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Luzern

Dagmersellen: Deponie-Gegner prüfen eine Stimmrechtsbeschwerde

Bei der Interessengemeinschaft «Stop Deponie Buchs» macht sich nach dem Ja zur Deponie-Erweiterung Ernüchterung breit. Die Gemeindeversammlung von Dagmersellen dürfte ein Nachspiel haben.
Die Deponie Hächlerenfeld in Buchs soll erweitert und bis 2041 weiterbetrieben werden. (Bild: Pius Amrein, 4. Juni 2018)

Evelyne Fischer

«Einmal mehr regiert das liebe Geld die Welt.» Roland Höltschi, Sprecher der Interessengemeinschaft «Stop Deponie Buchs» verhehlt seine Enttäuschung nicht. Trotz Website, Social Media, Flugblatt und Leserbriefen sowie engagierten Voten an der Versammlung vom Mittwoch hat eine knappe Mehrheit die Erweiterung der Deponie Buchs unterstützt. Die 2,3 Millionen Franken, die Dagmersellen von der Gasser AG als Betreiberin erhält, dürften mit ein Grund fürs Ja gewesen sein.

«Nach einer derart intensiven Zeit ist ein solcher Entscheid nicht von heute auf morgen zu verdauen», so Höltschi. Zugleich zeige das Verhältnis von 270 Nein- gegenüber 293 Ja-Stimmen: «Die Kampagne war erfolgreich. Wir durften auf die Solidarität aus den Ortsteilen Dagmersellen und Uffikon zählen.» Er hoffe, die Gasser AG spüre «die hohe Verantwortung», mit der sie die Deponie weiterbetreiben dürfe. «270 Leute werden ihr nun genau auf die Finger schauen.»

«Für diese Gemeindeversammlung wurden viele Trittbrettfahrer aufgeboten.»

Roland Höltschi, Sprecher der IG «Stop Deponie Buchs»


Ein Fragezeichen setzt Höltschi hinter den Aufmarsch von 565 Stimmbürgern. «Da wurden viele Trittbrettfahrer aufgeboten.» Mehr Anwesende hatte es zuletzt 1998: 584 waren es damals.

Stimmbürger haben sich wundersam vermehrt

Der Massenauflauf hatte den Hausdienst ins Schwitzen gebracht: Um alle unterzubringen, brauchte es zusätzliche Stühle. Letztlich standen die Bürger gar auf der Galerie, die Versammlung startete mit 20 Minuten Verspätung und 552 Anwesenden – auf diese Ziffer kamen die Stimmenzähler jedenfalls zu Beginn.

«Ich kann keine Garantie geben, dass nur Stimmberechtigte ihren Zettel in die Urne gelegt haben.»

Philipp Bucher, Gemeindepräsident (FDP)

Zu dieser wundersamen Vermehrung sagt Gemeindepräsident Philipp Bucher (FDP): «Bei wichtigen Geschäften kann es durchaus vorkommen, dass Bürger später hinzustossen. Bei einer Versammlung handelt es sich um ein offenes Verfahren.» Wer nicht stimmberechtigt war, hatte sich in die erste Reihe zu setzen. Bucher bat Auswärtige, sich zu outen. «Die Versammlung kontrolliert sich gemäss Stimmrechtsgesetz selber. Eine Garantie, dass nur Stimmberechtigte ihren Zettel in die Urne gelegt haben, kann ich nicht geben. Die Abgabe eines Stimmrechtsausweises ist bei uns nicht Usus.»

Bucher, der beim Präsentieren der Vorlage die Pro-Haltung des Gemeinderats mehrfach erwähnte, musste sich den Vorwurf gefallen lassen, sein Kollegium habe sich nicht neutral verhalten. «Der Bürger erwartet, dass ein Gemeinderat Position bezieht», kontert Bucher. «Unsere Auslegeordnung ergab: An der Erweiterung ist ein überwiegendes öffentliches Interesse vorhanden.»

Womöglich hat die Versammlung ein Nachspiel: Bucher erhielt am Donnerstag bereits eine Stimmrechtsbeschwerde – die mit dem Gemeinderat jedoch den falschen Adressaten erwischt hatte. Eine solche muss beim Kanton eingereicht werden. Auch Höltschi sagt, die IG werde «eine Beschwerde prüfen», geht aber nicht näher auf deren Inhalt ein.

Deponiebetreiberin: «Wir nehmen die Ängste der Bevölkerung ernst»

Markus Gasser, Geschäftsführer der Deponiebetreiberin Gasser AG, zeigt sich zufrieden über die «gesittete Diskussion». Geärgert haben ihn jedoch gewisse «Halbwahrheiten». Zu behaupten, künftig könne er «wertvollen Kies» abbauen, sei «Unsinn, da es sich dort nur um minderwertigen Sand und Kies handelt».

«Ich habe in den letzten 12 Jahren keine Reklamationen erhalten.»

Markus Gasser, Geschäftsführer Gasser AG


Aussage gegen Aussage stand es bezüglich Reklamationen: Während Bucher sagte, bisher seien «wegen der Deponie weder bei der Gemeinde noch beim Kanton Beanstandungen eingegangen», verlauteten einige Bürger das Gegenteil. «Auch ich habe in den letzten zwölf Jahren keine Reklamationen erhalten», sagt Gasser. «Gerade jene, die am lautesten gegen die Deponie geweibelt hatten, suchten nie das Gespräch.»

Er betont, man nehme die Ängste der Bevölkerung ernst. «Wir informieren die Begleitgruppe Deponie im Januar über die weiteren Schritte und behalten dieses Forum bis zum Ende der Deponie 2041 bei.» Als nächstes wird nun der Regierungsrat die Zonenplanänderung prüfen.

Stillschweigen über Abfindungssumme

Das liebe Geld sorgte auch andernorts für Unmut: Ein Bürger erkundigte sich an der Versammlung nach der Abfindung des früheren Gemeindeschreibers. Diese hatte unter anderem zum Rücktritt von Finanzvorsteherin Luzia Kurmann Schaffer (CVP) geführt, die am Mittwoch verabschiedet worden ist (Artikel vom 8. September). Gemeindepräsident Philipp Bucher äusserte sich nicht zur personalrechtlichen Vereinbarung. «Es wurde Stillschweigen vereinbart.»

Bucher gab zudem bekannt, dass der mit 2018 Franken dotierte Kulturbatzen, ein Anerkennungspreis, an die Gruppe Espera geht, die sich seit 2002 für die Förderung der Integration in der Gemeinde einsetzt.

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