Robert Knobel
Robert Knobel
Der Anteil des ÖV am Gesamtverkehr in der Agglomeration Luzern soll von 20 Prozent (2015) auf 30 Prozent im Jahr 2021 ansteigen. Dieses Ziel ist im kantonalen ÖV-Bericht 2018–2021 definiert. Jetzt liegt dessen Neuauflage vor – und die Bilanz ist ernüchternd:
«Die Ziele werden deutlich verfehlt»
, schreibt der Regierungsrat im Bericht an den Kantonsrat, der zurzeit in der Vernehmlassung ist. Zwar gibt es noch keine abschliessenden Zahlen, doch alle Erhebungen der letzten Jahre würden klar darauf hinweisen, dass der ÖV an Ort tritt. Schuld daran sei längst nicht nur die Pandemie, die eine Verlagerung vom ÖV zum Auto bewirkt hat. Denn auch vor 2020 sei der Anteil des ÖV kaum gestiegen. Dabei zeigt sich die Regierung selbstkritisch: Sie präsentiert die Zielverfehlung auch als Resultat einer Politik, die den ÖV zu wenig und den Autoverkehr zu stark fördere. Namentlich werden folgende Faktoren aufgeführt:
- Fehlende Busbevorzugung: Die Busse bleiben täglich im Stau stecken. Zwar gibt es Ampeln, die den Bussen Priorität einräumen. Doch es bräuchte viel mehr davon – und vor allem müssten geplante Projekte umgesetzt werden. Das sei auch eine Frage der Prioritäten.
- Das Auto wird attraktiver: Die Autobahnanschlüsse Buchrain und Rothenburg hätten zu einer besseren Erreichbarkeit der Agglomeration durch den Autoverkehr geführt. «Als Folge entstanden in deren Umfeld neue Störquellen und Verlustzeiten für den ÖV.» Insgesamt sei der Autoverkehr attraktiver geworden, während beim ÖV das Gegenteil der Fall war.
- Kantonale Sparprogramme: Aus finanziellen Gründen wurde das Angebot auf einigen ÖV-Linien reduziert. Das habe zu einer Rückverlagerung aufs Auto geführt.
- Teurer ÖV: Im Vergleich zur allgemeinen Teuerung sind die Preise im ÖV überproportional gestiegen. Beim Individualverkehr war es gerade umgekehrt.
Dass der Autoverkehr stärker zunimmt als der ÖV, sei schweizweit seit 2010 zu beobachten – was bedeute, dass «die verkehrspolitischen Ziele nicht erreicht werden». Der Bericht hält fest:
«Ohne aktives Gegensteuern driften planerische Vorgaben und die gemessene Realität immer weiter auseinander.»
Was die Regierung unter Gegensteuern versteht, erläutert sie im Bericht: autoarme Siedlungen fördern, Parkplätze reduzieren, Verzicht auf weiteren Strassenausbau, Busse konsequent bevorzugen. Solche Aussagen sind Wasser auf die Mühlen der Stadt Luzern, die eine Priorisierung von ÖV, Fuss- und Veloverkehr auf Kosten des Autoverkehrs fordert. Konkrete Wünsche sind bisher aber oft am Widerstand des Kantons gescheitert.
Der Handlungsbedarf ist gemäss Kantonsregierung nicht nur aus ökologischen Gründen dringend. Denn mit dem Bau des Bypass und des Durchgangsbahnhofs stehen dem Luzerner Verkehrssystem schwierige Jahre bevor: Der Bypass-Bau wird zu Behinderungen im Strassennetz der ganzen Agglomeration führen – mit Auswirkungen auf den Busverkehr. Und während der Bauarbeiten für den Durchgangsbahnhof wird möglicherweise das Angebot auf der Schiene reduziert. Die Bahnersatzbusse drohen, im Stau stecken zu bleiben.
30-Prozent-Ziel wird auf 2025 verschoben
Die verkehrspolitischen Ziele werden im neuen Bericht nun aktualisiert: Der 30-Prozent-Anteil des ÖV in der Agglomeration wird weiterhin angepeilt – statt für 2021 nun aber für 2025. In der Stadt Luzern soll der ÖV-Anteil von 42 Prozent (2015) auf 45 Prozent (2025) steigen. Der Fokus auf die ÖV-Förderung schlägt sich auch im neuen kantonalen Strassenbauprogramm 2023–2026 nieder, das sich in der Vernehmlassung befindet. Praktisch alle aufgeführten Projekte in der Agglomeration nützen in erster Linie dem Bus- und Veloverkehr. Auf den Hauptachsen zwischen Luzern und Emmen, Kriens und Ebikon sind diverse Massnahmen zur Buspriorisierung geplant.
Ob das ausreicht, um dem ÖV den nötigen Schub zu verleihen, bleibt abzuwarten. Und so drastisch der Handlungsbedarf im ÖV-Bericht auch geschildert wird – auf Anfrage tönt es beim kantonalen Baudepartement bereits viel unverbindlicher:
«Die konkrete Umsetzung der Massnahmen gestaltet sich aufgrund der zahlreichen Anforderungen und des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Strassenraums als schwierig.»
Deshalb brauche es eine Gesamtbetrachtung, in der die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmenden berücksichtigt werden. Dies strebt der Kanton derzeit mit dem Projekt «Zukunft Mobilität Kanton Luzern» sowie mit einer Gesamtverkehrsstudie im Hinblick auf den Durchgangsbahnhof an.
Die Mitte befürchtet Verkehrschaos in Emmen
Deutliche Worte wählt die Mitte Emmen. Sie befürchtet infolge der Grossbaustellen Bypass und Durchgangsbahnhof ein Verkehrschaos in Emmen. In ihrer Vernehmlassungsantwort auf den ÖV-Bericht fordert sie die Regierung auf, mit allen Mitteln eine Verlagerung des Verkehrs von der Autobahn auf Emmer Strassen zu verhindern. Dies auch im Hinblick auf die Wiedereröffnung des A2-Anschlusses Emmen Nord. Zudem soll der Bahnhof Emmenbrücke rasch ausgebaut werden, damit er als Umsteigeknoten den Bahnhof Luzern entlasten kann.
Verbesserungen für Emmen fordert auch der Gemeinderat Malters in seiner Vernehmlassungsantwort. So müsse spätestens 2025 eine direkte Busverbindung zwischen Malters und Seetalplatz in Betrieb sein.