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Obwalden

Das Leben in der Obwaldner Nothilfe

Die beiden Eritreer, die nach Ablehnung ihrer Asylgesuche die Lehren abbrechen mussten, leben momentan in Sarnen. Warum sie weiter hoffen und wie ihr Leben nun aussieht, zeigt ein Besuch in der Nothilfeunterkunft.
Samuel, der unerkannt bleiben möchte, und Tesfaldet (re) in einem Zimmer der Nothilfeunterkunft. (Bild: Philipp Unterschütz (Sarnen, 31. Januar 2019))

Philipp Unterschütz

Die Ausdrucksweise mit dem Gebrauch des Wortes «mega» zeigt, dass der junge Mann aus Eritrea nicht nur Schuldeutsch gelernt hat, sondern offensichtlich auch rege mit jüngeren Schweizern verkehrt. «Es ist mega schlimm und sinnlos», sagt Tesfaldet (21), verstummt und blickt traurig auf die Platte des grossen alten Holztischs im Zimmer, das als Gemeinschaftsraum dient und in dem sonst einzig noch ein altes, abgewetztes Sofa steht. Zum Tisch gibt es zwar eine Eckbank, aber nur einen einzigen Stuhl. In einer Ecke des Zimmers liegen einige Hanteln. Es ist kühl.

«Wir sitzen den ganzen Tag herum, dürfen nichts machen. Man fängt an zu grübeln, das belastet.» Gemeinsam mit seinem Kollegen Samuel (25) lebt Tesfaldet nun seit fast vier Wochen in der Nothilfeunterkunft in Sarnen. Am 3. Januar mussten die beiden ihre Lehre als Metallbauer abbrechen und die Asylunterkunft Kägiswil verlassen, nachdem das Bundesgericht ihre Asylgesuche letztinstanzlich abgewiesen hatte und ihre Ausreisfrist abgelaufen war. Mittlerweile hat der Kanton auf eine Petition geantwortet, dass er aufgrund der bundesgesetzlichen Lage nicht helfen könne und einer im Kantonsrat hängige Interpellation dürfte das gleiche Schicksal drohen (wir berichteten).

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Dass die beiden in der Nothilfeunterkunft wohnen und nicht untertauchen, ist nur deswegen, weil sie immer noch hoffen, ihre Sache könnte sich doch noch zum Guten wenden. «Ein Kollege, mit dem ich in Kägiswil im Zimmer wohnte, ist nach dem Erhalt der Ablehnung verschwunden», erzählt Samuel. Er habe nichts mehr von ihm gehört, keine Ahnung, wo er hin sei.

Die Eritreer, die untertauchten, würden in der Regel die Schweiz verlassen und versuchten in einem anderen Land ihr Glück. «Viele kommen wegen des Dublin-Abkommens deshalb irgendwann wieder zurück – und landen wie wir in der Nothilfe», erklärt Tesfaldet. Mit dem Unterschied, dass ihre vorherige Aufenthaltszeit in der Schweiz verfallen sei. Das sei insofern wichtig, weil nach einem fünfjährigen Aufenthalt in der Schweiz ein Härtefallgesuch gestellt werden könne, sagt Samuel. Für ihn sei klar, dass er nur schon deshalb bis dann nicht untertauchen werde. Im April 2020 könne er sein Gesuch stellen.

Tesfaldet dagegen versucht, auf gerichtlichem Weg zu erreichen, dass er in der Schweiz bleiben darf. Sein Anwalt, für den er zuerst selber aus seinem Ersparten zahlte und dessen Kosten mittlerweile von einer Stiftung getragen werden, hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage eingereicht. Am Mittwoch hat er vom Anwalt die Kopie eines Schreibens des Staatssekretariats für Migration SEM an Obwalden erhalten, worin der Kanton aufgefordert wird, «von jeglichen Massnahmen im Hinblick auf den Wegweisungsvollzug abzusehen». Die Situation ändere sich deswegen allerdings nicht, sagt das kantonale Amt für Migration auf Nachfrage. Tesfaldet darf seine Lehre nicht wieder aufnehmen.

Als die beiden nach Freiwilligen- oder Gemeinnützigen-Arbeit bei der Gemeinde fragten, hätten sie die Auskunft erhalten, das gehe aus gesetzlichen Gründen nicht, zudem würden sie die Schweiz erst recht nicht verlassen, wenn sie Arbeit hätten.

Zehn Franken täglich müssen reichen

In der Nothilfeunterkunft in Sarnen leben in den spartanisch eingerichteten Zweier- und Dreier-Zimmern neben fünf Eritreern auch abgewiesene Asylbewerber aus Sri Lanka, Tibet und Äthiopien. Einer habe erzählt, dass er schon sieben Jahre hier sei, ein anderer fünf Jahre, erzählt Samuel. Die Unterkunft sei in Ordnung, sagen die beiden, die sich bewusst sind, dass sie es in Obwalden besser haben als etwa in Luzern, wo die Bewohner die Nothilfeunterkunft auch im Winter tagsüber verlassen müssen.

Sie dürften den Kanton nicht verlassen, sagen Tesfaldet und Samuel. Als Unterstützung erhalten sie wie alle Mitbewohner als Nothilfe neben der Unterkunft je 10 Franken pro Tag und bei Bedarf medizinische Hilfe. Für die beiden, die bis im Herbst überzeugt waren, nach erfolgreicher Integration mit Lehrabschluss in der Schweiz bleiben zu dürfen, eine einschneidende Änderung. «Wir verdienten mit Lohn und Sozialhilfe 950 Franken pro Monat. Nun kommt einmal in der Woche jemand vom Sozialamt und drückt uns je 70 Franken in die Hand.» Das reiche, um genügend Lebensmittel kaufen zu können, erklären die beiden Eritreer. Hunger müssten sie nie haben. Manchmal könnten sie noch etwas für Kleider beiseitelegen. Gekocht wird gemeinsam mit den Zimmerkollegen in der Gemeinschaftsküche der Nothilfeunterkunft, wo es auch einen Kühlschrank und einen Herd gibt. Und gemeinsam finanzieren sich die Männer einen WLAN-Anschluss, ihre Telefonkosten müssen sie selber zahlen.

Das Gesetz, das besagt, dass sie nach Ablehnung ihres Asylantrags ihre Lehre nicht abschliessen oder arbeiten dürfen, obwohl man sie auch nicht zurückschaffen könne, verstehen sie nicht. «Eine Lehre wäre wichtig für uns, damit wir später etwas in der Hand haben», sagt Samuel. Und Tesfaldet ergänzt, es gebe viele Leute, die ihre Situation nicht verstehen würden und Vorurteile hätten: «Die denken, wir hängen nur rum und wollen ihr Geld. Dabei wollen wir arbeiten und für uns selber schauen.»

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