Es ist ein Drama. Am 11. März 2019 gerät ein Mann eines Grünabfuhr-Teams in Niederwil (Gemeinde Cham) unter einen Entsorgungslastwagen. Er zieht sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass er noch auf der Unfallstelle stirbt. Jetzt liegt das Urteil gegen den Fahrer des Grünabfuhr-Lastwagens vor, der beim Rückwärtsfahren nicht die nötige Vorsicht hat walten lassen.
Der Schuldspruch ist in der Form eines Strafbefehls ergangen. Der 50-jährige Fahrer bekommt wegen fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 100 Franken und eine Busse von 3000 Franken. Lässt er sich innerhalb von zwei Jahren nach dem Urteilsspruch nichts zuschulden kommen, muss er die Geldstrafe nicht bezahlen. Die Untersuchungskosten in der Höhe von 8660 Franken wie auch die Busse hat er jedoch an die Gerichtskasse zu überweisen. Das alles erschliesst sich aus dem Strafbefehl, der unserer Zeitung vorliegt. Ein Unfall mit Todesfolge mit einem Strafbefehl zu sanktionieren. Geht das? Sandra Peier, Sprecherin bei der Medienstelle der Zuger Strafverfolgungsbehörden, sagt: «In Artikel 352 der Schweizerischen Strafprozessordnung legt der Gesetzgeber fest, unter welchen Voraussetzungen ein Strafbefehl zu erlassen ist.»
Das Strafrecht setzt klare Regeln
In der Strafprozessordnung ist detailliert festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Strafbefehl die richtige Form für den Schuldspruch darstellt. Schlupflöcher gibt es, steht doch in Artikel 352, dass, wenn eine beschuldigte Person den Sachverhalt eingestanden habe oder dieser ausreichend geklärt sei, als Urteil ein Strafbefehl ausreiche.
Es besteht dabei noch eine zweite Hürde, um das Verfahren in einem Strafbefehlsverfahren auszusprechen: Es muss eine Busse ausgesprochen, eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen angeordnet sein oder aber eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten als genügend gelten. Mindestens ein Kriterium muss zwingend erfüllt sein. Beim vorliegenden Fall des Lastwagenlenkers des Entsorgungsdienstes sind zwei Kriterien erfüllt. Die Busse wie auch die Verurteilung zu einer in Tagessätze aufgestückelten Geldstrafe liegen vor.
Die Urteilsfindung ist auch mit den im Schweizerischen Strafgesetzbuch geregelten Tatbeständen abgestimmt, wie Sandra Peier betont: «Der Beschuldigte wurde vorliegend wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird gemäss Artikel 117 des Strafgesetzbuchs mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.»
Der dem Laien oftmals sehr schwer zu vermittelbare Umstand, dass auch bei einem Unfall, bei dem jemand tragischerweise zu Tode kam, ein Strafbefehl genügt, hat nichts mit Prozessökonomie zu tun. Es ist vielmehr vom eidgenössischen Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt.
Dass der Lastwagenfahrer für den Unfall verantwortlich ist, darüber lässt das Urteil keine Zweifel zu. Der Beschuldigte, hätte «bei genügender Beachtung der Seitenspiegel und der Rückfahrkamera den Abstieg des später zu Tode gekommenen Mannes sehen, reagieren und das Fahrzeug bei angepasster Geschwindigkeit (Schritttempo) rechtzeitig zum Stillstand bringen können». Mehr noch, die Kollision, so steht es im Strafbefehl, und die «daraus resultierende tödliche Verletzung», war für den Fahrer des Entsorgungslastwagens «voraussehbar».
Die Staatsanwaltschaft hält im Urteil fest: «Die Missachtung der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen, seine Unaufmerksamkeit und die nicht angepasste Geschwindigkeit waren geeignet, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine Kollision und damit die tödliche Verletzung des Mannes herbeizuführen.»
Die spröde Sprache des Strafbefehls
Die Sprache des Strafbefehl ist nüchtern. Diese Art der Abhandlung bar jeglicher Emotionen ist dann wohl auch eine der Ursachen, welche viele Leute nicht verstehen können.
Als neulich die «Basler Zeitung» von einem Fall berichtet hat, bei dem ein junger Erwachsner, der auf der Skipiste ein Kind totgefahren hat, seinen Schuldspruch als Strafbefehl erhalten hat, ist die Kommentarfunktion zum Artikel rege gebraucht worden. Viele können es nicht verstehen, dass der Skifahrer so milde bestraft worden ist. Eine Frau schreibt: «Eine härtere Strafe bringt niemandem etwas. Es bringt weder der trauernden Familie das Kind zurück, noch bringt es ihnen Frieden. Diesen werden sie erst finden können, wenn sie dem Täter verzeihen können.»