Alexander von Däniken
Alexander von Däniken
«Geflügel im Trend» hat das Bundesamt für Statistik (BFS) kürzlich vermeldet. 11,9 Millionen Tiere sind 2019 gezählt worden, davon 11,8 Millionen Hühner. Die restlichen Tiere sind Truten, Enten oder Gänse. Die knapp 12 Millionen Tiere bedeuten einen Höchststand seit Erhebung des Geflügels in der Agrarstatistik 1918. Die meisten Hühner gackern in den Kantonen Freiburg, Bern und Waadt. Das BFS zählt dabei stets alle Tiere, also Hennen und Hähne zur Bruteierproduktion, Hennen zur Konsumeierproduktion, Mastpoulets und die jeweiligen Küken.
Im als Schweinekanton bekannten Luzern leben deutlich mehr Hühner als Schweine: Rund 1,1 Millionen gegenüber 426'000 Tiere waren es 2019. Und während der Schweinebestand in den letzten 20 Jahren um 17 Prozent zugenommen hat, war es bei den Hühnern ein Anstieg von 73 Prozent, wie folgende Grafik zeigt:
Auf tiefem Niveau, aber praktisch mit einer Verdoppelung seit 1999, sind die Biogeflügelbetriebe. Mittlerweile erfüllt fast jeder achte Betrieb mit Eier- oder Pouletproduktion die Bionormen. Vor 20 Jahren war es jeder 18. Betrieb.
Küken-Lieferant macht grosse Umsatzsprünge
Einer, der diese Zahlen bestätigen kann, ist Adrian Huber. Er leitet die Bibro AG in Sempach. Die Biobrüterei züchtet Ein-Tages-Küken und gibt sie an Lege- und Mastbetriebe. Huber sagt:
«Allein im letzten Jahr haben wir über 12 Prozent mehr Küken verkauft als im Vorjahr.»
Der Umsatz habe sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Die Bibro AG habe über ein halbes Dutzend grosse Kunden, die jeweils die Küken bestellen. Bis der Kunde eine eierlegende Henne habe, brauche es etwa zwei Jahre Planung. Adrian Huber rechnet mit einer Abflachung der Nachfrage in den nächsten Jahren – auf etwa 2 bis 5 Prozent pro Jahr. Innovationen seien schwierig abzuschätzen, am ehesten seien Entwicklungen bei der Früherkennung des Eis und im sogenannten dualen Huhn zu erwarten; also Tiere, die sowohl für die Eier- als auch Fleischproduktion eingesetzt werden können.
Gäbe es einen nationalen Geflügelhotspot, er wäre in Zell. Hier hat Bell den Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb für Schweizer Geflügel mit rund 500 Angestellten. Und die Produktion wird laufend ausgebaut, wie Mediensprecher Fabian Vetsch sagt. «2016 wurde die Zerlegerei umfassend erweitert und modernisiert. In der Schweiz ist der Konsum von Pouletfleisch in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und wir gehen davon aus, dass die Entwicklung positiv bleiben wird, insbesondere bei Freiland- und Biopoulet.»
Zwar sei das Pouletbrüstli nach wie vor das beliebteste Geflügelstück der Schweizer. Doch in den letzten Jahren sei die Nachfrage nach Convenience-Produkten stark gestiegen – und damit auch der Bedarf an weniger beliebten Teilstücken. Bell geht darum davon aus, dass Geflügel auch künftig eine wichtige Rolle in der Nahrungsproduktion spielt. Zumal diese sehr planbar ist, wie Mediensprecher Vetsch erklärt: «Im Rahmen der integrierten Tierproduktion bestehen mit den bäuerlichen Geflügelproduzenten langfristige, garantierte Abnahmeverträge. Dadurch ist die Produktion vom Brutei bis zum Poulet planbar und Produktionsengpässe oder gar Überschüsse können vermieden werden.»
Weniger Betriebe halten mehr Tiere
Der Geflügelboom ist dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband schon länger bekannt. Die Vorteile für die Landwirte liegen laut Geschäftsführer Stefan Heller auf der Hand:
«Sowohl die Pouletmast wie auch die Eierproduktion sind interessant. Ausserdem hat die Nachfrage nach Schweizer Poulets zugenommen.»
Wie in anderen Nutztierbereichen auch habe in den letzten Jahren eine Professionalisierung stattgefunden; weniger Betriebe halten mehr Tiere. Ein grosser Unterschied zum Beispiel zur Schweinemast sei hingegen die Zusammenarbeit mit den Abnehmern. Bei Geflügel seien die Landwirte von Anfang an mit einem Abnehmer bezüglich der Produktionsplanung in Kontakt.
Dem Geflügelboom sind auch Grenzen gesetzt, sagt Heller:
«Vorschriften zu Ammoniak-Emissionen, aber auch verschärfte Regeln in der Raumplanung führen dazu, dass der Trend abflacht.»
Tatsächlich ist die Zahl der Hühner im Kanton Luzern bereits auf 2019 etwas gesunken. Die Vorgaben von Kanton seien einschneidend, sagt Heller. Demnach müsste sich ein Landwirt zum Beispiel bei einem Stallausbau verpflichten, gesamtbetrieblich 20 Prozent weniger Ammoniak auszustossen, also vor der Realisierung, was gerade bei eher kleineren Betrieben kaum möglich sei.
Klima: Geflügel schlechter als Gemüse, aber besser als Rind
Auch Andrea Muff, Mediensprecherin des kantonalen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements (BUWD), führt die Zunahme bei der Produktion von Eiern und Geflügelfleisch auf die gesteigerte Nachfrage zurück. Das BUWD hat kürzlich den Klima- und Energiebericht präsentiert, der sich derzeit in der Vernehmlassung befindet. Eine zentrale Säule der Strategie, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken, spielt auch eine nachhaltigere Landwirtschaft. Andrea Muff sagt dazu:
«Geflügel und Schweinefleisch sind zwar klimaschädlicher als vegetarische Kost, aber deutlich weniger klimaschädlich als Produkte der Rindviehhaltung.»
Grund sei, dass Rinder Wiederkäuer sind und Methan ausstossen, Schweine und Hühner hingegen nicht. «Wichtig ist beim Geflügel, dass sowohl bei der Fütterung als auch bei der Energieverwendung im Geflügelstall Kriterien des Klimaschutzes beachtet und weiterentwickelt werden. Wenn das Futter für das Geflügel beispielsweise aus anderen Gegenden der Schweiz oder aus dem Ausland stammt, wirkt sich dies negativ auf das Klima aus.»
Im Planungsbericht über die Klima- und Energiepolitik des Kantons Luzern ist zudem aufgeführt, dass im Rahmen der Massnahmen für eine treibhausgasarme Produktionsstruktur geprüft werden soll, was der Anteil von extensiveren Produktionsformen, wie etwa Biolandbau, zur Reduktion des Treibhausgasausstosses beitragen könnte.