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Luzern

Braucht es Ernährungstipps aus dem Stadthaus?

In Luzern wird am 23. September über den Gegenvorschlag zur «Veganer-Initiative» abgestimmt. Dieser verlangt, dass sich die Stadt für eine nachhaltige Ernährung einsetzt. Im Parlament setzten sich die Linken knapp gegen die Bürgerlichen durch.
Mario Stübi (Bild: pd)
Fabian Reinhard (Bild: Pius Amrein)

Das Luzerner Stadtparlament will das Energiereglement anpassen. Dies als Gegenvorschlag zur Initiative für nachhaltige Ernährung, welche von Science Politics eingereicht worden war. Die Initiative wurde aufgrund des Gegenvorschlags, der am 23. September vors Volk kommt, zurückgezogen. Bei der Abstimmung geht es darum, das städtische Energiereglement um folgende Absätze zu ergänzen: Die Stadt leistet «einen Beitrag zur Reduktion des mit der Ernährung sowie mit dem Konsum von weiteren Gütern und Dienstleistungen verbundenen Energie- und Ressourcenverbrauchs (graue Energie), insbesondere über die Bautätigkeit, das Beschaffungswesen und durch Information und Kommunikation». Weiter muss sich die Stadt für «die Förderung der nachhaltigen Ernährung und die Information über den Einfluss der Ernährung auf das globale Klima und die Umwelt» einsetzen. Das heisst, die Bevölkerung soll sensibilisiert werden.

Pro: Mario Stübi, Grossstadtrat SP

Haben Sie gewusst, dass knapp ein Drittel der durch Menschen verursachten Umweltbelastung in der Schweiz auf unsere Ernährung zurückzuführen ist? Ich bin zufällig über diese Zahl gestolpert, und Sie? Schon sind wir beim Kern dieser Abstimmung. Das Energie- und Klimareglement – bereits 2011 deutlich von den Luzernerinnen und Luzernern angenommen – soll um zwei Artikel ergänzt werden, die uns alle über graue Energie und nachhaltige Ernährung in Kenntnis setzen sollen.

Zu den Begriffen: Graue Energie bezeichnet jene Energiemenge, welche etwa für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produkts oder für das Erbringen einer Dienstleistung aufgewendet wird und in unserer Wahrnehmung oft vergessen geht. Sie liesse sich durch unser Konsumverhalten und in der Bauwirtschaft oder beim Beschaffungswesen reduzieren.

Nachhaltige Ernährung meint im Grunde saisonal und regional einkaufen, tierische Lebensmittel mit Mass konsumieren und Nahrungsabfälle vermeiden.

Es geht also um die Information von uns Bürgerinnen und Bürgern, ums Vermitteln von Tipps und Fakten – um mehr nicht. Wer etwas anderes behauptet, hat das Reglement nicht gelesen. Auch bei einem Ja kann niemandem von uns vorgeschrieben werden, was sie oder er zu essen hat und was nicht. Oder würden Sie sich etwa von irgendeiner Behörde vorschreiben lassen, was es ab jetzt zu essen gibt? Eben, ich auch nicht.

Das Ziel ist viel mehr, dass Sie und ich so gut informiert sind, dass wir bessere Konsumentscheide treffen können. Und zufällig ist das auch noch gut für unsere Wirtschaft. Denn was hilft der hiesigen Landwirtschaft und dem Gewerbe mehr, als wenn wir, die hier wohnen, ihre Produkte und Dienstleistungen beziehen? So bleibt die Wertschöpfung in der Region und auch die Umwelt freut’s. Gastronomen, Bauern, Handwerker: Alle würden bei einem Ja profitieren.

«Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral», heisst es in Brechts Dreigroschenoper. Wollen wir das? Was wir brauchen, sind keine Moralpredigten, sondern eine sachliche Informationspolitik von unabhängiger, vertrauenswürdiger Seite. Wir haben mit einem Ja die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen – und dieser hat sich schliesslich im Sommer erneut spürbar bemerkbar gemacht.

Contra: Fabian Reinhard, Grossstadtrat FDP

Der Stadtrat hat nach Meinung der FDP-Fraktion völlig unnötig auf die vom Stadtparlament abgelehnte Initiative von Sentience Politics «Nachhaltige und faire Ernährung» reagiert. Weil er deren Ziele unterstützt, hat er dem Grossen Stadtrat einen Gegenvorschlag unterbreitet, der wenig mit dem Volksbegehren der in Basel domizilierten Institution zu tun hatte. Wir haben uns deshalb im Parlament gegen den stadträtlichen Vorschlag ausgesprochen. Leider sah das eine knappe Mehrheit anders und fügte – notabene gegen den Willen des Stadtrates – sogar noch zwei Ergänzungen hinzu. Damit war für uns der Bogen überspannt. CVP, FDP, SVP, Gastro Luzern und Luzern Hotels haben das Referendum ergriffen. Die Unterschriften waren rasch beisammen.

Für uns gibt es mehrere Gründe, die Vorlage abzulehnen, obwohl auch wir wirksame und sinnvolle Massnahmen zum Energiesparen sowie zum Umwelt- und Klimaschutz befürworten. Wir halten es hingegen schlichtweg nicht für eine Aufgabe des Staates, nachhaltige Ernährung zu fördern und die Bevölkerung über den Einfluss der Ernährung auf das globale Klima sowie die Umwelt zu informieren. Wir wehren uns gegen eine solche Bevormundung und wollen selbst entscheiden, was wir essen. Es gehört zu unserer liberalen Grundhaltung, dass wir auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen.

An Informationsmöglichkeiten fehlt es ja beileibe nicht. Als nächsten Schritt kämen dann voraussichtlich Essvorschriften aus dem Stadthaus. Einen ersten Hinweis auf diese Entwicklung hatten wir bereits, als die Stadt Ende des vergangenen Jahres im Rahmen der Massnahmen für eine 2000-Watt-Gesellschaft die Bevölkerung mit einer Plakatkampagne auf den Umwelteinfluss der Ernährung aufmerksam gemacht hat.

Auf nationaler Ebene gibt es bereits eine vom Bund erlassene Ernährungsstrategie 2017 – 2024, in der es um nachhaltige Lebensmittel und die Gesundheit der Menschen geht. Deshalb finden wir es völlig unnötig, zusätzliche Regelungen für die Stadt aufzustellen.

In Basel hat das Volk die Initiative von Sentience Politics an der Urne mit 67 Prozent abgelehnt. Hoffen wir doch, dass es in Luzern dem Gegenvorschlag mit der harmlosen Bezeichnung ebenso ergeht und die Luzernerinnen und Luzerner Nein sagen zur Teilrevision des Reglements für eine nachhaltige städtische Energie-, Luftreinhalte- und Klimapolitik (Energiereglement).

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