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Luzern

Bypass Luzern wurde gemäss Experte mit überholten Grundlagen geplant

Ein Gutachten im Auftrag von VCS und WWF Luzern empfiehlt, das Projekt neu zu beurteilen. Der Bund jedoch winkt ab. Die Verbände erwägen nun, dies vor Gericht einzufordern.
Die im Rahmen des Bypass-Autobahnprojekts geplante Einhausung beim Sonnenbergtunnel in Kriens. (Visualisierung: PD)
Anwohner Dominik Hertach kämpft vor Gericht für einen besseren Lärmschutz. (Bild: PD)

Stefan Dähler

Stefan Dähler

Die Zunahme des Autoverkehrs wurde bei der Planung des Autobahnprojekts Bypass Luzern überschätzt. Zu diesem Schluss kommt ein am Donnerstag veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Verbände VCS und WWF Luzern. Diese lehnen das Projekt, das 1,8 Milliarden Franken kostet und einen zweiten Autobahntunnel zwischen Kriens und Emmen Süd vorsieht, bekannterweise ab.

Erstellt wurde das Gutachten von Alexander Erath, Professor und Leiter des Fachbereichs Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er hatte bereits an jenem zur Spange Nord mitgearbeitet und war damals zu einem ähnlichen Schluss gekommen. Er schreibt im Gutachten, dass die Verbände die Fragestellung definiert, auf den Inhalt aber keinen Einfluss ausgeübt haben. Folgende Kritikpunkte macht er aus:

  • Die dem Bypass-Ausführungsprojekt zugrunde liegenden Verkehrsprognosen sähen eine zu starke Zunahme des motorisierten Individualverkehrs vor (bis 2040 um über 20 Prozent). Es seien teils sehr alte Daten und Verhaltensmodelle verwendet worden, etwa aus dem Jahr 2000. Entwicklungen wie die Auswirkungen des Durchgangsbahnhofs, vermehrtes Homeoffice oder abnehmende Mobilität der älteren Bevölkerung seien nicht oder zu wenig berücksichtigt worden.
  • Ebenfalls nicht richtig berücksichtigt wurde der Effekt, dass ein Kapazitätsausbau zu Mehrverkehr führt. Daher müsse man sich Gedanken machen, wie mit den durch den Bypass entstehenden «Überkapazitäten» auf der Autobahn umgegangen werden soll. Als Beispiele werden eine «Express-Busspur» oder der Rückbau von Spuren auf der Stadtautobahn (der heutigen A2) genannt.
  • Dritter Kritikpunkt sind die Klimakosten. Prognosen würden davon ausgehen, dass die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel viel stärker ansteigen als die jährliche Erhöhung um 3 Prozent, die in der Schweiz bei Kosten-Nutzen-Analysen von Strassenprojekten angenommen werden.

Das heisse nicht, dass das Bundesamt für Strassen (Astra) unseriös gearbeitet habe, sagt Erath auf Anfrage. «Es wurden die Modelle verwendet, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Prognose vorhanden waren.» Was ihn am meisten stört, ist, dass die sogenannten Zielwahleffekte ausser Acht gelassen worden seien – also der Mehrverkehr, der durch ein Projekt mittelfristig entsteht und dessen Nutzen wie weniger Staus wieder schmälert.

Eigene Prognosen zur Verkehrsentwicklung macht Erath nicht. Er empfiehlt, auf der Grundlage neuer Modelle nochmals Berechnungen vorzunehmen. Auch eine neue Kosten-Nutzen-Analyse für den Bypass wäre nötig, denn die bisherige beinhalte noch die inzwischen beerdigte Spange Nord. Weiter sei der Umgang mit den Überkapazitäten zu überprüfen.

Astra: Autobahnen sind schon heute überlastet

Das Astra lehnt eine Neubeurteilung ab, wie es auf Anfrage schreibt. Es sei stets mit den aktuellsten vorhandenen Modellen gearbeitet worden. Auch habe man eine «Neudurchrechnung des Projekts anhand des neusten Standes des Gesamtverkehrsmodells für den Kanton Luzern bereits durchgeführt».

Das Astra betont, dass die A2 und A14 schon heute an ihre Kapazitätsgrenzen stossen. Der überregionale Verkehr überlagere sich auf der Stadtdurchfahrt mit dem regionalen. Das führe zu Überlastungen in Spitzenzeiten. «Daran hat auch das Homeoffice nichts geändert.» Auch die neusten Prognosen sehen vor, dass der Verkehr zunimmt. Wie viel Mehrverkehr durch den Bypass entsteht, sei zudem ausgewiesen: Im Jahr 2040 liege dieser «in der Grössenordnung von 0,3 Prozent der Verkehrsleistung im gesamten Modellgebiet».

Gutachten als Grundlage für möglichen Gang vor Gericht

VCS und WWF dagegen sehen sich durch das Gutachten bestätigt: Der Bypass ist «veraltet, klimaschädlich, kontraproduktiv und damit unnötig», teilen sie mit. Im Gutachten steht das aber nicht explizit so. «Das ist klar, es handelt sich um ein unabhängiges Gutachten, das die Frage der Verkehrsmodellierung und Klimakosten beurteilt. Was das für das Gesamtprojekt bedeutet, ist unsere Schlussfolgerung», sagt VCS-Geschäftsführer Dominik Hertach. Das Gutachten diene nun als fachliche Grundlage für eine allfällige Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Ob man eine solche einreiche, sei noch offen. Derzeit sind die in der öffentlichen Auflage eingereichten Einsprachen noch hängig. «Aus dem Gutachten können wir juristische Argumente für eine mögliche Beschwerde ableiten», sagt Hertach. Es wäre denkbar, eine Neubeurteilung der Verkehrsprognosen zu verlangen, was wiederum Auswirkungen auf die Kosten-Nutzen-Analyse für das Gesamtprojekt hätte. Weiter gebe es politische Argumente: «Die Klimakosten wurden zwar normgerecht berechnet, aber es besteht ein politischer Druck, diese neu zu beurteilen.»

Auch Stadt Luzern könnte sich gegen Bypass wenden

Widerstand könnte es auch seitens Stadt Luzern geben. Diese fordert gewisse Anpassungen, begrüsst das Projekt aber grundsätzlich. Das könnte sich ändern, falls die Einsprachen der Stadt abgelehnt werden. Trifft dies ein, müsste der Stadtrat sich offiziell gegen den Bypass aussprechen. Dies hat das Stadtparlament am Donnerstag beschlossen. Eine entsprechende Bemerkung soll im Legislaturprogramm festgeschrieben werden. Die Stadt fordert zum Beispiel Anpassungen bei der Baustelle Dammgärtli oder der Lüftungszentrale im Gütschwald.

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