Die Baubewilligung liegt seit über vier Jahren vor. Die Pläne für ein Mehrfamilienhaus in Beckenried bestehen allerdings noch immer erst auf Papier. Und daran dürfte sich so bald nichts ändern, wie ein aktuelles Bundesgerichtsurteil zeigt. Eine zentrale Rolle im Rechtsstreit spielt neben einer Nachbarin, die sich gegen das Neubauprojekt wehrt, auch die Nähe zum Fahrlibach. Umstritten ist, ob dem Bach neben dem geplanten Mehrfamilienhaus genügend Platz bleiben würde. Ja, befanden Nidwaldner Regierungsrat und Verwaltungsgericht und stützten damit den Entscheid des Beckenrieder Gemeinderats. Nein, lautet hingegen die Antwort der Nachbarin, die sich mit einer Beschwerde ans Bundesgericht wandte.
Denn der sogenannte Gewässerraum wird besonders geschützt. Dabei handelt es sich um Streifen entlang der Ufer von Bächen und Flüssen, in denen nur ausnahmsweise gebaut werden darf, beispielsweise ein Fussweg oder eine Brücke. Die Kantone müssen den Gewässern genügend Raum gewähren, damit unter anderem der Hochwasserschutz gewährleistet werden kann. So sieht es das Gewässerschutzgesetz des Bundes vor.
Bach braucht mehr Platz
Das Nidwaldner Verwaltungsgericht räumte zwar ein, dass die Grösse des vorgesehenen Bereichs beim betroffenen Gebiet am Fahrlibach unter dem Minimalwert liege, rechnete aber noch den Abstand dazu, der zwischen Gebäuden und Bächen oder Flüssen eingehalten werden muss. So kam die Vorinstanz auf einen Gewässerraum, der die Mindestbreite übertreffe und den rechtlichen Vorgaben genüge. Daher urteilte das kantonale Verwaltungsgericht, das Mehrfamilienhaus dürfe wie geplant gebaut werden.
Der Entscheid hält vor der obersten Instanz des Landes jedoch nicht stand. Die minimale Breite für eine Gewässerraumzone werde im Bereich der Bauparzellen um mehrere Meter unterschritten, stellt das Bundesgericht fest. Der vorgesehene Streifen genüge somit den bundesrechtlichen Anforderungen nicht. Die obersten Richter kommen zum Schluss: Dem Bach müsse mehr Platz zugestanden werden, der aktuelle Gewässerraum reiche nicht. «Es ist unstreitig, dass Teile des Bauvorhabens in diesen hineinragen.»
Auch eine Ausnahmebewilligung könne nicht erteilt werden, heisst es im Urteil weiter. Dies wäre nur unter gewissen Umständen möglich, etwa zur Schliessung von Baulücken. Voraussetzung dafür wäre, dass es dem Gewässer auch auf lange Sicht keinen Nutzen bringen würde, wenn die Parzellen in Ufernähe unbebaut gelassen würden.
Ursprüngliche Pläne nicht umsetzbar
Das Bundesgericht hält ausserdem fest, der Gewässerraum entlang von Bächen und Flüssen sei möglichst freizuhalten. Ausnahmsweise könne davon abgewichen werden, sofern ein sachlich und objektiv begründetes Bedürfnis bestehe. Dies sei beim Beckenrieder Neubauprojekt nicht der Fall. «Vorliegend ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb die Bauparzellen ohne Inanspruchnahme des Gewässerraumes nicht sinnvoll überbaut werden könnten», urteilen die Bundesrichter und heissen die Beschwerde der Nachbarin gut. Aufgehoben wird neben dem Entscheid des Nidwaldner Verwaltungsgerichts auch die bereits erteilte Baubewilligung. Die Pläne für das Mehrfamilienhaus in Beckenried können somit in ihrer ursprünglichen Form nicht umgesetzt werden.
Hinweis: Das Bundesgerichtsurteil 1C_282/2020 stammt vom 10. Februar 2021.