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Luzern

Bürgerliche und ein Grüner wollen Beizen im Kanton Luzern schon am 1. März öffnen

Fünf Luzerner Kantonsräte richten einen dringenden Appell an den Bundesrat, am 1. März nicht nur die Geschäfte, sondern auch die Restaurants inklusive Innenbereiche zu öffnen. Der Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf will davon nichts wissen, ebenso wenig die SP.
«Die Schweizerinnen und Schweizer wollen und können nicht monatelang wie in einem Bunker leben»: Hotelier und CVP-Kantonsrat Ferdinand Zehnder im Restaurant seines Hotels De la Paix in der Stadt Luzern.
(Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 22. Dezember 2020))

Lukas Nussbaumer

Am 1. März sollen die Läden wieder öffnen dürfen. Mindestens einen Monat länger warten müssen die Restaurantbesitzer. Das schlägt der Bundesrat in seinem Coronalockerungspaket vor, das er den Kantonen Mitte der letzten Woche zur Vernehmlassung unterbreitet hat. Die Luzerner Regierung begrüsst das geplante Vorgehen der Landesregierung grundsätzlich, möchte die Aussenbereiche von Restaurants jedoch schon am 1. März öffnen. Ausserdem verlangt Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf eine stärkere Berücksichtigung der schweren Coronakrankheitsverläufe und ein landesweit einheitliches Vorgehen bei den Lockerungen, wie er am Montag mitteilte.

Das reicht fünf Luzerner Kantonsparlamentariern nicht: Sie verlangen in einem dringenden Appell, dass am 1. März nicht nur die Geschäfte, sondern auch die Restaurants öffnen dürfen – inklusive Innenbereiche. Die überparteiliche Gruppe besteht aus dem Schenkoner Versandunternehmer Thomas Meier (FDP), dem Stadtluzerner Hotelier und Gastronomen Ferdinand Zehnder (CVP), der Udligenswiler Wirtschaftsprüferin Jasmin Ursprung (SVP), dem Luzerner Kulturvermittler und Hotelpächter Urban Frye (Grüne) sowie Andras Özvegyi, grünliberaler Bauingenieur und früherer Grossstadtrat aus Luzern.

Auch mentaler und wirtschaftlicher Druck belastet die Menschen

Thomas Meier betont, die vielen Widersprüche bei den Schutzmassnahmen würden nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen Leuten zunehmend Mühe bereiten. So würden Skifahrer regelrecht in die Seilbahnkabinen gequetscht, während Hotelgäste beim Essen weit auseinander sitzen müssten. Die Politik habe «darauf leider noch nicht reagiert».

Der Chef des Versandhauses Lehner ist als Verpächter des Restaurants Zellfeld in Schenkon auch selber in der Gastrobranche aktiv. Nimmt er für eine schnelle Öffnung der Innenbereiche von Restaurants eine dritte Welle in Kauf? Meier sagt:

«Nein, eine solche müssen wir unter allen Umständen verhindern. Deshalb legen wir ja auch grossen Wert auf Schutzkonzepte.»

Ausserdem würden die Impfungen eine allfällige dritte Welle flach halten. Den Vorwurf, er geselle sich mit der Forderung nach schnellen Lockerungen zur Gruppe der Coronaverharmloser, weist Meier weit von sich: «Eine Coronaerkrankung hinterlässt unbestritten Spuren. Doch auch der mentale und wirtschaftliche Druck auf die Leute ist enorm.»

Wettbewerbsverzerrung zwischen Hotels und Restaurants

Corona verharmlosen und den vielen coronamüden Leuten nach dem Mund reden: Das will auch Urban Frye nicht. Der Grüne-Kantonsrat ist seit März 2020 Pächter des Hotels Bergsonne auf Rigi Kaltbad, gehört also wie Thomas Meier zu jenen, die von den Coronamassnahmen in besonderem Masse betroffen sind. Frye plädiert für eine baldige Öffnung der Innenbereiche von Restaurants, weil er die grösste Gefahr inzwischen darin ortet, dass die Zustimmung von breiten Kreisen der Bevölkerung zu den Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit laufend abnimmt. «Viele Einschränkungen sind nicht nachvollziehbar», sagt der Kulturvermittler – und nennt das folgende Beispiel:

«In meinem Hotel mit 50 Betten können wir Leute beherbergen und verpflegen. Das Restaurant neben uns, das die gleichen Schutzvorkehrungen hat wie wir, darf keine Gäste empfangen. Das ist eine Verzerrung des Wettbewerbs und sorgt für Unmut.»

Genauso viel Widersprüchliches vorhanden sei in der Regel, Güter des täglichen Bedarfs verkaufen zu können. Während ein Blumenladen offen haben dürfe, müsse eine Buchhandlung seit zwei Monaten geschlossen bleiben. «Das versteht niemand», sagt Frye. Und betont gleichzeitig, er setze die geltenden Massnahmen konsequent um.

Gastrounternehmer betonen ihre soziale Verantwortung

Dass die Moral in der Bevölkerung sinkt, stellt auch CVP-Kantonsrat und Hotelier Ferdinand Zehnder fest:

«Die Schweizerinnen und Schweizer haben gelernt, mit dem Virus umzugehen. Sie wollen und können nicht monatelang wie in einem Bunker leben.»

Zudem hätten Gastrounternehmer wie er auch eine soziale Verantwortung gegenüber den Gästen und ihren Mitarbeitenden wahrzunehmen.

Die soziale Verantwortung für die Mitarbeiter in der Gastronomie und im Detailhandel ist auch SVP-Kantonsrätin Jasmin Ursprung ein Anliegen. Sie sorgt sich um die Lernenden, die durch den Lockdown in ihrer Ausbildung gebremst würden. Ursprung fragt sich:

«Wofür haben Unternehmen und Gewerbe Hunderte von Millionen Franken in Schutzmassnahmen investiert?»

Für GLP-Kantonsrat Andras Özvegyi sind die gesundheitlichen Risiken einer Aufhebung des Lockdowns jetzt kalkulierbar:

«Wir alle schützen uns und andere mit Hygienemitteln, Schutzmasken und Abstand. Das sollte reichen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.»

Das glauben offenbar auch mindestens 13'127 Luzernerinnen und Luzerner. So viele haben eine Petition des Zürcher Jungfreisinnigen Leroy Bächtold unterschrieben, welche die sofortige Aufhebung des Lockdowns fordert. Landesweit konnte Bächtold dem Bundesrat letzte Woche 244'712 Unterschriften übergeben.

SP-Fraktionschef bezeichnet Totalöffnung als «verantwortungslos»

Nichts vom Appell der fünf Kantonsräte hält SP-Fraktionschef Marcel Budmiger. Die geforderte Totalöffnung sei «verantwortungslos und würde die hart erkämpften Fortschritte der letzten Wochen zunichtemachen». Es gelte, einen Jo-Jo-Effekt zu verhindern. Und das gehe nur mit gezielten Öffnungsschritten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Lage.

Die epidemiologische Lage sei zudem der Massstab für die Öffnung der Aussenbereiche von Restaurants, so Budmiger. Aus wirtschaftlicher Sicht sei die Teilöffnung nicht unproblematisch, da sie zu einer enormen Ungleichbehandlung der Restaurants führe. Deshalb seien die von der SP seit Beginn geforderten finanziellen Hilfen so wichtig. Denn: «Nur mit geöffneten Aussenbereichen ist ein wirtschaftlicher Betrieb kaum möglich.»

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