erst bei starker Verschlechterung».

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