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Kanton Luzern

Bewilligungspflicht fürs Betteln: Stadt Luzern übt Kritik, Parteien äussern Vorbehalte

Der Kanton Luzern muss sein Bettelverbot lockern. Der Regierungsrat schlägt vor, eine Bewilligungspflicht einzuführen. Das kommt nicht überall gut an.

Portrait of homeless man begging outdoor
Bild: Getty

Luzern ist einer der wenigen Schweizer Kantone, in denen ein generelles Bettelverbot gilt. Das ist insofern problematisch, als es einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Januar 2021 widerspricht . Daher sieht sich der Kanton Luzern gezwungen, das geltende Bettelverbot anzupassen.

Im Rahmen einer Vernehmlassung hat der Regierungsrat die Gemeinden im Juni dieses Jahres über seine Pläne zur Änderung der kantonalen Sammelverordnung, welche die Voraussetzungen fürs Betteln festlegt, informiert. Konkret schlägt der Regierungsrat eine Bettelbewilligungspflicht vor. Wer bettelt, soll dafür bei den Gemeinden eine Bewilligung beantragen. Der Regierungsrat schlägt zudem vor, dass die Gemeinden selbst für die Ausstellung und Kontrollen der Bewilligungen verantwortlich sind.

Stadt Luzern lehnt Bettelbewilligung ab

Die Vorschläge des Kantons stossen bei der Stadt Luzern auf wenig Verständnis. Der Stadtrat betont in einer Medienmitteilung, dass er die Einführung einer Bettelbewilligungspflicht für nicht zielführend hält.

Aus Sicht der Stadt sprechen vor allem zwei Gründe dagegen: Erstens müsste jede Gemeinde einen eigenen Bewilligungsprozess erarbeiten. Zweitens müssten die Gemeinden selbst sicherstellen, dass Verstösse gegen eine Bettelbewilligung richtig geahndet würden. Der Aufwand dazu wäre unverhältnismässig und der Prozess wäre kompliziert, wie es in der Medienmitteilung des Luzerner Stadtrats heisst.

SP, Mitte und SVP unter Vorbehalten dafür, Grüne dagegen

Von den Parteien, die ihre Vernehmlassungsantwort auf ihren Websites aufgeschaltet haben, sind bis auf die Grünen alle für die geplante Änderung der Sammelverordnung – wenn auch unter Vorbehalten.

Die SP begrüsst zwar die gesetzliche Änderung, wonach das Betteln im Kanton Luzern künftig nicht mehr grundsätzlich unter Strafe gestellt wird. Andererseits bezweifelt die Partei aber, ob eine Bewilligungspflicht in der Praxis umzusetzen sei. Ferner regt die SP an, den Passus zu streichen, der für die Bewilligungserteilung die Möglichkeit einer Gebührenerhebung von 100 Franken vorsieht. Davon würden diejenigen Person, bei denen das Sammeln dem Lebensunterhalt dient, profitieren. Mitte und SVP stehen ebenfalls hinter der Verordnungsanpassung, betonen in ihren Vernehmlassungsantworten aber die Notwendigkeit von restriktiven Kontrollen und Sanktionen. Nur so könne die neue Regelung auch in der Praxis wirksam werden.

Die Grünen lehnen eine Bettelbewilligungspflicht mit der Begründung ab, diese treffe genau die Schwächsten, die auf das Betteln angewiesen wären. «Betteln muss ohne Bewilligung möglich sein. Jeder Mensch hat das Recht, um Hilfe zu bitten», führt Kantonsrätin Laura Spring in der Vernehmlassungsantwort aus. Ausserdem brauche es neben Anpassungen der Verordnung auch Begleitmassnahmen in den Bereichen Sozialpolitik, Nothilfe und Antidiskriminierung.

Kanton sucht Gespräch mit Stadt

Wie reagiert das zuständige kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement auf die Kritik? Zur Klärung der Positionen werde demnächst ein Meeting mit Stadt Luzern stattfinden, erklärt Erwin Rast vom Justiz- und Sicherheitsdepartement auf Anfrage. «Je nach Ausgang des Gesprächs wird die Änderung der Verordnung im ersten oder zweiten Quartal 2023 dem Regierungsrat vorgelegt.»

Genfer Fall brachte Stein ins Rollen

Im Januar 2014 verurteilte das Genfer Polizeigericht eine Roma aus Rumänien zur Zahlung einer Busse von 500 Schweizer Franken wegen Bettelns. Die Frau aus Rumänien zog das Urteil durch alle Instanzen und gelangte schliesslich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Dieser hielt in seinem Urteil fest, dass generelle Bettelverbote Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention – das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens – verletzen.

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