notifications
Luzern

Charmeoffensive der Armee: Luzerner und Nidwaldner Politprominenz auf Truppenbesuch bei den Infanteristen in Walenstadt

Der Luzerner Regierungsrat Paul Winiker lädt zum Truppenbesuch beim Infanteriebataillon 20 in Walenstadt. Die Armee-Kommandanten lassen die Gelegenheit nicht aus, für ihre Anliegen zu weibeln.
(Bild: Eveline Beerkircher, Emmen, 12. Juni 2019)
(Bild: Eveline Beerkircher, Emmen, 12. Juni 2019)
(Bild: Eveline Beerkircher, Walenstadt, 12. Juni 2019)
(Bild: Eveline Beerkircher, Walenstadt, 12. Juni 2019)
Karin Kayser und Paul Winiker unterhalten sich in der mobilen Einsatzleitzentrale. (Bild: Eveline Beerkircher, Walenstadt, 12. Juni 2019)
(Bild: Eveline Beerkircher, Walenstadt, 12. Juni 2019)

(Bild: Eveline Beerkircher, Walenstadt, 12. Juni 2019)

René Meier

«Mutz weg, Ohrenstöpsel rein und mir nach». Es sind markige Worte, mit denen Kreiskommandant Oberst Philippe Achermann die Delegation auf den Flugplatz Emmen bittet. Es ist Mittwochmorgen, 8.30 Uhr, Regen zieht durchs Land. Der Luzerner Justizminister Paul Winiker hat zum Truppenbesuch nach Walenstadt geladen, 35 Personen aus Politik und Wirtschaft folgten der Einladung. Es sollte eine Charmeoffensive der Armee werden.

Drei Super-Pumas nahmen die Gäste im Empfang. Einer der Chefpiloten ist Kurt Heiniger: «Wir müssen einen Umweg fliegen und den Weg durch den Regen suchen». Der 40-minütige Tiefflug via Stadt Zürich nach Walenstadt sorgte denn auch für viel Wohlwollen, müssen die Piloten doch deutlich unter der Wolkendecke fliegen, was für die eine oder andere Beobachtung in der Landschaft sorgte. An Bord waren neben Regierungsrat Reto Wyss mit Hildegard Meier-Schöpfer auch die höchste Luzernerin, Vertreter der Wirtschaft oder SC-Kriens-Präsident und Geburtstagskind Werner Baumgartner bis hin zu Vertretern von Gemeinden, wie Michaela Tschuor-Naydowski, Gemeindepräsidentin von Wikon, die vor dem Abflug ein Foto macht.

Gastrecht hatte die Nidwaldner Regierung, die mit Res Schmid, Karin Kayser, Sepp Niederberger, Michèle Blöchliger und Joe Christen sowie Kreiskommandant Theo Küchler erschien. Justizministerin Karin Kayser sagt, dass die Regierung Ausschau nach einem Truppenbesuch gehalten habe, deshalb sei die Einladung aus Luzern gerade zur rechten Zeit gekommen. «Solche Anlässe als Regierungsratskollegium müssten wir sowieso viel mehr machen» und löst bei ihren Kollegen ein Schmunzeln aus.

Eine kurze Ansprache von Philippe Achermann in Walenstadt bringt es dann auf den Punkt, was die Teilnehmer erwartet. «Ziel des heutigen Tages ist es, euch das Militär näher zu bringen». Es werde heute kein Showprogramm geben, aber die Armee will zeigen, was sie kann. Durch den Tag führt Hauptmann Simon Bieri, auch bekannt als Chef-Regisseur. «Heute erleben Sie den WK-Alltag ganz nah.»

In Walenstadt ist das Infanteriebataillon 20 an der Arbeit. Es besteht zu 58 Prozent aus Luzerner Armeeangehörigen, ergänzt von weiteren Angehörige der Armee von Obwalden bis Basel. «Ich bin sehr froh, einen solchen Gemischtwarenladen zu haben», sagt Thomas Ineichen, Oberstleutnant im Generalstab. Den Lacher des Tages erzielt er, als er sich als bekennender GC-Fan bezeichnet.

Unterbestand der Armee

Die Stimmung unter der Delegation ist locker. Angespannter ist die Situation bei der Armee. Nur gerade 19 Prozent der Schweizer Bevölkerung leistet Militärdienst, erinnert Ineichen. Das bereite ihm Sorgen. Es sollte nicht das einzige Mal an diesem Tag sein, dass das Wort Unterbestand fällt. «Dieser Unterbestand in dieser Dimension gibt auch mir zu denken», sagt die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger.

Militärdienst oder Zivildienst? «Im Moment haben viel zu viele einen Gewissenskonflikt», sagt Divisionär Hans-Peter Walser, Kommandant der Territorialdivision 2. Es sei extrem schwierig geworden, Junge für die Armee zu begeistern. Es brauche nicht nur Eltern, sondern auch Arbeitgeber, die alle am gleichen Strang ziehen würden. So lockt die Armee Offiziere mit Ausbildungsgutschriften, die für die zivile Ausbildung eingesetzt werden können. Und er appelliert an die Politiker: «Wir brauchen in den nächsten zehn Jahren 15 Milliarden Franken, um die Armee weiterzuentwickeln. »

Der Zeitplan ist sportlich. Nach der Theoriestunde geht es für die Delegation ins Freie. Es ist kühl und nieselt, richtiges Infanteriewetter eben. «Verschieben ins Gelände», so der nächste Befehl.

Plötzlich durchbricht ein Auto eine Fahrzeugkontrolle. Nach einem Warnschuss stoppt der Fahrer. Er zieht eine Waffe und versucht zu fliehen. Sofort wird er neutralisiert.

Es sind reale Situationen wie diese, welche das Inf Bat 20 übt. Das Infanteriebataillon schützt Personen, Material und Objekte bei Tag und Nacht, sichert und überwacht Räume, verteidigt aktiv und schaltet den Gegner im letztmöglichen Fall aus, im Militärjargon zernieren genannt.

Hüpfburg und Blackbox

Auch die Fahrzeugpalette der Armee wird der Delegation vorgestellt, Duros, Puchs, Sanitätsfahrzeuge. Sie alle stehen schön aufgereiht in Reih und Glied. Herzstück des Bataillons ist ein aufblasbares Zelt, liebevoll Hüpfburg genannt. Hier fallen im Ernstfall die wichtigsten Entscheide.

Auch eine mobile Werkstatt darf nicht fehlen. Die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger lässt es sich nicht nehmen und macht vor dem zu reparierenden Duro ein Foto von Kollegin Karin Kayser.

Was Divisionär Hans-Peter Walser «von dem wohl besten Armeeausbildungszentrum der Welt» in Walenstadt hält, zeigt sich kurz vor dem Mittag. Die Delegation wird durch die Kommandoleitzentrale, auch Blackbox genannt, geführt. Betrieben von der Ruag kann hier das komplette Gelände überwacht und jede einzelne Handlung, jeder Schritt, den der Soldat macht, und jeden Schuss, den er abgibt, auf Video und Computern noch einmal beobachtet werden.

Punkt 12.15 Uhr darf ein währschaftes Mittagessen nicht fehlen. Bei Salat, Gulaschsuppe, luzernisch auch «Tuusig-Bohnen-Ragout» genannt und Donuts hält Landammann Res Schmid eine flammende Rede für die Armee. Schmid, selbst 31 Jahre professionell für die Luftwaffe tätig, lobt die Nidwaldnerinnen und Nidwaldner, die stets unkritisch hinter der Armee stünden. Das habe sich zuletzt bei der Gripen-Abstimmung gezeigt, als 68 Prozent für die Beschaffung gestimmt hätten. Schmid appelliert an die Politiker auf nationaler Ebene, «jetzt endlich Farbe zu bekennen für die Militärpflicht». Die Schweiz sei neutral, aber «wir sollten uns nie auf andere verlassen».

Nach dem Mittagessen wird es nochmals Ernst: Übungsleiter Reto Wegmann appelliert an die Delegation, Gehörschutzpfropfen und die Schutzbrille zu montieren. «Bleiben sie beisammen, sonst werden sie noch Teil der Übung». Oder wie es Thomas Ineichen formuliert: «Jetzt sind die Soldaten richtig giggerig auf ihren Besuch».

Es ist ein Kleindorf, die im «Äuli» am Rand von Walenstadt für ein paar Dutzend Millionen Franken aufgebaut worden ist. Zwei Fussballfelder gross ist die Anlage, es gibt hier wie in jedem richtigen Schweizer Dorf ein Restaurant, diverse Häuser, eine Tankstelle und natürlich Zivilisten. Selbst die Bank hat eine Filiale.

Nur die Nebelpetarden, das Knallen von Übungsgranaten und die simulierten Gewehrschüsse wollen nicht in die ländliche Idylle passen. Hier bereitet sich die Armee auf den Ernstfall vor. Das Training ist echt, und weil es echt ist, ist es langatmig.

Bis das Dorf erobert sei, könne es Stunden dauern, sagt Chef-Regisseur Simon Bieri. «Je weniger Leute die Armee zur Verfügung hat, umso länger geht der Kampf.» Unterbestand eben. Prompt wird die Nebelgranate in die falsche Richtung geworfen,die Wirkung verblasst, weil auch der Wind stärker ist als berechnet. Der Gegner rückt vor.

«Das war sehr eindrücklich, was wir da zu sehen bekommen haben», sagt Michaela Tschuor-Naydowski, Gemeindepräsidentin von Wikon. «Gefreut hat es mich, dass ich auch Frauen in der Armee gesehen habe.» Für Hildegard Meier-Schöpfer war es «beeindruckend zu sehen, wie motiviert sich die Soldaten für unser Land einsetzen». Und für Karl Bucher, Verwaltungsratspräsident der Rigi-Bahnen AG, hat der Tag einmal mehr gezeigt, dass wir als Unternehmen unsere Mitarbeiter unbedingt der Armee zur Verfügung stellen müssen. «Die Soldaten sind hochmotiviert und stehen für gute Kollegialität untereinander», bilanziert Paul Winiker.

Für den Kanton Luzern sind übrigens keine Kosten entstanden, diese trägt das VBS, inklusive Flugkosten dreier Super Pumas. Für die Armee handle es sich um einen normalen Ausbildungstag, der im Rahmen des ordentlichen Flugbetriebs stattfindet. So seien diese Flugstunden bewusst eingeplant worden, um die Delegation zu einem Truppenbesuch zu transportieren, anstatt die Helikopter leer durch die Lüfte fliegen zu lassen.

Kommentare (0)