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Zug

Betrugsverdacht: Krimi um den FC-Baar-Hauptsponsor

Der Chef der Octo Zug AG hat zahlreiche Gläubiger, darunter den FC Baar, etliche Zentralschweizer Autohäuser, die Zollverwaltung und einen Kreditverleiher. Zuletzt hat er seine Firma ins Tessin verlegt. Nun ist er in Zug festgenommen worden.
Der ehemalige Standort von Octo Zug an der Chamerstrasse. Die Suche nach einem neuen Mieter läuft. (Bild: Stefan Kaiser, Zug, 1. März 2019)

Christopher Gilb

Nach 80 Jahren war für die Garage A. Huber AG im Dezember 2017 Schluss. Die Räume an der Chamerstrasse 18 in Zug übergab Samuel Huber, der nun bei der Emil Frey AG in Sihlbrugg arbeitet, an die Octo Zug AG. «Es ist toll, dass dort, wo die Garage A. Huber AG ihren Ursprung hat, weiterhin Autos zu sehen sind und Benzin und Diesel getankt werden können», sagte er damals gegenüber unserer Zeitung. Heute herrscht in den Räumlichkeiten jedoch gähnende Leere.

«Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie man ein Geschäft innerhalb von einem Jahr derart an die Wand fahren kann», sagt Samuel Huber inzwischen über den einstigen Mieter. Eine Leasingfirma habe ihm damals den Mann empfohlen. «Er hatte starkes Interesse, und seine Octo Zug AG wies in den Bilanzen, die er uns vorlegte, auch hervorragende Zahlen auf», so Huber. Somit sei einem Mietverhältnis nichts im Weg gestanden. Nach nur einem halben Jahr seien dann aber schon immer weniger Autos im Showroom zu sehen gewesen. «Kurz darauf teilte er uns mit, dass er finanzielle Schwierigkeiten habe, wir lösten den Vertrag dann in gegenseitigem Einvernehmen auf», erinnert sich Huber. Schulden habe der Octo-Chef bei ihnen zwar keine, dafür hätten sie den unerwarteten Mietausfall gehabt. Man sei nun aber auf gutem Weg, was die Suche nach einem neuen Mieter betreffe.

Forderungen in Millionenhöhe

Mutmassliche Schulden hat der gebürtige Pole, der am Donnerstag von der Zuger Polizei wegen Betrugsverdacht festgenommen worden ist, dafür anderswo – und davon mehr als genug. 36 Forderungen sind im Betreibungsregisterauszug vom 26. Februar 2019 zur Octo Zug AG aufgelistet, viele davon von Autohäusern. Eine Forderung von 145'000 Franken stammt beispielsweise von einem Autohaus in Zürich, eine von knapp 300000 von einem solchen in Langenthal, ebenso von einem in Bilten und einem in Hunzenschwil und einem in Neuenkirch, ein Autohaus in Luzern hat ihn zudem für knapp 200'000 Franken betrieben und so weiter und so fort.

Etliche der Schuldner sind in der Zentralschweiz ansässig. Zusammengefasst sind es Forderungen von rund 5 Millionen Franken, die zu Buche stehen. Bezahlt hat der aus Polen stammende Inhaber laut Betreibungsregisterauszug bisher nur wenige, im Vergleich sehr kleine Beträge. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Rechnungen von Ausgleichskassen oder kantonalen Stellen. Dort, wo es bekanntlich schnell Konsequenzen gibt. Bei diversen anderen ist jedoch Rechtsvorschlag erhoben worden.

So auch bei den 30'000 Franken, die der FC Baar fordert. Im dritten Jahr ist die Octo Zug AG nun Hauptsponsor beim Lokalverein. «Die erste Zeit lief alles gut, doch jetzt warten wir schon länger auf die Begleichung der aktuellen Rechnungen», sagt FC-Baar-Präsident Martin Pulver. Erst habe man versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. «Da die Octo Zug AG nach einem Gespräch aber nicht mehr reagiert und insbesondere nicht wie versprochen bezahlt hat, haben wir sie nun betrieben.» Viel Hoffnung, das Geld bald zu erhalten, macht sich Pulver allerdings nicht. «Das ist ein herber Schlag für uns, es ist ein wesentlicher Betrag, der uns im Geschäftsergebnis 2019 fehlen würde», so Pulver.

Kein grossspuriges Auftreten

Nun befinde sich der FC Baar auf der Suche nach einem neuen Hauptsponsor. «Der Vertrag lief sowieso aus. Die Octo Zug AG war zwar erster Ansprechpartner, wir haben aber gemerkt, dass kein Interesse mehr da ist», so Pulver. Erlebt habe er deren Chef als umgänglichen Menschen. «Er wollte durch das Sponsoring wohl mögliche Kunden für den Direktverkauf gewinnen, in dem er sich etablieren wollte», so Pulver. Vereinsmitglieder erhielten beim Kauf von Fahrzeugen einen Rabatt von 1000 Franken. «Grossspurig trat er nicht auf, und am Anfang war auch einiges da an Substanz. Nun anscheinend nicht mehr», so Pulver. Wer sich eine alte Version der inzwischen gelöschten Firmenhomepage von Octo Cars anschaut, sieht unter Geschäftsführer einen Mann um die 40 mit freundlichem Gesicht, schütterem Haar und Brille.

Mit dem Direktverkauf übernommen

Spricht man mit betroffenen Autohändlern, die allesamt lieber anonym bleiben möchten, erhält man Einblick ins Geschäftsmodell des Octo-Chefs. Seit einigen Jahren mache er nun schon mit ihm Geschäfte, erzählt der Chef eines grösseren Autohauses, der die Octo Zug AG für einen sechsstelligen Betrag betrieben hat. Die Autos kamen aus Polen und der Ukraine. Bezahlt wurde oft per Vorkasse. «Teils haben wir gut Geld verdient. Wegen des starken Frankens hat das sich gelohnt, die Autos günstig von dort zu kaufen.» Nun habe er aber schon länger trotz Vorauszahlung keine Autos mehr bekommen. «Die fahren jetzt sicher irgendwo rum, obwohl sie eigentlich mir gehören.» Er glaubt, dass die Octo Zug AG sich auch mit ihrem Engagement im Direktverkauf übernommen habe. «In Baar war sie, dann noch in Oberwil, später in Zug, das war wohl zu viel. Schliesslich musste er, wenn er nicht nur Zwischenhändler war, alles selber bezahlen.» Und dann habe er noch gehört, dass ein Lieferant eines grossen Pakets von Mercedes-Wagen Konkurs gegangen sei. Von anderen Autohändlern werden die grossen Rabatte von teils 25 Prozent, die inzwischen herkömmliche Autohändler geben, sowie der veränderte Euro-Franken-Wechselkurs als mögliche Gründe für die Zahlungsschwierigkeiten der Octo genannt.

Ein anderer betroffener Autohändler jedoch zeigt sich vom Betrugsverdacht der Polizei gar nicht überrascht: «Wenn man richtig Druck machte, zahlte er doch. So war es bei mir, also muss er das Geld ja irgendwo haben.» Zur Bestätigung legt der Händler eine Zahlungsbestätigung vor. Er habe deshalb von Anfang an daran gezweifelt, ob der Octo-Chef wirklich aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zahlen konnte oder vielleicht auch einfach nicht mehr zahlen wollte.

Sitz ins Tessin verlegt

Die grösste Forderung aber stammt von keinem Autohändler, sondern von der Tavis Capital AG in Zürich. Sie verlangt 2,5 Millionen Franken vom Polen. Das Unternehmen vergibt Kredite an Schweizer KMU. Es handle sich um eine Kreditforderung, mehr könne nicht gesagt werden, heisst es auf telefonische Nachfrage. Vielleicht wollte der Chef der Octo AG ja mit dem Geld einen Teil seiner Schulden begleichen, denn Forderungen gibt es auch seitens der eidgenössischen Zollverwaltung. Sie verlangt 102'000 Franken von ihm. Der Octo-Chef war kurz vor seiner Festnahme – die Recherche zu seinen Geschäften lief bereits – noch zu erreichen, und zwar unter der Nummer der Octo Appartements an der Baarerstrasse 50, der einzige seiner diversen Betriebe, der noch zu laufen scheint. Auf die erste Frage, wieso er kürzlich den Sitz des Unternehmens von Zug nach Muralto nahe Locarno verlegt habe – die Firma heisst jetzt neu Octo Automative SA – bittet er erst darum, zurückrufen zu können, weil er sich gerade im Auto befinde, und anschliessend darum, alle Fragen schriftlich beantworten zu dürfen. Statt ihm meldet sich dann kurz darauf aber seine Baarer Anwältin und äussert erst einmal Unverständnis dafür, dass man sich überhaupt für das Thema interessiere. Statt wie angekündigt die Fragen bis zum nächsten Tag, 10 Uhr, zu beantworten, kommt kurz vor 23 Uhr eine Mail von ihr, ihr Klient sei vorerst nicht bereit, eine Stellungnahme abzugeben.

Es bleibt vorerst vieles offen. Einige Autohändler liessen bereits verlauten, nun Fakten schaffen zu wollen. Sie haben sich zusammengeschlossen, um gegen den Polen vor Gericht zu ziehen.

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