Lukas Nussbaumer
Bewirbt sich Andrea Gmür um ein politisches Amt, wird sie gewählt. Das ist die Regel in der Karriere der 55-jährigen Stadtluzerner Politikerin. 2007 wurde sie auf Anhieb Kantonsrätin, nun im ersten Anlauf Ständerätin. Obwohl ihr viele nicht einmal die parteiinterne Nomination zugetraut haben. Doch sie stach ihre Mitinteressenten, Partei-Vizepräsidentin Yvonne Hunkeler und Kantonsrats-Fraktionschef Ludwig Peyer, aus.
Eine Ausnahme gibt es allerdings auch bei der Durchstarterin mit Toggenburger Wurzeln: Bei den Nationalratswahlen 2011 landete sie mit Platz 6 auf der CVP-Liste bloss im Mittelfeld ihrer Partei.
Am vergangenen Sonntag, dem 20. Oktober, nahm Gmür jedoch wieder den gewohnten Platz an der Sonne ein. Auch dies eher überraschend. Laut Umfragen hätte der Abstand zwischen ihr und Herausforderer Franz Grüter von der SVP viel kleiner sein müssen. Gmür distanzierte den Unternehmer aus Eich aber mit mehr als 16'500 Stimmen Vorsprung deutlich. Derart deutlich, dass sich alle verbliebenen Ständeratskandidaten für einen Rückzug entschieden. Entscheide, die Gmür mit Erleichterung begrüsst:
«Dafür danke ich den anderen Kandidaten. Sie beweisen damit Grösse.»
Rückendeckung von der ganzen Partei erhalten
Wer die verheiratete Mutter von vier Kindern auf ihr weitherum nicht erwartetes gutes Resultat im ersten Ständeratswahlgang anspricht, merkt schnell: Sie selber hat immer an den Erfolg geglaubt. «Ich habe im Wahlkampf gespürt, dass ich nicht so schlecht unterwegs bin», blickt Gmür auf den ihrer Ansicht nach fair verlaufenen Wettstreit unter den sieben Ständeratskandidaten zurück. Das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Franz Grüter um den zweiten Platz hinter dem bisherigen FDP-Ständerat Damian Müller sei vielleicht auch herbei geredet worden, sagt sie gelassen.
Genauso unaufgeregt versichert sie, die Diskussionen über einen möglichen Austausch ihrer Kandidatur durch einen der beiden Regierungsräte für den zweiten Wahlgang habe sie nicht getroffen. «Die Parteileitung hat mich jederzeit zu 100 Prozent unterstützt. Das gilt auch für die Basis.»
Weiterer Grund für ihr gutes Ergebnis und auch für den Erfolg der Partei sei der der CVP aufgedrückte Verlierer-Stempel gewesen. «Das hat uns angespornt, zu kämpfen. Und das hat die ganze Partei auch gemacht.» Zugute gekommen sei der CVP ausserdem die Geschlossenheit während der letzten Legislatur, sagt die Neo-Ständerätin:
«Im Gegensatz zu anderen Parteien mussten wir bei keinem Thema einen Schwenker machen.»
Mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Ständerat – aber auch mehr Verantwortung
Nun wechselt Andrea Gmür also nach vier Jahren von der Grossen in die Kleine Kammer. Schwingt da nicht auch etwas Wehmut mit? Natürlich werde sie Kolleginnen und Kollegen vermissen. Doch die Freude über den Wechsel ins Stöckli überwiege dies bei weitem. «Auf nationaler Ebene Politik betreiben zu dürfen, ist ein Privileg. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Im kleineren Gremium ist die Möglichkeit zu gestalten noch grösser, die Verantwortung aber ebenso.»
Gmür, die in der Grossen Kammer in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) sowie in der Rechtskommission sitzt, kann sich neben der ständerätlichen WBK auch ein Mitwirken in anderen Gremien vorstellen. Die Staatspolitische Kommission interessiere sie genauso wie die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen oder die aussenpolitische Kommission. Als Realistin weiss sie jedoch: Neulinge im Rat müssen den amtsälteren Mitgliedern den Vortritt überlassen.
Zu wenig wirtschaftsfreundlich? «Das ist Unsinn»
Immer wieder ein Thema im Ständeratswahlkampf war die Wirtschaftsfreundlichkeit der Kandidaten. Gmür wurde vorgehalten, ihr beruflicher Werdegang – sie ist Gymilehrerin, unterrichtet aber seit zwölf Jahren nicht mehr, und sie leitet seit 2007 die Geschäftsstelle der Josi J. Meier Stiftung – sei ein zu leichter Rucksack für das Amt einer Ständerätin. Zumal sie ihre politischen Schwerpunkte auf Bildungs- und Verkehrsfragen lege.
Ihr das Attribut «zu wenig wirtschaftsfreundlich» anzuhängen, sei «Unsinn», ärgert sich das Vorstandsmitglied der CVP-nahen Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft:
«Ich kann die Anliegen der Wirtschaft verstehen und unterstützen, auch wenn ich selber nicht in der Wirtschaft tätig bin.»
Sie könne umgekehrt nicht verstehen, wie Leute aus der Wirtschaft den für die Schweizer Wirtschaft essenziell wichtigen Rahmenvertrag mit der EU ablehnten und die wirtschaftsfeindliche Begrenzungsinitiative unterstützten. Zudem verweist sie auf ein Ranking der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz, in dem sie die Position der wirtschaftsfreundlichsten Ständeratskandidatin eingenommen hat.
Bundesrätin oder Regierungsrätin? «Nein, ein Legislativ-Mandat passt mir»
So erfolgreich Andrea Gmürs politische Karriere bis jetzt verlaufen ist, so bescheiden winkt sie bei der Frage nach weiteren Ambitionen ab. Es ehre sie zwar, wenn man sie als mögliche Bundesrätin ins Spiel bringe. Doch daran verschwende sie keine Gedanken. «In der neuen Legislatur bin ich voll und ganz Ständerätin.» Auch das Amt einer Regierungsrätin reizt sie nicht. Sie sei von ihrer Partei zwar schon als Kandidatin angefragt worden, habe aber Nein gesagt. «Ein Legislativ-Mandat passt mir sehr gut.»
Sie wisse natürlich, dass sie als Nachfolgerin von Konrad Graber in grosse Fussstapfen trete. «Diese möchte ich ausfüllen, und ich werde dafür Knochenarbeit leisten und so das Vertrauen der Luzerner Bevölkerung mir gegenüber rechtfertigen.» Es gelte nun, unser Land «endlich wieder nachhaltig, sozialverträglich und wirtschaftsfreundlich weiterzubringen, nachdem die Sicherung der Sozialwerke, die Europa-, Klima und Gesundheitspolitik in der vergangenen Legislatur blockiert gewesen sind». Dafür werde sie sich einsetzen.
Generationenwechsel mit Frauen in der Regierung
Als ehemalige und langjährige Präsidentin der städtischen CVP ist Gmür ihre Partei sehr wichtig. Deshalb freue sie sich besonders stark über die Erfolge am vergangenen Sonntag. Und blickt zuversichtlich in die Zukunft: «Die Junge CVP war die erfolgreichste Jungpartei im Kanton. Sie verfügt über ein riesiges Potenzial und wächst kontinuierlich. Zudem haben wir viele Frauen.» Diese würden für einen Generationenwechsel sorgen.
Damit meint sie die Luzerner Regierung. Die vierköpfige Luzerner CVP-Vertretung im Bundeshaus ist zwar mit einem Durchschnittsalter von 56,5 Jahren auch nicht gerade jung. Aber sie besteht mit Ida Glanzmann, Andrea Gmür und der für sie in den Nationalrat nachrückenden Priska Wismer zu 75 Prozent aus Frauen, während in der Regierung seit 2015 keine Frau mehr vertreten ist.