Reto Bieri
Lilian Bachmann, Sie sind seit rund 100 Tagen Präsidentin des Synodalrats, der Exekutive der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Luzern. Haben Sie sich gut eingelebt?Lilian Bachmann: Sehr gut. Ich hatte ja eine Vorlaufzeit, da ich das Amt vor fast einem Jahr aufgrund der Erkrankung meiner Vorgängerin Ursula Stämmer-Horst interimistisch übernommen habe. Zudem bin ich bereits seit fünf Jahren im Synodalrat. Diese Kontinuität ist ein Plus.Ihre Wahl an der Synodesitzung im November war allerdings eine Überraschung, da Sie nicht kandidiert haben. Das sorgte da und dort für Unmut. Unter anderem traten die Synodepräsidentin und der Vizepräsident zurück. Hat sich die Situation beruhigt?Wir stehen nach wie vor im Dialog mit den Mitgliedern der Synode wie auch mit den Kirchgemeinden. Meine Wahl war die Entscheidung des Parlaments. Erfreulicherweise haben nach den beiden Rücktritten mit Fritz Bösiger als Präsident und mit Norbert Schmassmann als Vizepräsident zwei erfahrene, ehemalige Synodepräsidenten übernommen. Sie bleiben bis zu den Gesamterneuerungswahlen im Juni im Amt.Treten Sie wieder fürs Präsidium des Synodalrats an?Ja. Vizepräsident Florian Fischer und Pfarrer Urs Becker stellen sich ebenfalls zur Wiederwahl. Daneben sind die beiden Departemente Recht und Finanzen neu zu besetzen. Bei der Synode ist die Eingabefrist am Montag der Vorwoche abgelaufen. Alle 60 Sitze werden voraussichtlich in stiller Wahl besetzt werden können, das ist sehr erfreulich.Das heisst, beim Kirchenparlament findet keine echte Wahl statt. Haben die Reformierten Mühe, genügend Personen zu finden?Nein, stille Wahlen sind im kirchlichen Kontext gängige Praxis, dies im Gegensatz zur weltlichen Politik.Welche Akzente konnten Sie seit Ihrer Wahl im Herbst setzen?Ein Höhepunkt war die Grossgruppenkonferenz vom 27. Februar, die wir mit 190 Personen per Zoom durchführten. Die Teilnehmenden diskutierten über die Rolle und Funktion der Kirche in der heutigen Gesellschaft. Ich habe mich sehr gefreut, dass sich so viele Menschen altersdurchmischt aus Kirche, Politik, Kultur, Wirtschaft, Verwaltung, Gesundheitswesen, Sport, Bildung und anderen Konfessionen sowie Glaubensrichtungen beteiligt haben. Der Anlass wurde virtuell durchgeführt. Hat das funktioniert?Es war wirklich super, meine Erwartungen wurden übertroffen. Die Teilnehmenden sind sieben Stunden lang drangeblieben, haben engagiert mitdiskutiert. Natürlich hätten wir gerne zusammen einen Kaffee getrunken, der physische Kontakt fehlt uns allen. Aber das virtuelle Format hat sich sehr gut für diese Konferenz geeignet. Leute aus der ganzen Schweiz konnten dabei sein, einige haben sich sogar aus den Ferien zugeschaltet.Wie lautet Ihr Fazit?Es wurde geschätzt, dass wir auf die Menschen zugehen und den Dialog suchen. Zum Ausdruck kam, dass die Kirche sich gesellschaftspolitisch einbringen soll. Die Breite der Teilnehmenden ist ein Ausdruck der Diversität in unserer Gesellschaft. Dieser Vielstimmigkeit wollen wir auch künftig Raum geben und den Dialog weiterführen.Was nehmen Sie sonst aus der Veranstaltung mit?Die wichtigsten Themen werden am 20. Mai an einer öffentlichen Ergebniskonferenz präsentiert. Zentrale Erkenntnisse werden in den Revisionsprozess unserer Kirchenordnung einfliessen. Eine Kernaufgabe bleibt die Seelsorge, während der Coronapandemie hat die Nachfrage zugenommen. Weiter wurde an der Konferenz verschiedentlich eingebracht, die Kirche solle mutiger auftreten. Ich erhielt viele Rückmeldungen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.Am Anlass war die fehlende Relevanz der Kirche ein Thema, gerade bei den Jungen.Ich mache die Erfahrung, dass die Jungen sich durchaus bewusst sind, was die Kirche leistet. Dass wir uns für den Schutz der Schwächsten einsetzen, für Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Ein Auftrag an uns ist aber, dass wir auf die jungen Menschen zugehen müssen, so wie an der Konferenz. Die teilnehmenden Jugendlichen haben es sehr geschätzt, dass sie auf Augenhöhe mitdiskutieren konnten. Anfügen möchte ich, dass die meisten Menschen bereit sind, über ethische und moralische Themen zu diskutieren. Von sich aus machen sie es aber oft nicht. Es braucht jemanden, der die Diskussion proaktiv anstösst.Trotzdem, die Kirchen erleiden einen Bedeutungsverlust, die Mitgliederzahlen nehmen seit Jahren ab. Wie kann man diesem Prozess entgegenwirken?Wieder mit dem gleichen Ansatz: Zu den Leuten gehen, bei den Menschen sein, den Dialog fördern, sich vernetzen und verbinden. Das Bedürfnis nach Halt und Orientierung ist vorhanden. Gerade in Krisenzeiten wird die Kirche stark wahrgenommen.Die Menschen suchen wegen der Coronapandemie vermehrt die Nähe der Kirche?Absolut.Die Menschen sind verunsichert, haben Ängste, da ist die Kirche ein sicherer Wert, ein Fundament, auf das man zurückgreifen kann.
Gerade in der Seelsorge ist die Kirche sehr gefragt, insbesondere in Alterszentren, Spitälern, Kliniken und Gefängnissen. Auf Kirchgemeindeebene sowie landeskirchlich leisten Pfarrpersonen, die Mitarbeitenden und Behörden sowie die Spitalseelsorgenden einen immensen Job. Ich bin sehr dankbar, dass sie sich so einsetzen für die Gemeinschaft.